Resilienz in der Smart City: Wie Kommunen besser mit Krisen umgehen können

Das Projekt analysiert bestehende Methoden, Werkzeuge, innovative Strategien und Governance-Konzepte zur systematischen Stärkung kommunaler Resilienz in der Stadtentwicklung und zeigt praktische Perspektiven für deutsche Kommunen auf.

  • Status: abgeschlossen
  • Laufzeit: Januar 2022 bis November 2022
  • Programm: Modellprojekte Smart Cities

Publikation

Städte und Gemeinden stehen vor einer doppelten Herausforderung: Auf der einen Seite sind sie angehalten, ambitionierte Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen, um eine zukunftsfähige Stadtentwicklung zu gewährleisten. Auf der anderen Seite müssen sie die bereits spürbaren nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels bewältigen und Folgewirkungen begrenzen. Vor diesem Hintergrund zielt die Publikation darauf ab, Resilienz als Grundgerüst einer nachhaltigen Stadtentwicklung greifbar zu machen. Sie legt dar, warum es effektiv sein kann, sich in der Smart-City-Strategieentwicklung stärker mit diesem Konzept zu befassen. Resilienz lässt sich dabei sowohl als eigenständiges Element einer integrierten nachhaltigen Stadtentwicklung entwickeln als auch als Querschnittsthema und Managementprinzip in Smart-City-Strategien verankern.

Anhand vielfältiger Beispiele aus der kommunalen Praxis zeigt die Studie an der Schnittstelle von Digitalisierung und Resilienz auf, inwiefern die vier wesentlichen Merkmale resilienter Systeme die kommunale Resilienz stärken können: Feedback-Loops, Modularität, Diversität und Redundanz. Um „kommunales Resilienzdenken“ zu verankern, sollten Kommunen Resilienz als Querschnittsthema in ihren Entscheidungsprozessen und -verfahren verankern, sich bei der Entwicklung von Resilienzstrategien an bereits vorhandenen Strategien orientieren sowie in fachliche, personelle und finanzielle Ressourcen zur Steigerung urbaner Resilienz investieren.

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Resilienz in der Smart City

Wie Kommunen besser mit Krisen umgehen und proaktiv eine nachhaltige Zukunft gestalten können
Erscheinungsjahr 2023
Cover

Interaktive Grafik: Resiliente Systeme in der Stadt

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Interaktive Grafik Resilienzstrategien Der Zustand von kommunaler Abwasserinfrastruktur kann mittels Prognosetools kontinuierlich überprüft und proaktiv gesteuert werden. Redundante Rückhalteräume schaffen Kapazitäten, um auf die Folgewirkungen extremer Wetterereignisse wie Starkregen zu reagieren. Click & Collect trägt im Einzelhandel dazu bei, dass Geschäfte ihre Waren über weitere Wege vertreiben können. Ein vielfältiges Mobilitätsangebot ermöglicht den Stadtbewohnerinnen und -bewohnern situativ und spontan, zum Beispiel bei Ausfall eines Verkehrsangebots, zwischen unterschiedlichen Mobilitätsformen auszuwählen. Eine dezentrale Energieversorgung mit unterschiedlichen erneuerbaren Energiequellen erhöht die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und die Versorgungssicherheit bei Nachfrageschwankungen. Modulare netzgebundene Infrastrukturen (z. B. Strom- oder IT-Netze) können Kaskadeneffekte verhindern. Solche „Feuersperren“ sind bei kritischen Infrastrukturen wichtig, um den Zusammenbruch ganzer Systeme zu verhindern. Mithilfe unabhängiger Kommunikationsnetze kann im Falle eines Katastrophenereignisses die Koordinierung von Ressourcen und Hilfeleistungen aufrechterhalten werden. Umweltsensoren können Daten zur Luftqualität bzw. ‐ verschmutzung in Echtzeit erheben. Bei Überschreitung von Grenzwerten können in den Städten und Gemeinden notwendige Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Redundanzen sind Elemente in der Stadt, die mehrfach vorgehalten werden. Diversität bedeutet, dass bei einer Störung vielfältige Lösungsmöglichkeiten bestehen. Modularität beschreibt Strukturen mit mehreren voneinander abzukoppelnden Teilen. Feedback-Loops zirkulieren und verarbeiten Informationen in der Stadt. Legende

Resilienzstrategien sollen Kommunen helfen, mit den Herausforderungen von Wandlungsprozessen umzugehen. Besonders steht dabei der Umgang mit Extremereignissen im Vordergrund, die in stärkerer Frequenz und Intensität auftreten. In der digitalen Stadt bieten Smart-City-Strategien einen wichtigen Ansatzpunkt, um die kommunale Resilienz querschnittsorientiert zu stärken.

Ausgangslage

Städte und Gemeinden befinden sich in einem ständigen Wandel. Dabei wirken viele externe Ereignisse auf die Stadtentwicklung. Um diesen Wandel in Richtung einer nachhaltigen Stadtentwicklung bewusst zu gestalten, ist es essentiell, ein übergreifendes „Resilienzdenken“ in Kommunen zu etablieren. Dieses gilt insbesondere für die Entwicklung einer Smart-City-Strategie. Denn zunehmend beeinflussen Extremereignisse wie Hitzesommer oder Starkregen das Leben in den Städten und Gemeinden. Die Digitalisierung eröffnet dabei vielfältige Möglichkeiten, um urbane Resilienz zu stärken. Beispiele dafür sind unter anderem verbesserte Informations- und Planungsgrundlagen. Darunter fallen das Echtzeitmonitoring von Umwelt- und Wetterdaten oder die Entwicklung neuer Plattformen für effiziente fachbereichs- oder akteursübergreifende Kooperationen. Gleichzeitig birgt die Digitalisierung des urbanen Systems auch Risiken, zum Beispiel durch Cyberattacken auf städtische Infrastrukturen. Trotz dieser Vulnerabilitäten kann ein hohes Maß an digitaler Unterstützung von Resilienz die Auswirkungen externer Störungen abfedern und die Fähigkeit stärken, beim Wandel in Richtung Nachhaltigkeit mit Ungewissheiten umzugehen.

Ziel

Vor diesem Hintergrund zielte das Forschungsprojekt darauf, Resilienz als Grundgerüst einer nachhaltigen Stadtentwicklung greifbar zu machen. Es sollte Kommunen bewegen, sich in der Smart-City-Strategieentwicklung stärker mit diesem Konzept zu befassen. Resilienz kann dabei sowohl als eigenständiges Element einer integrierten, nachhaltigen Stadtentwicklung entwickelt als auch als Querschnittsthema und Managementprinzip in Smart-City-Strategien verankert werden.

Das Ziel des Projekts bestand darin, bestehende Methoden, Werkzeuge, innovative Strategien und Governance-Konzepte zur systematischen Stärkung kommunaler Resilienz in der Stadtentwicklung zu analysieren und praktische Perspektiven für deutsche Kommunen aufzuzeigen. Mit einem Fokus auf digitale Tools und Infrastrukturen lag der thematische Schwerpunkt der Studie auf dem Hochwasserschutz und Strategien zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie. Weitere relevante Themen wie Cybersicherheit und die digitale Daseinsvorsorge (u. a. Resilienz von Infrastrukturen) wurden berücksichtigt.

Auftragnehmer des Forschungsprojekts waren das Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH und das Deutsche Institut für Urbanistik (difu; Berlin). Beide Institutionen sind Teil des Forschungsclusters der Koordinierungs- und Transferstelle Smart Cities.

Konzept

Anhand vielfältiger Beispiele aus der kommunalen Praxis wird aufgezeigt, inwiefern die vier wesentlichen Merkmale resilienter Systeme – Feedback-Loops, Modularität, Diversität und Redundanz – die kommunale Resilienz stärken können. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Zusammenspiel von Resilienz und Digitalisierung, das dafür neue Möglichkeiten eröffnet. Gleichzeitig ist es wichtig, mögliche Risiken der Digitalisierung von Beginn an mitzudenken und zu vermeiden.

Auf Grundlage internationaler sowie nationaler Beispiele, die in ihren Strategiedokumenten entweder umfassende Resilienzstrategien oder auch einzelne resilienzfördernde Ansätze verfolgen, werden zentrale Herangehensweisen abgeleitet, mit deren Hilfe „Resilienzdenken“ in der kommunalen Praxis gestärkt werden kann.

Mithilfe dieser Desktop-Forschung sowie Interviews mit Expertinnen und Experten war das Projekt in zwei Arbeitspakete untergliedert: Im ersten Arbeitspaket (AP 1) erfolgte eine internationale Bestandsaufnahme von Strategien, technischen Werkzeugen und Governance-Konzepten zur Erhöhung der kommunalen Resilienz. Ein zweites Arbeitspaket (AP 2) widmete sich den Schnittstellen zwischen Resilienzstrategien und Katastrophenschutz sowie Resilienz und COVID-19.

Ergebnisse

Als zentrales Ergebnis des Projekts entstand die Publikation „Resilienz in der Smart City“. Sie beschreibt vier wesentliche Merkmale resilienter Systeme, die dazu beitragen, urbane Resilienz zu stärken: Feedback-Loops, Modularität, Diversität und Redundanz. Anhand vielfältiger Beispiele aus der kommunalen Praxis zeigt die Broschüre auf, inwiefern diese Merkmale in Kommunen umgesetzt werden:

Die Stadt Rotterdam zeigt, wie ein übergreifendes Resilienzkonzept als Orientierungs- und Handlungsrahmen für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels fungieren kann. Hierzulande demonstrieren Beispiele aus der kommunalen Praxis jedoch eher, wie einzelne Bausteine eines „Resilienzdenkens“ in etablierte Fachkonzepte und -verfahren integriert werden können.

In Berlin ermöglichen Echtzeitdaten Feedback-Loops zur Erkennung von Modernisierungsbedarfen unterirdischer Abwassersysteme. In den rheinland-pfälzischen Gemeinden Mayschoß und Grafschaft gewährleisten technisch unabhängige Kommunikationssysteme durch ihre Modularität auch dann die Arbeitsfähigkeit von Krisenstäben, wenn IT-Infrastrukturen durch Katastrophenereignisse ausfallen. Die Einspeisung und Steuerung eines breiten Spektrums erneuerbarer Energien im Stadtraum von Haßfurt (Bayern) steigert die Diversität des lokalen Energiesystems, während gesicherte Ersatzstrukturen die Redundanz von Systemen bei Teilausfällen erhöhen. Der Landkreis Harz (Sachsen-Anhalt) und die Stadt Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern) sind wiederum Beispiele, bei denen während der Coronapandemie dank lokaler, digitaler Plattformen Umsatzpotenziale im Einzelhandel realisiert werden konnten. Die Nutzung digitaler Tools und Lösungen kann somit maßgeblich dazu beitragen, die Resilienz eines Stadtsystems zu erhöhen.

Auf der Basis der untersuchten Städte können folgende Empfehlungen formuliert werden, mit deren Hilfe „Resilienzdenken“ in der kommunalen Praxis gestärkt und Resilienzstrategien entwickelt werden können:

  • Resilienz als Querschnittsthema gilt es in allen kommunalen Entscheidungsprozessen und -verfahren zu verankern.
  • Die Entwicklung und Umsetzung von Resilienzstrategien sollte sich an vorhandenen Strategien orientieren und diese flankierend unterstützen.
  • „Resilienzdenken“ sollte als übergreifendes handlungsfeld vermittelt und fachübergreifende Kooperationen etabliert werden.
  • Digitalisierung ist als Chance für die Entwicklung resilienter Systeme zu verstehen, unter anderem um potenzielle Risiken frühzeitig adressieren zu können.
  • Fachliche, personelle und finanzielle Ressourcen zur Steigerung der urbanen Resilienz sollten vorgehalten werden.
  • Resilienz ist als Fähigkeit zu nutzen, um den gewünschten und notwendigen Wandel zur Nachhaltigkeit herbeizuführen.
Kontakt
Prof. Dr. Jochen Rabe

Prof. Dr. Jochen Rabe

Forschungscluster der Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities | Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH (KWB)
Dr. Ralf Schüle

Dr. Ralf Schüle

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Referat RS 5 „Digitale Stadt, Risikovorsorge und Verkehr“