A merged Franco-German city with the Eiffel Tower and Berlin Dome and half-timbered houses below a clear sky

Deutsch-Französischer Austausch zu KI in der Stadtentwicklung

15.10.2025

ISCN veranstaltet ersten deutsch-französischen Austausch über den Einsatz von KI in der Stadtentwicklung. Als Side-Event der Smart Country Convention 2025 in Berlin brachte es zahlreiche Expertinnen und Praktiker zum Wissensaustausch, Vernetzen und zum konzeptionellen Abgleich zusammen.

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Den "Geist von Toulon", auf den Bundeskanzler Friedrich Merz nach dem 25. deutsch-französischen Ministerrat Ende August verwies, weitertragen: Das war ein Teil der Mission des deutsch-französischen Austauschs zu KI in der Stadtentwicklung auf der Smart Country Convention 2025 in Berlin. Renate Mitterhuber, Leiterin des Referats „Smarte Städte und Regionen“ im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen (BMWSB), forderte in ihren Eröffnungsworten die Teilnehmenden und Partner in beiden Ländern dazu auf, das Potenzial von KI für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung in zweierlei Hinsicht wahrzunehmen: Einerseits als Mittel, um in etablierten Prozessen und Verfahren Effizienzgewinne zu erzielen. Oft läge auf dieser Perspektive das Hauptaugenmerk, bei dem Europa herausgefordert sei aufzuschließen, und bereits vielfach entsprechend Ressourcen mobilisiert. Zugleich gebe es allerdings auch die Perspektive, KI-getriebene Technologien proaktiv und kreativ zur Umgestaltung von Politiken, Maßnahmen oder Lebensweisen in der Stadt zu nutzen, wobei Europa mit seinen reflektierten Qualitäten die ein oder andere Stärke ausspielen könne.

Die Agenda der Veranstaltung war in zwei Teile gegliedert: Der erste konzentrierte sich auf das Teilen von Use Cases und ein Verständnis der bestehenden Projekte und deren Verortung in beiden Ländern. Der zweite Teil legte den Schwerpunkt auf die Datenökosysteme, die für KI-Nutzung in der Stadt notwendig sind. Über den folgenden Link können Sie die Agenda herunterladen, Aufzeichnungen aller Präsentationen sind unten verfügbar. 
 

Teil 1: Kennenlernen von Projekten und Use Cases

In einem ersten Überblick stellte Marlene Damerau das Projekt URBAN.KI vor, das zahlreiche Kommunen in ihrem Einsatz von KI in der Stadtentwicklung vernetzt und vom BMWSB durch das Förderprogramm Modellprojekte Smart Cities unterstützt wird. Enoh Tabak vom Internationalen Smart Cities Netzwerk (ISCN) gab im Anschluss ein paar kurze Eindrücke zu einschlägigen KI-Initiativen in Frankreich wider, die auch für den deutschen Kontext relevant sind. Die untenstehende Grafik aus dem Observatoire Data Publica (2025), IA & Territoires: Après la découverte, le temps des premiers choix zeigt beispielsweise, dass sich derzeit die meisten kommunalen KI-Projekte in Frankreich auf Anwendungen zur Optimierung interner und bestehender Verfahren konzentrieren (linker unterer Quadrant) — und in Deutschland scheint die Lage ähnlich zu sein. Der rechte obere Quadrant, in dem Kommunen, Zivilgesellschaft und Privatsektor gemeinsam und offen neue Prozesse schaffen können, ist bislang nicht fokussiert, sodass die Veranstaltung hier den ein oder anderen Impuls setzen könne.

In der folgenden Keynote lieferte Christian Kuhlmann von der Westfälischen Hochschule zunächst theoretische Hintergründe zur Entstehung von KI-Technologien und deren aktuellem Potenzial für die Stadtentwicklung. Anschließend stellte er beispielhaft Projekte zur räumlichen Analyse und Landnutzungserkennung in mehreren Kommunen Nordrhein-Westfalens vor. Das im Projekt „sursentia“ eingesetzte Foundation‑Transformer‑Modell soll z.B. tiefgreifende Erkenntnisse und Muster aus Luftbildern generieren, ohne Vorannahmen über die zugrundeliegenden Landnutzungen zu benötigen. 

Marie Bernard präsentierte die partizipativ entwickelten Leitlinien und Verfahren zur Strukturierung und Freigabe von KI-Projekten in der Metropolregion Nantes. Obwohl hier beispielsweise die Nutzung biometrischer Daten in KI‑Anwendungen vollständig untersagt sind, und damit ein strengerer Ausschluss formuliert wurde als in entsprechender EU-Gesetzgebung, florieren in der Stadt kommunale KI-Projekte und Use Cases.

Mit Blick auf die Zivilgesellschaft stellte Julian Stubbe Civic Coding vor, ein Innovationsnetzwerk für gemeinwohlorientierte KI-Projekte im Auftrag von vier deutschen Bundesministerien. Dabei verwies er auch auf eine kürzlich vom Projekt durchgeführte Studie, die zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland bereits eine partielle "AI-readiness" bescheinigt. Im anschließenden Kurzinterview mit Carolin Johannsen vom Startup Reimagine Spaces, das in seinen Anfängen ein Projekt im Civic Coding Netzwerk war, erfuhr das Publikum von einem KI-gestützten Ansatz, der bottom-up Plannungsprozesse in der Stadt bündeln und verschlanken will, um so agiler und resilienter auf Herausforderungen der Stadtentwicklung reagieren zu können, nicht zuletzt angesichts des Klimawandels und zu erwartender Kopplungen von Extremphänomenen.

Teil 2: Datenökosysteme für städtische KI

Der zweite Teil begann mit einem Videobeitrag von Natalia Carfì von Open Data Charter, die einige Projekte vorstellte, die Bemühungen rund um Open Data mit aktuellen KI-Trends in Verbindung setzen. So konstatierte sie einen noch immer großen Bedarf an menschlicher Validierungs- und Semantisierungsarbeit um Daten des Globalen Südens für das Training von KI‑Modellen einzubringen. Im TrustLawProjekt verglich Open Data Charter außerdem KI‑Regulierungen in sechs Ländern und identifizierte dabei Ansatzpunkte für deren weitergehende Verbesserung.

Wie sich offene Ressourcen von KI‑Modellen und Daten bereits grenzüberschreitend zwischen Frankreich und Deutschland nutzen lassen zeigte dann Jonas Bostelmann vom Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN). Der dortige Entwicklungs‑Hub nutzte offene Trainingsdaten aus Frankreich, um ein eigenes Modell für räumliche Anwendungen in Deutschland zu verfeinern. Damit präsentierte er beispielhaft, was in der Zukunft noch häufiger passieren sollte: Eine internationale Zusammenarbeit und Wiederverwendung von Ressourcen, Modellen und Software, um Lösungen zum wechselseitigen Nutzen zu verbessern und zu warten, statt sie parallel neu zu entwickeln. 

Zu guter Letzt sprach Björn Schwarze von der Addix GmbH und dem CAPTN‑Projekt in Kiel darüber, wie öffentlich‑private Partnerschaften die Entwicklung von KI-Modellen und -Lösungen durch Data Sharing verbessern können. Er zeigte wie sein Unternehmen Wifi‑Verbindungsdaten zur Analyse von Fahrgastzahlen in Bussen bereitstellt und damit eine Verbesserung erzielt zur bisherigen Praxis, bei welcher diese Werte aus Teilstichproben von mit kostenintensiven Sensoren ausgestatteten Bussen hochgerechnet wurden. Im CAPTN‑Projekt wird Datenaustausch zudem genutzt, um an der Steuerung und dem Betrieb autonomer Fähren zu arbeiten.

Kernpunkte aus den Working Sessions

Die beiden kurzen Working Sessions zwischendurch stellten erst die Herausforderungen von Kommunen beim Einsatz von KI zur Diskussion, und sammelten anschließend eine Art "Wunschliste" für Trainingsdaten, die die Grundlage für neuartige Use Cases bilden können. Entsprechende Anstöße und Bemerkungen hierzu sind in den folgenden Listen aufgeführt:
 

Herausforderungen von Kommunen beim EInsatz von KI (in der Stadtentwicklung)
  • Oft fehlende Strategien speziell für KI
  • Mangel an Datensätzen und (gelabelten) Trainingsdaten – wobei letzteres zum Teil sukzessive von KI übernommen werden kann, die vom menschlichen Beispiel lernt
  • Mangel an Standardisierung und - in dezentralen Strukturen - Synchronisation von Datenstrukturen und Modellen
  • Bedenken bezüglich Datenschutz und Missverständnisse hinsichtlich dem Konzept des "berechtigten Interesses"
  • Viele existierende Lösungen auf dem Markt sind methodisch intransparent und haben keinen angemessenen Umgang mit persönlichen Daten
  • Outputs bestehender Lösungen sind oft zu generisch und allgemein (z. B. Entwürfe für Stadtplanung); Spezifizierungen erfordern mehr lokale Daten
  • Fehlender Zugang zu Rechenkapazitäten für Kommunen; Erwerb von GPU‑Kapazitäten (z. B. stundenbasiert) passt nicht zu traditionellen Beschaffungsprozessen; weitgehender Mangel an zentralen Rechendienstleistungen → sind Kooperationen von Kommunen mit öffentlichen Rechenclustern ausreichend geprüft und erschöpft?
  • Institutionelle: Unterstützung durch höhere Verwaltungsebenen könnte stärker gebündelt und auf Pools von Kommunen ausgerichtet werden
  • Budget‑ und Zeitrestriktionen, die klarere ROI‑Benchmarks erfordern
  • Hochmotivierte Individuen, die Projekte tragen, fehlen oft
  • Potenzielle Zielkonflikte zwischen Dekarbonisierung und der Energieintensität von KI‑Nutzung
  • Kapazitätsaufbau für Personal zur Verbesserung fachlicher, methodischer und sozialer Kompetenzen für innovative KI‑Projekte
  • Klar umrissene Use‑Cases und/oder ausgewiesene Experimentiermöglichkeiten, z. B. technische Sandboxes
Wunschliste an (Trainings-)Daten
  • Materialdurchsatz und Komposition im Bau oder in der Produktion, Lebenszyklusdaten von Gebäuden
  • Demografische Schwankungen und Prognosen für die Verkehrsplanung
  • Daten zu elektrischen Geräten, seltenen Erden und Batterien in der Stadt
  • (Anonymisierte) granulare Bewegungsdaten
  • Luftbilddaten – RGB; Daten aus nah-infrarot Aufnahmen (teilweise verfügbar)
  • Drohnengenerierte Daten (z.B. zur Analyse von Barrierefreiheit)
  • detaillierte Lärmpegel
  • detaillierte Gesundheitsbedarfe
  • Strukturierte Daten zu Ergebnissen von Gemeinschaftsprojekten und Beteiligungsprozessen
  • Daten zur Nutzung und Belegung von (teil‑/privaten) Parkplätzen, Parks oder anderer Ressourcen
  • Granulare CO2‑Emissionen entlang von Wertschöpfungsketten
  • Verifizierte synthetische Daten

    Aber auch: Gute Foundation‑Modelle können den Bedarf an großen Trainingsdatensätzen reduzieren.

 

Folgeveranstaltungen zu (urbaner) KI-Nutzung in Frankreich, Deutschland und international

Der Rest des Jahres hält noch zwei Veranstaltungen zur KI-Nutzung auch auf kommunaler Ebene in Frankreich, Deutschland und international vor, zu welchem die Anstöße und Kontakte aus diesem Side-Event werden beitragen können: