Handreichung zur digitalen Stadt: „Eine übergeordnete Smart-City-Vision ist immens wichtig“

Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ist die Handreichung „Die digitale Stadt gestalten“ entstanden. Sie unterstützt Kommunen auf dem Weg zur Smart City bei der Entwicklung einer lokalen Digitalstrategie und der Umsetzung digitaler Projekte. Melanie Humann, Professorin für Urbanismus und Entwerfen an der TU Dresden und Gesellschafterin der Agentur Urban Catalyst, war federführend an dem Projekt beteiligt und erklärt, worauf es ankommt. Am 19. Oktober stellt sie die Handreichung bei der Smart Country Convention (SCCON) vor.
Erst die Strategie und dann die Maßnahmenplanung: Was sind die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Smart City?
Melanie Humann: Die reine Lehre wäre – ausgehend von einer Bestandsanalyse – Visionen, Ziele und Handlungsfelder der Smart City zu definieren und erst daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten. In der Praxis bietet es sich aber durchaus an, den Strategieprozess bereits mit ersten Projekten zu verknüpfen. Unsere Erfahrung: Erste Umsetzungserfolge – sogenannte „Quick Wins“ – helfen, die Beteiligten einzubinden und für den weiteren Strategieprozess zu motivieren. In der Handreichung haben wir die Bereiche Strategie und Projektplanung deshalb als zwei Kreisläufe miteinander verzahnt. Jedoch ist eine übergeordnete Vision natürlich immens wichtig, damit es im Sinne der nachhaltigen, gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung nicht zu einem Sammelsurium von technischen Einzellösungen als Selbstzweck kommt.
Welche Rolle spielen im Smart-City-Strategieprozess andere vorhandene Stadtentwicklungsstrategien?
Idealerweise baut die Smart-City-Strategie auf vorhandenen Zielen und Strategien der Stadt auf. Dabei kommt es aber auf die Gegebenheiten vor Ort an. Die Handreichung beschreibt unterschiedliche Ansätze: Einerseits kann die Smart-City-Strategie tatsächlich eine unabhängige Strategie sein. Sie kann aber auch vorhandene Entwicklungskonzepte um Smart-City-Themen ergänzen oder gänzlich in einer vorhandenen Strategie integriert werden.

Deep Dive im Rahmen der SMART COUNTRY CONVENTION 2022
„Die digitale Stadt gestalten“
19. Oktober 2022 | 10:00 – 11:30 Uhr, SCCON, Beta 1 | hub27, Berlin
Im Rahmen des Workshops stellen Melanie Humann und weitere Beteiligte die Ergebnisse der Handreichung vor und vermitteln weiterführende Informationen zum Projekt.
Zur Übersicht: Angebote des BMWSB und der Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities auf der SCCON
Wie detailliert sollte die Smart-City-Strategie sein?
Von XS bis XL ist alles möglich. Grundsätzlich kann die Smart-City-Strategie sehr schlank gehalten sein und nur die Visionen, Ziele und Themenfelder benennen. Das ist auch in Form einer grafischen Lösung denkbar. Statt eines 300-Seiten-Dokuments sind auch unterschiedliche Formate möglich, etwa eine konzentrierte Zusammenfassung für die Öffentlichkeit, eine Beschlussvorlage für die Verwaltungsspitze und den Rat und umfängliche interne Arbeitsdokumentationen für das Smart-City-Team. In der Regel sollte die Strategie in regelmäßigen Abständen von ein bis zwei Jahren überprüft und weiterentwickelt werden.
Was sind die größten Hürden auf dem Weg zur Smart City und wie lassen sie sich überwinden?
Sicherlich ist es eine große Hürde, Menschen in kommunalen Verwaltungen und Betrieben zu begeistern, die nicht federführend an einem Smart-City-Prozess beteiligt sind. Der Weg zur Smart City bedeutet zusätzliche Belastung und einige fürchten den Eingriff in die eigenen Kompetenzbereiche. In den Kommunen, die wir untersucht haben, hat sich die offene, ehrliche und durchdachte Kommunikation als größter Erfolgsfaktor erwiesen. Plakativ gesagt hilft es schon, wenn die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nicht erst durch Tweets oder aus der Presse davon erfahren, dass Veränderungen anstehen. Dann geht es darum, den Mehrwert der Neuerungen deutlich zu machen und hier helfen die „Quick Wins“. Und letzten Endes bedarf es immer der ernstgemeinten Unterstützung auf Leitungsebene, also etwa der Oberbürgermeisterin oder des Oberbürgermeister
Die digitale Stadt gestalten: Eine Handreichung für Kommunen
Die digitale Transformation von Stadt und Gesellschaft verändert unsere Lebenswelten – die Art und Weise, wie wir arbeiten und lernen, uns fortbewegen und Dinge produzieren, handeln und konsumieren. Für die Kommunen bedeutet dies neben neuen Aufgaben auch neue Chancen und Risiken. Sie stehen vor der Herausforderung, digitale Trends im Dienst einer gemeinwohlorientierten, nachhaltigen Stadtentwicklung aktiv aufzugreifen und nutzbar zu machen.
Hier setzt die Handreichung des BBSR an. Sie richtet sich insbesondere an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verwaltungen in kleinen und mittleren Kommunen, Landgemeinden und -kreisen. Die Veröffentlichung soll ihnen dabei helfen, sich proaktiv mit der Digitalisierung der Infrastrukturen, der Verwaltung und den Handlungsfeldern der Stadtentwicklung zu befassen.
Der Kompass (Teil 1) fasst zunächst Grundlagenwissen zur Smart City zusammen und thematisiert beispielsweise Raumwirkungen der Digitalisierung, Daten in der Stadtentwicklung oder Smart-City-Governance. Die Arbeitsschritte (Teil 2) zeigen einen idealtypischen Smart-City-Prozess von der Strategieentwicklung bis zur Projektumsetzung auf und geben praktische Anleitungen. Der Wissensspeicher (Teil 3) enthält schließlich Arbeitsmaterialien und eine Sammlung kommunaler Praxisbeispiele.
Interessierte können die Handreichung hier herunterladen (PDF 13 MB) oder bestellen.