Ein Warnschild vor Hochwasser vor einem Fluss
Ein Schild warnt vor Hochwasser an einem Fluss adobe.stock.com - Martina Berg

Gemeinsam gegen Hochwasser: Wie smarte Systeme schützen können

10.07.2025

Hochwasser kennt keine kommunalen Grenzen – und erfordert gemeinsames Handeln. In einer Entwicklungspartnerschaft innerhalb des Smart-City-Förderprogramms arbeiten die Modellprojekte Smart Cities (MPSC) daran, intelligente Hochwasserinformationssysteme zu entwickeln und voneinander zu lernen. Der Beitrag zeigt, wie Kommunen durch überregionale Sensornetze, gemeinsame Datenplattformen und bald auch über KI-gestützte Prognosen Menschen und Infrastruktur schützen.

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Überschwemmungen durch Starkregen und Flusshochwasser treffen immer mehr Kommunen – mit teils gravierenden Folgen: überflutete Straßen, beschädigte Infrastruktur und erhebliche Schäden an Gebäuden. Auch Industrie, Gewerbe und Lieferketten bleiben nicht verschont: Zwischen 2000 und 2021 entstanden allein durch Überschwemmungen und Flusshochwasser in Deutschland Schäden von mindestens 70 Milliarden Euro (vgl. Bundesregierung, o. J.). 

Nicht berücksichtigt sind dabei gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie Todesfälle oder die Belastung von Ökosystemen. Extreme Wettereignisse treten zudem häufiger und intensiver auf – eine direkte Folge des Klimawandels. Klassische Schutzmaßnahmen wie Dämme stoßen dabei an ihre Grenzen. Kommunen stehen deshalb unter Druck, ihre Infrastrukturen resilienter zu machen und geeignete Strategien im Umgang mit den Auswirkungen von Extremwetterereignissen zu entwickeln (vgl. BMWSB, 2024). 

Genau hier setzen mehrere Modellprojekte Smart Cities (MPSC) an und setzen auf smarte Hochwasserinformations- und Frühwarnsysteme, um betroffene Bereiche frühzeitig zu identifizieren, Schäden zu minimieren und die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren. 

Wie smarte Hochwasserinformationssysteme unterstützen

Digitale Hochwasserinformationssysteme verbinden Wetterprognosen, Pegelstände, Sensor- und Geodaten, um gefährdete Bereiche frühzeitig sichtbar zu machen. Ziel ist es, Risiken besser einzuschätzen und ausgewählte Zielgruppen wie die Stadtverwaltung, Einsatzkräfte der Feuerwehr sowie Bürgerinnen und Bürger rechtzeitig zu informieren.

Entwicklungspartnerschaft zum Thema Hochwasserinformation bei den Modellprojekten Smart Cities

Auch innerhalb der Modellprojekte Smart Cities ist das Thema Hochwasser durch Starkregen oder Flusshochwasser an der Tagesordnung. Ein Teil geförderter Kommunen hat sich daher in einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen, um von den jeweiligen Hochwasserinformationsprojekten der Mitglieder zu lernen und Synergien zu schaffen. Der fachliche Austausch sowie gezielte Impulse von Best-Practice-Beispielen tragen dazu bei, die Projekte gezielt weiterzuentwickeln.

Die Arbeitsgruppe orientiert sich am dreistufigen Vorgehen der Modellprojekte Lemgo.Kalletal und Hameln-Pyrmont, die die Zusammenarbeit initiiert haben. Das dreistufige Vorgehen wurde von Fraunhofer IOSB-INA aus Lemgo entwickelt. Im ersten Schritt dieses Vorgehens werden geeignete Standorte für Sensoren ausgewählt, installiert und die Datenübertragung via LoRaWAN eingerichtet. Parallel wird ein Dashboard entwickelt, das die erfassten Daten sowohl intern (zum Beispiel für die Stadtverwaltung) als auch extern (zum Beispiel für die Bevölkerung und Einsatzkräfte) visualisiert und bereitstellt. Erste Datenerhebungen und -analysen erfolgen ebenfalls in dieser Phase.

Im zweiten Schritt wird untersucht, wie verschiedene Umweltfaktoren Hochwasserereignisse beeinflussen. Ziel ist es, die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung besser zu verstehen. Im dritten Schritt wird das Melde- beziehungsweise das Informationssystem für Einsatzstellen beziehungsweise die Bürgerschaft entwickelt. Ergänzend soll ein Prognosemodul fundierte Vorhersagen über mögliche Hochwasserereignisse ermöglichen.

Nachnutzung erwünscht!

Screenshot verschiedener visualisierter Daten
Das Dashboard von Lemgo zeigt unterschiedliche Daten des Hochwasserinformationssystems an. digital.interkommunal

Der Quellcode des Hochwasserinformationssystems aus Kalletal.Lemgo ist mittlerweile über Open CoDE verfügbar. Damit können auch andere Kommunen in Deutschland die Software nutzen und an ihre Bedarfe anpassen. Aufgrund der Übertragbarkeit wurde das Projekt für den Digital-Award in der Kategorie „unter 100.000 Einwohnern“ nominiert – und auf der Messe KommDIGITALE in Bielefeld mit dem ersten Platz ausgezeichnet.

Die Dashboards für das Hochwasserinformationssystem sind sowohl für Kalletal als auch für Lemgo online verfügbar. Dort können Bürgerinnen und Bürger aktuelle Daten zu Niederschlagsmengen und Pegelständen einsehen und mit definierten Soll-Werten vergleichen.

Im Landkreis Hameln-Pyrmont wurden die Sensordaten in die bestehende urbane Datenplattform integriert. Die Veröffentlichung im Open-Data-Portal ist für Ende Juli 2025 geplant. Dann stehen die Daten auch zum Download zur Verfügung. Weitere Informationen dazu gibt es auf der Webseite der Smart City Hameln-Pyrmont.

Hochwasser kennt keine Grenzen: Warum Zusammenarbeit entscheidend ist

Ein zentrales Erfolgskriterium bei der Entwicklung wirksamer Hochwasserinformationssysteme ist die interkommunale Zusammenarbeit. Denn Starkregen und Flusshochwasser machen nicht an Verwaltungsgrenzen halt. Dazu braucht es eine umfassende Datengrundlage, etwa durch flächendeckende Niederschlags- und Pegelstandsensoren. Kommunen können dabei nicht nur auf ihr eigenes Sensornetzwerk, sondern auch auf das benachbarter Kommunen zurückgreifen. 

So hat Lemgo im Rahmen des Hochwasserinformationssystems gezielt Nachbarkommunen angesprochen – etwa mit der Frage, ob dort bereits relevante Daten erfasst werden oder ob zusätzliche Sensoren auf ihrem Gebiet installiert werden dürfen. Ein Blick auf das Lemgoer Dashboard zeigt: In Dörentrup wurden neue Sensoren verbaut, die wichtige Informationen zur Lage in Lemgo liefern. Und auch bereits erhobene Daten aus Barntrup wurden erfolgreich in das System integriert.

Zwei Sensoren zur Pegelstand- und Niederschlagsmessung
Ein Niederschlagsensor in Lemgo und ein Pegelstandsensor in Kalletal sind im Einsatz, um Daten für die Hochwasserinformation zu liefern. digital.interkommunal

Welche Sensoren für den Anwendungsfall Hochwasserinformation sowie weitere Anwendungsfälle im Bereich Wasser in Frage kommen, können interessierte Kommunen in einer Orientierungshilfe nachlesen. Diese entsteht derzeit im Rahmen der Arbeitsgruppe „Klimaschutz, Klimaanapassung und Resilienz“ und ist voraussichtlich ab August 2025 verfügbar.

Zusätzlich ermöglichen überregionale Angebote der Bundesländer, wie NLWKN für Niedersachsen oder Open.NRW für Nordrhein-Westfalen, über PEGELONLINE Zugriff auf aktuelle, überregionale Messwerte von Pegeln und ergänzen die kommunale Datenerhebung sinnvoll. Diese Daten ermöglichen zudem eine übergreifende Betrachtung ganzer Flusssysteme und lassen wichtige Rückschlüsse auf Ursachen und Wirkungen von Maßnahmen zu.

Im Fall von Hameln-Pyrmont und Kalletal.Lemgo spielte das persönliche Netzwerk beider Kommunen eine große Rolle, um eine enge Zusammenarbeit zu fördern. Trotz unterschiedlicher Herausforderungen ist für beide Kommunen der Mehrwert der Zusammenarbeit größer als die Hürden, die sich beispielsweise bei gemeinsamer Vergabe oder unterschiedlicher Projektlaufzeiten ergeben. 

Auch die Modellprojekte Smart Cities Mayen-Koblenz und der Eifelkreis Bitburg-Prüm haben sich zusammen mit weiteren rheinland-pfälzischen Modellprojekten Smart Cities im sogenannten „Südwest-Cluster“ zusammengetan und bauen eine gemeinsame urbane Datenplattform auf. Als erster Anwendungsfall dient die Echtzeit-Überwachung von Pegelständen. Die Daten aus den jeweiligen Projekten – wie der Digitale Hochwassermelder des Eifelkreises und die Smarten Pegel aus Mayen-Koblenz, fließen in die Datenplattform ein und schaffen so die Grundlage für eine überregionale Risikoanalyse.

 

Ein Sensor zum Messen eines Pegels
Pegelstandsensoren im Landkreis Hameln-Pyrmont messen, ob Flüsse Hochwasser haben. Landkreis Hameln-Pyrmont

Vom Informationssystem zum KI-gestützten Prognosesystem

Die nächste Entwicklungsstufe smarter Hochwasserlösungen zielt darauf ab, nicht nur den aktuellen Wasserstand zu erfassen, sondern auch zukünftige Hochwasserereignisse präzise vorherzusagen. Möglich wird dies durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI). Die KI analysiert dafür aktuelle Messwerte, historische Daten und Wetterprognosen, erkennt Muster und erstellt daraus Simulationen möglicher Verläufe. Auf diese Weise entstehen fundierte Vorhersagen – und erhöhen damit die Vorlaufzeit für vorbeugende Schutzmaßnahmen.

Die Arbeitsgruppe der Modellprojekte Smart Cities greift dieses Prinzip auf. Dafür haben Hameln-Pyrmont und Kalletal.Lemgo gemeinsam eine Marktrecherche für ein KI-gestütztes Prognosetool beauftragt. Eine zentrale Anforderung an die künftige Lösung ist, dass sie als Open-Source-Software bereitgestellt wird. Damit soll sichergestellt werden, dass keine Abhängigkeiten von einzelnen Dienstleistern entstehen und die Kommunen dauerhaft die Datenhoheit über ihre eigenen Daten behalten. 

Die Ergebnisse der Marktrecherche werden Ende August 2025 erwartet. Anschließend prüfen die beiden Modellkommunen, welche Lösungen sich für die Erweiterung ihres Hochwasserinformationssystems eignen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in der Arbeitsgruppe geteilt – mit dem Ziel, auch andere interessierte Kommunen frühzeitig in die gemeinsame Weiterentwicklung des Prognosesystems einzubinden.

Praxisbeispiel: Bergisches Hochwassermeldesystem 4.0

Auch außerhalb der Arbeitsgruppe zeigen Projekte, wie solche Prognosesysteme zukünftig aussehen können. Im Bergischen Städtedreieck entsteht im Rahmen des durch das Wirtschaftsministerium NRW geförderten Projekts „Bergisches Hochwassermeldesystem 4.0 (HWS 4.0)“ ein intelligentes System, das kontinuierlich Daten auswerten und mithilfe künstlicher Intelligenz Prognosen über Hochwasserereignisse erstellen soll. Das Konsortium besteht aus dem Wupperverband, der Bergischen Universität Wuppertal, der Bergischen Industrie- und Handelskammer Wuppertal-Remscheid-Solingen und weiteren Akteuren aus der Region Nordrhein-Westfalen. Das Projekt läuft noch bis Ende 2026.

Fazit: Digitale Systeme für mehr Resilienz

Smarte Informations- und Prognosesysteme stärken die kommunale Resilienz gegenüber Starkregen- und Hochwasserereignissen. Neben der Information über bevorstehende Hochwasserereignisse ermöglichen sie gezielte Ursache-Wirkungsanalysen und verbessern durch präzisere Vorhersagen die Reaktionsfähigkeit für Schutzmaßnahmen. Entscheidend für die Übertragbarkeit der erprobten Lösungen sind offene Standards, Kooperationen über kommunale Grenzen hinweg und der gegenseitige Wissens- und Erfahrungsaustausch. 

Die Arbeitsgruppe der Modellprojekte Smart Cities zeigt, wie durch gemeinsames Handeln und offene digitale Lösungen nachhaltiger Schutz für viele entstehen kann. So werden aus lokalen Maßnahmen tragfähige Strategien für eine klimaresiliente Zukunft.

 

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin oder des Autors wieder.

Literaturhinweise und Leselinks

Bundesregierung, o. J.: Die Kosten des Klimawandels. 
Zugriff: https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/archiv/kosten-klimawandel-2170246 [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. 2024: BMWSB informiert: Hochwasserschutz und Starkregengefahren. 
Zugriff: https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/BMWSB/DE/2022/hochwasserschutz.html [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Dashboard zum Hochwasserinfosystem Kalletal. 
Zugriff: https://www.kalletal.de/Leben-in-Kalletal/Hochwasserinfosystem.htm [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Dashboard zum Hochwasserinfosystem Lemgo. 
Zugriff: https://www.lemgo.de/bauen-umwelt/gewaesser-entwaesserung/grundstuecksentwaesserung/hochwasserinfosystem [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Webseite der Smart City Hameln-Pyrmont. Zugriff: https://mitwirkportal.de [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

NLWKN – Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. 
Zugriff: https://www.pegelonline.nlwkn.niedersachsen.de/Start [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Open.NRW. Zugriff: https://open.nrw/open-data/showroom/pegelonline [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Digitaler Hochwassermelder – Eifelkreis Bitburg-Prüm. 
Zugriff: https://opencode.de/de/software/digitale-hochwassermelder-4348 [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Smarte Pegel – Landkreis Mayen-Koblenz. 
Zugriff: https://mayen-koblenz.klimaschutzportal.rlp.de/portal/kampagne-der-region-fuer-den-klimaschutz/themenschwerpunkte-klimaanpassung-myk-2 [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Bergisches Hochwassermeldesystem 4.0 (HWS 4.0). 
Zugriff: https://bergisches-hws.de [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Die Hochwasserschutzfibel des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). 
Zugriff: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/ministerien/bmwsb/verschiedene-themen/2022/hochwasserschutzfibel.html [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

Hochwasser-App fürs Haus – NRW. Zugriff: https://www.hochwasser-app.nrw/ [zuletzt abgerufen am 18. Juni 2025].

„Einsatz von Wassersensorik in Kommunen: Eine Orientierungshilfe“. Wissensprodukt der AEG Klimaschutz, Klimaanpassung und Resilienz (im Erscheinen).

Veranstaltungshinweis

Das Modellprojekt Smart Cities digital.interkommunal Kalletal.Lemgo lädt am 2. September 2025 von 14 bis 17 Uhr zu einem Wissenstransfer zum Thema Hochwasserinfosystem ein. 

Die Veranstaltung im InnovationSpinn in Lemgo bietet Einblicke in das Projekt, Erfahrungsberichte sowie Workshops zu Themen wie Netzwerkarbeit, Datenaustausch und Infrastruktur. Ziel ist der Austausch und Diskussionen zwischen Nachbarkommunen, Smart City-Managerinnen und -Managern, Fachleuten und Interessierten. Eine offizielle Einladung mit Agenda und Anmeldelink folgen. Sollten vorab Fragen auftauchen, können Sie sich gerne bei Nicole Baeumer unter info@digital-interkommunal.de wenden.

Weitere Informationen zum Projekt Hochwasserinfosystem finden Sie hier: https://digital-interkommunal.de/projekte/umwelt/hochwasserinfosystem

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