Martin Benedict mit der App
Das ERZmobil, das per App buchbar ist, ist in Zwönitz an den Start gegangen. Im Bild: Martin Benedict, Leiter des Zwönitzer Smart-City-Projektes. Foto: Ralf Wendland

ERZmobil: Flexibel unterwegs im ländlichen Raum

Mit dem ERZmobil ist Ende Januar im sächsischen Zwönitz eine neuartige Lösung für den nachhaltigen, öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum an den Start gegangen. Die Fahrgäste buchen den digital gemanagten Elektrokleinbus individuell über eine App.

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80 Prozent der Bevölkerung sollen so in maximal 600 Metern Luftlinie eine Haltstelle haben, von der aus sie eine Anbindung an den im Stundentakt verkehrenden regionalen Zug- und Busverkehr haben. Martin Benedict, Chief Digital Officer und Leiter Smart City in Zwönitz, zieht im Interview eine erste Bilanz der ersten Wochen und gibt Tipps für Kommunen, die ähnliche Mobilitätslösungen planen.

Seit ein paar Wochen fährt das ERZmobil im Regelbetrieb. Wie nehmen die Menschen in Zwönitz das Angebot an?

Das ERZmobil ist vor allem bei Schülerinnen und Schülern beliebt, die mit ihrem Schülerticket nur einen Komfortaufschlag in Höhe von 50 Cent bezahlen müssen. Die Buchung über die App klappt reibungslos, auch wenn die Einsatzzeit von 8 Uhr bis 16 Uhr derzeit noch nicht alle Fahrtwünsche abdecken kann. Momentan prüfen wir, ob wir durch ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer eine Erweiterung der Fahrzeiten anbieten können.

Insbesondere von älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern gab es allerdings auch Kritik, dass eine Fahrt nur per App gebucht werden kann. Wir arbeiten daran, dem Wunsch, auch über Telefon buchen zu können, nachzukommen. Denkbar ist hier eine Sprachbot-Lösung.

Was waren die größten Herausforderungen bis zum Start des ERZmobils?

Im Unterschied zu bislang bekannten Anrufsammeltaxis ist das ERZmobil vollständig in den Öffentlichen Personennahverkehr integriert. Dies setzt eine spezielle Konzession voraus, für welche erst im August vorigen Jahres die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen wurden. Die konkrete Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen war daher eine der größten Hürden: Insbesondere die Frage nach dem Gebiet, welches wir mit dem ERZmobil bedienen können, gestaltete sich als aufwändig. Daneben war es schwierig, die im Gesetz beschriebenen Ein- und Ausstiegspunkte in Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde (gesetzeskonform) zu definieren.

Zudem wollten wir die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen, um ihre Bedarfe zu kennen. Auch hier gab es einige Hürden zu nehmen: Wir haben von Anfang an klar kommuniziert, dass wir nicht alle Erwartungshaltungen erfüllen können. Insbesondere im Bereich der Mobilität entsteht aber schnell der Wunsch nach taxiähnlichen Modellen, sodass es beim Start des ERZmobils auch einige Enttäuschungen hinsichtlich der Anbindung gab. Viele äußerten sich kritisch, weil sie die Ein- und Ausstiegspunkte nicht nachvollziehbar fanden. Hier haben wir klar kommuniziert, dass das ERZmobil keine Konkurrenzsituation zum bereits bestehenden Linienverkehr erzeugen darf.

Gibt es noch weitere Erfahrungen, die Sie während der Planung für das ERZmobil gemacht haben?

Im Sinne einer agilen Softwareentwicklung haben wir relativ früh engagierte Bürgerinnen und Bürger als Testpersonen für die App integriert. Als bei einer frühen App-Version nicht alle Funktionen wie erwartet funktionierten, sind einige Testpersonen ausgestiegen. Das war schade. Ich empfehle daher, bei agilen Entwicklungsprojekten deutlich zu sagen, welche Features wann zur Verfügung stehen sollen. Es ist daher hilfreich, wenn das Projektmanagement solche Entwicklungszyklen beim Dienstleister konsequent einfordert. So lässt sich eine geregelte Information in Richtung der Testpersonen gewährleisten.

Eine letzte Hürde vor dem Start war auch die Veröffentlichung der Apps in den Stores von Google und Apple. Die Apps waren zum Beginn des Betriebs noch nicht von den Stores freigeschaltet. Die Reviewzeiten wurden beim Veröffentlichungsprozess unterschätzt. Das bedeutete, dass die Apps erst einmal manuell auf den Endgeräten installiert werden mussten. Dieses Problem ist aber auch mittlerweile beseitigt.

Welche Tipps haben Sie für Kommunen, die ähnliche Lösungen planen?

Essentiell wichtig ist es – wie so oft –, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu betrachten und früh mit Partnerinnen und Partnern aus dem Landkreis, den Genehmigungsbehörden und Verkehrsverbünden zusammenzuarbeiten. Zusätzlich haben uns zwei Workshops mit Bürgerbeteiligung in der Konzeptionsphase entscheidend weitergebracht: Zunächst haben wir hier gemeinsam die Mobilitätsprobleme innerhalb der Stadtstruktur und potentielle Zielgruppen analysiert. In einem zweiten Workshop wurde dann mithilfe eines Design-Thinking-Ansatzes eine Lösung formuliert.  

Bei der Beauftragung des Dienstleisters haben wir die Ausschreibung so gestaltet, dass die Stadt den Quellcode der Anwendung erhält. Das stellt eine Weiterentwicklung der Anwendung sicher – auch wenn der Dienstleister in Zukunft nicht mehr im Projekt beteiligt ist. Insbesondere mit Blick auf die regionale Wirtschaftsförderung können wir so auch weitere Dienstleister für Erweiterungsprogrammierungen relativ einfach in das Projekt integrieren.

 

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