Kinder und Erwachsene um einen Tisch voller technischer Geräte
Eröffnung des MakerSpace in Bendorf im Landkreis Mayen-Koblenz. MakerSpace Mayen-Koblenz gGmbH

Smarte Orte, lebendige Ideen: Wo Digitalisierung greifbar wird

06.02.2025

Smarte Städte und Regionen leben von digitalen Innovationen – doch wie werden diese für die Menschen konkret erfahrbar? Vielerorts entstehen analoge Anlaufstellen wie Stadtlabore und MakerSpaces. Diese Orte bieten Raum für kreative Experimente und den Austausch von Ideen. Andere zeigen digitale Lösungen oder bieten Anlaufstellen für Start-ups.

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Rund 50 der 73 Modellprojekte Smart Cities haben bereits physische „Ankerorte des digitalen Wandels" eingerichtet oder sind gerade dabei. Vom MakerSpace in Bendorf, dem ProbierLaden in Jena über das Stadtlabor in Soest und das BERD in Gießen bis hin zum inklusiven PIKSL-Labor in Kassel – jeder dieser Orte verfolgt bestimmte Ansätze, um Innovation und Teilhabe zu fördern. So unterschiedlich die Konzepte sind, sie zeigen doch alle, dass Digitalisierung mehr ist als Technik – der digitale Wandel lebt von Austausch, Mitgestaltung und nachhaltigen Lösungen. Wir stellen fünf Ankerorte des digitalen Wandels vor. Dabei haben wir die Verantwortlichen auch nach Erfolgsfaktoren, Herausforderungen und Tipps für andere Kommunen gefragt. 

MakerSpace der Smarten Region MYK: Kreatives Arbeiten für alle

Kind baut mit Spielzeugtieren eine Szene für einen Trickfilm auf.
Im MakerSpace Mayen-Koblenz werden unter anderem Trickfilme gedreht. MakerSpace Mayen-Koblenz gGmbH

Ein offener Raum für kreative und technische Experimente: Das ist der MakerSpace in Bendorf im Landkreis Mayen-Koblenz. Ein besonderer Bestandteil ist die „freie Forschungszeit“, ein offenes Angebot für alle Generationen. „Jeder kann hier ohne Anmeldung oder Gebühren neue Technologien ausprobieren und mit anderen zusammen Neues erschaffen“, erklärt Mareike Franzen, Projektmanagerin der Smarten Region MYK10. 

Der MakerSpace ist auch Ort der Integration: Eine wöchentliche interkulturelle Werkstatt richtet sich vor allem an Kinder und deren Eltern mit Migrationshintergrund. Während die Kinder die Welt der Technik entdecken, können die Eltern sich kennenlernen und einander beim Ankommen in Deutschland helfen.

Im MakerSpace wird auf Augenhöhe miteinander geforscht und gearbeitet. Was zählt sind die Ideen und der Einsatz, unabhängig vom Alter, der Herkunft oder der Schulform.

Mareike Franzen, Projektmanagerin Smarte Region MYK10

Mobile Angebote des MakerSpaces bringen digitale Bildung in den gesamten Landkreis. Derzeit liegen die größten Herausforderungen darin, die enorme Nachfrage zu bedienen und gleichzeitig eine nachhaltige Finanzierung zu sichern. Der Tipp von Mareike Franzen für andere Kommunen lautet: „Setzt auf niedrigschwellige Angebote an zentralen Orten und öffnet euch für Kooperationen mit Ehrenamtlichen, Schulen und Unternehmen.“

 

stadtLABOR Soest: Mitnehmen, Mitdenken und Mitmachen

Schaufenster eines Fachwerkhauses seitlich fotografiert. Davor ein Aufsteller mit der Aufschrift Mitnehmen, mitdenken, mitmachen.
Mitnehmen, mitdenken, mitmachen: Das Stadtlabor in Soest Stadt Soest

Das stadtLABOR im westfälischen Soest versteht sich als Mitmach-Plattform für die ganze Stadtgesellschaft. In dem Ladenlokal in einem pittoresken Fachwerkhaus in der Soester Innenstadt kommen seit Frühjahr 2020 Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung, Wissenschaft und und Start-ups zusammen – etwa bei digitalen Fragestunden für Seniorinnen und Senioren, Workshops zum Bau von Stadtmöbeln wie Stühlen, Tischen oder Bänken, oder beim Klimaforum, bei dem Bürgerinnen und Bürger Klimaschutzprojekte gemeinsam mit der Stadtverwaltung umsetzen. 

„Als Schaufenster unserer Smart-City-Projekte trägt das stadtLABOR maßgeblich dazu bei, die digitale Transformation in Soest sichtbar und erlebbar zu machen“, erklärt Sophie Lindenstruth aus dem Projektbüro Smart City Soest. Als Teil der „5 für Südwestfalen“ arbeiten die Soester zudem eng mit den Stadtlaboren in Arnsberg und Menden sowie mit dem WALD | STADT | LABOR in Iserlohn  zusammen: Gemeinsame Projekte könnten dadurch eine überregionale Wirkung entfalten und die gemeinsame Vision der Region stärken, so Sophie Lindenstruth. Eine Herausforderung besteht aus ihrer Sicht darin, die Balance zwischen lokaler Identität und überregionaler Zusammenarbeit zu finden: „Es ist nicht immer einfach, Projekte so zu gestalten, dass sie die individuellen Bedürfnisse der Städte berücksichtigen, gleichzeitig aber auch Synergieeffekte für die gesamte Region ermöglichen.“ 

Aus Soest ist das stadtLABOR, das am 7. Februar 2025 seinen fünften Geburtstag feiert, nicht mehr wegzudenken. Anderen Kommunen, die überlegen, ein Stadtlabor einzurichten, gibt Sophie Lindenstruth den Tipp: „Ein starkes Netzwerk, ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm und eine klare Verankerung in der Stadtgesellschaft sind entscheidend für den Erfolg.“

Weitere Einblicke und praxisnahe Tipps bietet der Best Practice Guide des StadtLABORs Soest. 

ProbierLaden Jena: Digitale Teilhabe ermöglichen

Ladenlokal mit Sesseln und Sofas eingerichtet
Ziel des ProbierLadens in Jena ist es, Hemmschwellen abzubauen und Digitalisierung für alle verständlich zu machen. Stadt Jena+vhs

Gemütlich und einladend – fast wie in einem Wohnzimmer. So sieht es im ProbierLaden in der Jenaer Innenstadt aus. Seit September 2024 lädt dieser dazu ein, digitale Kompetenzen niedrigschwellig zu erlernen. „Unser Ziel ist es, digitale Hürden abzubauen, besonders für ältere Menschen“, erklärt Dorothea Prell, Smart City Beauftragte Jena. Prell leitet das Jenaer Smart-City-Projekt, das den ProbierLaden zusammen mit der Volkshochschule betreibt. 

„Keine Frage ist falsch, alle sind willkommen.“ 
Dorothea Prell, Smart City Beauftragte Jena 

Oft geht es um Alltagsfragen wie den Einstieg ins Online-Banking oder sichere Passwörter. Die Besucherinnen und Besucher können Technik ausprobieren, sich individuell beraten lassen oder an Kursen, Workshops und Seminaren teilnehmen. 

Obwohl es das Angebot erst seit fünf Monaten gibt, hat die Nachfrage die Erwartungen bei Weitem übertroffen. „Der Bedarf ist riesig“, berichtet Dorothea Prell, „manchmal stehen die Menschen schon vor der Tür, bevor wir öffnen.“ Das eingeplante Personal ist vollständig ausgelastet, und zusätzlich eingesetzte Honorarkräfte unterstützen inzwischen das Team. 

Prells Rat an andere Kommunen: „Setzt auf einen gut erreichbaren Standort und engagiertes Personal – das ist der Schlüssel zu einer hohen Akzeptanz.“

BERD in Gießen: Bewegung, Bildung, Digitalisierung vereint

Zu sehen ist eine Halle mit einem Speedcourt, einem interaktiven Mess- und Trainingssystem. Auf dem Boden sind rote Farbflächen mit Sensoren, an der Wand ein Bildschirm. Im Hintergrund sind weitere Trainingsgeräte zu sehen.
Ein Highlight im BERD ist ein Speedcourt, ein spezielles Trainingssystem zur Verbesserung von Schnelligkeit, Reaktion und kognitiven Fähigkeiten. Es besteht aus einem markierten Feld mit Sensoren, die Bewegungen erfassen, und wird vor allem im Sport und in der Rehabilitation eingesetzt. Landkreis Gießen

BERD – das steht für „Bewegen“, „Erleben“, „Reden“ und „Denken“ und vereint auf einzigartige Weise die Themen Bildung, Bewegung, Gesundheit und Digitalisierung. Auf 730 Quadratmetern in den ehemaligen Räumen einer Spedition stehen in Lich-Eberstadt im Landkreis Gießen eine digitale Werkstatt, moderne Trainingsmöglichkeiten mit digitaler Unterstützung sowie Räumlichkeiten für Konferenzen und Tagungen zur Verfügung. „Unser Ansatz ist interdisziplinär: Hier können Menschen neue Technologien erleben und gleichzeitig ihre Gesundheit fördern“, sagt Felix Reinhardt, Projektleiter Smartes Gießener Land. Das im August 2024 eröffnete BERD ist einer der ersten Social Hubs, die der Landkreis im Rahmen des Projekts „Smartes Gießener Land“ einrichtet. Kooperationspartner sind der Sportverein LICH Basketball e.V. sowie das Unternehmen Hand & Werk GmbH. Im BERD gibt es von VR-Brillen über 3D-Drucker bis hin zu einer Indoor-Golfanlage oder einem Speedcourt, einem Trainingssystem mit sensorbasierten Bodenfeldern, jede Menge nützliches und spannendes Equipment. 

Person mit VR-Brille vor einem Bildschirm, der die virtuelle Umgebung zeigt.
Auch virtuelle Welten können im BERD erkundet werden. Landkreis

„BERD kombiniert das Thema Digitalisierung mit den konkreten Lebens- und Lerninteressen der Menschen vor Ort. Dieses interaktive Lernzentrum schafft niedrigschwellige Zugänge zu digitalen Technologien, die einen direkten Mehrwert für den Alltag bieten.“ 

Felix Reinhardt, Smartes Gießener Land

Dem Team um Felix Reinhardt ist besonders wichtig, dass durch niedrigschwellige Angebote Hemmschwellen abgebaut werden. BERD steht allen Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises offen und kann im Rahmen von Bildungsangeboten der Volkshochschule oder für Vereine, Organisationen, Initiativen und Unternehmen genutzt werden. „Dieser Ort überzeugt als Praxislabor durch die Möglichkeit der offenen Kommunikation und des Sich-Ausprobieren-Könnens.“ Anderen Kommunen rät Reinhardt, von Anfang an auf eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren zu setzen, um Akzeptanz und Nachhaltigkeit sicherzustellen.

PIKSL Labor Kassel: Barrierefreie Zugänge zur digitalen Welt

Gruppenfoto 11 Menschen  und ein Hund. Ein junger Mann im Rollstuhl
Das Team des PIKSL-Labors in Kassel Adrian Engelhardt

Als offener Ort für den inklusiven Austausch bringt das PIKSL Labor Kassel Menschen mit und ohne Behinderungen aus allen Altersstufen zusammen, um innovative Ideen durch Inklusion zu verwirklichen. Mit Lern- und Beratungsangeboten, Workshops und Tipps zum Umgang mit Computer-, Internet- oder Smartphone-Funktionen fördert das PIKSL Labor barrierefreie Zugänge zur digitalen Welt und damit die digitale Teilhabe für alle. Um dieses Ziel zu erreichen, orientieren sich die Teams bei der Entwicklung von Lösungen nicht nur besonders an den Bedarfen von Menschen mit Lernschwierigkeiten und Einschränkungen, sie binden sie auch aktiv mit ihren vielfältigen Perspektiven ein als Beratende und Wissensvermittelnde. Mit Erfolg: So erhielt die mit dem Labor  kooperativ entwickelte Idee eines Fernassistenz-Projekts eine Förderung der Aktion Stiftung Mensch.

Die wichtigste Erfahrung im Bereich der Digitalen Teilhabe ist, dass wir immer mit und nicht über die Zielgruppen reden müssen. Lebensrealitäten und Bedarfe sind sehr unterschiedlich. Gelernt haben wir, dass Digitale Teilhabe Soziale Teilhabe bedeutet.“

Lilija Willer-Wiebe, PIKSL Labor Kassel

Eine Zusammenarbeit besteht auch mit dem Modellprojekt Smart Cities „Smart Kassel“. Aktuell ist das Labor zum Beispiel Teil des Aufbaus eines Umwelt- und Klimadaten-Sensornetzwerks und erarbeitet gemeinsam mit „Smart Kassel“ ein „Güte-/Prüfsiegel zur Sozialinklusiven Überprüfung der Smart-City-Projekte“. Lilija Willer-Wiebe, Co-Leiterin des PIKSL Labors Kassel, empfiehlt deshalb auch anderen Kommunen, „dass sie sich niederschwellige Begegnungsorte aufbauen, die solche Beteiligungsformate ermöglichen.“ Wichtig seien vor allem Austauschformate mit vielfältigen Angeboten, ergänzt Lilija Willer-Wiebe: „Austauschrahmen, in denen Medienkompetenz geschult und erweitert werden kann, digitale Risiken besprochen werden, aber auch die Neugier und Praxis in der Nutzung von digitalen Geräten gefördert wird.“ Dazu zählen zum Beispiel Workshop-Angebote zu den Themen Sicherheit im Netz oder Künstlicher Intelligenz; seit März 2024 ist das Labor sogar offiziell ein „KI-Lernort“.

Lesehinweise und Arbeitsgruppe zu Ankerorten der Smart City

Weitere Artikel finden Sie hier:

Eine Arbeitsgruppe der Modellprojekte Smart Cities tauscht sich regelmäßig über verschiedene Orte der Digitalisierung aus. Hier werden Erfahrungen, Learnings und Tools aus der Praxis geteilt und gemeinsam weiterentwickelt. Interessierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter sind herzlich eingeladen, sich anzuschließen.

Zur Arbeitsgruppe "Ankerorte des digitalen Wandels" | Smart City Dialog