Vogelperspektive auf eine Stadt, die Gebäude sind blau markiert.
Das Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen setzt auf Künstliche Intelligenz, um Gebäude in Luftbildern genauer zu identifizieren. Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen

KI in Kommunen: Ein Wegweiser für die Einführung

21.08.2025

Viele Städte und Gemeinden wollen KI einsetzen – doch der Weg zur erfolgreichen Integration ist komplex. Ethische Bedenken wie algorithmische Voreingenommenheit, technische Herausforderungen bei der Implementierung und organisatorische Widerstände stellen Kommunen vor neue Aufgaben. Der Beitrag zeigt praxisnah, wie Verwaltungen KI verantwortungsvoll einsetzen können.

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Die fortschreitende Digitalisierung und der Druck, effizientere sowie bürgernahe Dienstleistungen anzubieten, machen künstliche Intelligenz (KI) zu einem Schlüssel für die Zukunft kommunaler Verwaltungen. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass KI nicht nur komplexe Prozesse optimieren, sondern auch innovative Lösungen für alltägliche Herausforderungen in Städten und Gemeinden schaffen kann. Laut Studien planen über 60% der deutschen Kommunen, KI in den nächsten Jahren einzusetzen, um Aufgaben wie Bürgerservice, Verkehrsplanung oder Ressourcenmanagement zu verbessern.

Um diese Potenziale zu nutzen, müssen Kommunen jedoch einen klaren Fahrplan entwickeln, der ethische Standards, technische Machbarkeit und organisatorische Akzeptanz miteinander verbindet. Nur so kann KI nachhaltig und verantwortungsvoll zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt werden.

Schematische Darstellung der einzelnen Schritte bei Einführung einer KI
Implementierung einer (neuen) KI-Lösung Abbildung: Vom Problem zur Produktivphase – beispielhaftes stark vereinfachtes Vorgehen I Quelle: Eichholz, L. (2025): Municipal AI Integration - A Structured Approach. In: Frontiers of Urban and Rural Planning. 3 (6). https://link.springer.com/article/10.1007/s44243-025-00056-3 Fraunhofer IESE

Phase 1: Identifikation der zu lösenden Aufgabe mit Hilfe von KI

Kommunen müssen die spezifische Herausforderung definieren, die sie durch KI-Lösungen angehen möchten. Hierbei ist zu überlegen, ob KI die geeignete Lösung ist oder ob es simplere Alternativen gibt.

Schritte zur KI-Integration:

  1. Definieren Sie ein spezifisches Problem, bei dem KI-Stärken (zum Beispiel prädiktive Analytik) traditionelle Methoden übertreffen können.
     Beispiel: Schäden an Stadtbäumen sollen frühzeitig erkannt werden. Klassische Sichtprüfungen sind aufwendig und ungenau – ein KI-Modell kann durch Bildauswertung aus Drohnenaufnahmen schneller und zuverlässiger handeln.
  2. Veranstalten Sie Workshops mit Stakeholdern, um bestehende Prozesse zu erfassen und Schwachstellen zu identifizieren.
    Beispiel: Gespräche mit Bauamt und Antragstellenden zeigen, dass die Bearbeitung von Anträgen lange dauert – eine KI könnte Standardfälle automatisiert vorprüfen.
  3. Analysieren Sie den operativen, sozialen und organisatorischen Kontext.
    Beispiel: Vor dem Einsatz einer KI, die Grundschulbezirke so zuschneidet, dass soziale Durchmischung gefördert wird, wird geprüft, wie Daten (zum Beispiel Transferleistungsbezug, Migrationshintergrund) rechtssicher genutzt werden können, welche Auswirkungen die Vorschläge auf Schulwege und Nachbarschaften haben und wie Eltern, Schulen und Politik in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
  4. Definieren Sie klare KI-KPIs in Übereinstimmung mit kommunalen Zielen.
    Beispiel: Bei einem KI-Modell zur Energieeinsparung in öffentlichen Gebäuden werden Einsparpotenzial, CO₂-Reduktion und Prognosegenauigkeit als Erfolgsgrößen festgelegt.

Risikofaktoren: 

Zu breit gefasste Aufgabendefinitionen. Fehlausrichtung der Stakeholder. Verlassen auf KI, wenn einfachere Lösungen ausreichen würden.

Beispiel: Die Stadt Barcelona erkannte als konkretes Problem, dass etwa 50% der Bürgeranfragen zunächst falsch zugeordnet wurden. Als Lösung entwickelte die Stadt das KI-System MARIO, das durch maschinelles Lernen und natürliche Sprachverarbeitung Anfragen automatisch kategorisiert. Die KI sorgt dafür, dass 85% der Anfragen nun beim richtigen Sachbearbeitenden landen.

Phase 2: Bewertung der KI-Eignung und technischen Machbarkeit

Diese Phase beinhaltet eine vorläufige Evaluierung, ob KI eine geeignete Lösung ist und ob die notwendigen Implementierungsvoraussetzungen existieren.

Schritte zur KI-Integration:

  1. Bewerten Sie, ob das identifizierte Problem zu den aktuellen Fähigkeiten der KI passt.
  2. Legen Sie Anforderungen für erklärbare KI frühzeitig fest.
    Beispiel: Wenn eine KI-Vorschläge zur Vergabe von Sozialwohnungen macht, muss für Verwaltung und Antragstellende klar sein, welche Kriterien gewichtet wurden, zum Beispiel Dringlichkeit, Haushaltsgröße, Einkommen. Bei weniger sensiblen Einsätzen – etwa der Optimierung von Müllabfuhr-Routen – ist erklärbare KI dagegen weniger entscheidend.
  3. Beurteilen Sie Ihre technische Infrastruktur, finanzielle Ressourcen und verfügbares Know-how.

Risikofaktoren: 

Kritischer Mangel an KI-Expertise. Unvollständige technische Machbarkeitsbewertungen.

Phase 3: Bewertung der Daten- und Ressourcenanforderungen

Diese Phase konzentriert sich auf die Bewertung und Vorbereitung der notwendigen Dateninfrastruktur unter Gewährleistung der Einhaltung von Datenschutzbestimmungen.

Schritte zur KI-Integration:

  1. Führen Sie ein Datenaudit durch, um Quellen zu sammeln, Lücken zu identifizieren und die Qualität zu bewerten.
  2. Optimieren Sie Datensätze mit fairnessorientierten Methoden (wie der Überprüfung auf Verzerrungen gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen und der ausgewogenen Repräsentation aller Bürgerinnen und Bürger) und etablieren Sie DSGVO-konforme Richtlinien.
  3. Benennen Sie eine kommunale Datenmanagerin beziehungsweise einen Datenmanager.

Risikofaktoren: 

Unzureichendes Datenvolumen. Schlechte Datenqualität. Unentdeckte Verzerrungen. Datenschutzbestimmungen.

Beispiel: Das Land Niedersachsen hat für seine KI-Gebäudeerkennung bestehende hochwertige Datensätze aus dem Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) und flächendeckende TrueDOPs genutzt. Durch die Kombination dieser bereits vorhandenen Daten konnte ein umfangreicher Trainingsdatensatz erstellt werden, ohne neue Daten erheben zu müssen.

Abbildung von Gebäuden von oben
Mit der Anwendung „KI-Gebäudeerkennung“ werden automatisch neue Gebäude gefunden. Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen

Phase 4: Entscheidung und Initiierung: Kauf oder Entwicklung einer KI-Lösung

In dieser Phase entscheidet sich, ob eine vorgefertigte Lösung gekauft, eine eigene entwickelt oder ein Anbieter beauftragt werden soll.

Schritte zur KI-Integration:

  1. Entscheiden Sie, ob Sie eine KI-Lösung kaufen, bauen oder outsourcen.
  2. Nutzen Sie strukturierte Bewertungskriterien wie Kosten-Nutzen-Analysen, Anbietervergleiche und Kompatibilitätsprüfungen mit bestehenden IT-Systemen.
  3. Testen Sie Anbieterlösungen anhand kommunaler Benchmarks.

Risikofaktoren: 

Übermäßige Kosten. Begrenzte Verfügbarkeit maßgeschneiderter KI-Lösungen für Kommunen. Unterschätzte Fähigkeiten zur Projektverwaltung.

Beispiel: Bei der digitalen Zustandserfassung von Straßen und Radwegen ist die Entscheidungsfindung vergleichsweise einfach. Eine erprobte KI-Lösung wird bereits in über 500 Kommunen eingesetzt und lässt sich meist ohne großen Anpassungsaufwand integrieren.

Straße auf der Schäden grafisch markiert sind.
Die Lösung vialytics erfasst Straßenschäden mit Hilfe von KI automatisch. vialytics

Phase 5: Entwicklung eines Minimum Viable Product (MVP) für den ersten Einsatz

Die Kommune arbeitet mit Anbietern oder internen Teams zusammen, um eine vereinfachte Version der KI-Lösung für erste Tests zu entwickeln.

Schritte zur KI-Integration:

  1. Entwickeln Sie ein MVP, das sich auf wesentliche KI-Funktionen konzentriert.
  2. Beziehen Sie Endnutzerinnen und Endnutzer sowie Bürgerinnen und Bürger für Feedback ein.
  3. Kommunizieren Sie den Mitarbeitenden, dass MVPs Entwürfe sind – frühe KI-Fehler verursachen im Gegensatz zu falsch geplanten Infrastrukturprojekten keinen Schaden.
  4. Nutzen Sie transparente öffentliche Betas, um Vertrauen aufzubauen.

Risikofaktoren: 

Widerstand gegen den MVP-Ansatz. Übermäßige Iteration. Geringes Mitarbeiterengagement.

Beispiel: Das soziale Netzwerk BayernFunk setzt auf eine MVP-Strategie bei der Einführung eines KI-gestützten Content-Moderationssystems. Die KI bewertet Beiträge auf problematische Inhalte in einem dreistufigen Implementierungsansatz. In der ersten MVP-Phase werden alle Beiträge grundsätzlich veröffentlicht, während die KI im Hintergrund Bewertungen vornimmt. Dieser behutsame Einstieg ermöglicht es, die KI-Empfehlungen zu überprüfen und Vertrauen in das System aufzubauen.

Phase 6: Testphase zur Verifizierung der KI

Das KI-System durchläuft umfassende Tests, um seine Modellleistung und Bereitschaft für den Live-Betrieb zu bewerten. 

Schritte zur KI-Integration:

  1. Testen Sie die KI in verschiedenen Szenarien, setzen Sie Vertrauensschwellen und verwenden Sie geschichtetes Testen (systematisches Vorgehen vom einfachen zum komplexen: erst Standard-Bürgeranfragen, dann Sonderfälle, zuletzt kritische Entscheidungen mit hoher Tragweite).
  2. Führen Sie Verzerrungsaudits (systematische Überprüfung auf Benachteiligung bestimmter Gruppen/Fälle) mit klaren Akzeptanzkriterien durch.
  3. Erstellen Sie für automatisierte KI eine Autonomie-Roadmap (Stufenplan für zunehmende Selbstständigkeit des Systems) und binden Sie die Mitarbeitenden mit Schulungen ein.

Risikofaktoren: 

Anfängliche Rückschläge können zu Rückzug und vermindertem Engagement der Mitarbeitenden führen (etwa wenn die KI bei der Bürgeranfragenbearbeitung zunächst falsche Antworten gibt oder wichtige Informationen übersieht). Leistung unter akzeptablen Schwellenwerten in bestimmten Szenarien (beispielsweise wenn ein KI-System für Antragsbearbeitung bei komplexeren Sonderfällen versagt oder die Fehlerrate bei bestimmten Antragstypen zu hoch ist).

Beispiel: Das australische Robodebt-Programm (2015–2019) war ein automatisiertes System zur Überprüfung von Sozialleistungen, das ohne ausreichende Testphase und Datenvalidierung eingeführt wurde. Das System nutzte einen fehlerhaften Algorithmus, der ungeeignete Datenquellen verknüpfte und dadurch unrechtmäßige Schuldbescheide gegen Hunderttausende Australier erzeugte. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig gründliche Tests und Datenvalidierung vor der Einführung automatisierter Systeme in der öffentlichen Verwaltung sind.

Phase 7: Übergang zum Produktivbetrieb

Türe in Amsterdam mit Schlüsselfächern
Die Stadt Amsterdam setzt ein erklärbares KI-Modell ein, um Verdachtsfälle illegaler Ferienvermietung zu priorisieren. adobe.stock.com - Lucia Tieko

Diese Phase konzentriert sich auf die Integration der KI-Lösung in den regulären kommunalen Betrieb.

Schritte zur KI-Integration:

  1. Übertragen Sie die KI in den Live-Betrieb mit klaren Workflows für Unsicherheiten und integrieren Sie Human-in-the-Loop-Systeme (Verfahren, bei denen Mitarbeitende bei unsicheren KI-Entscheidungen eingreifen können etwa wenn die KI bei einer Baugenehmigung unsicher ist und den Fall an einen Sachbearbeiter weiterleitet).
  2. Reduzieren Sie die Intervention mit wachsender Zuverlässigkeit.
  3. Dokumentieren Sie Effizienzgewinne, um Widerstand entgegenzuwirken.

Risikofaktoren: 

Fehlen klarer Protokolle für unsichere Vorhersagen. Unzureichende Überwachungsmechanismen. Widerstand gegen Prozessänderungen.

Beispiel: Amsterdam hat eine KI zur Ermittlung illegaler Ferienvermietungen erfolgreich in den Produktivbetrieb überführt. Die KI priorisiert Meldungen durch Analyse historischer Falldaten, während alle Entscheidungen bei den Mitarbeitenden verbleiben. Die Integration zeigt sich in umfassender Transparenz, durchdachten Diskriminierungsschutzmaßnahmen sowie nachvollziehbaren Prozessen. 

Phase 8: Kontinuierliche Überwachung und Optimierung

Diese Phase gewährleistet den langfristigen Erfolg der KI-Lösung durch kontinuierliche Modellwartung und Leistungsoptimierung.

Schritte zur KI-Integration:

  1. Überwachen Sie die Modellleistung und den Datendrift und automatisieren Sie das Retraining (regelmäßige Aktualisierung der KI mit neuen Daten, um Genauigkeit zu erhalten beispielsweise bei sich ändernden Bevölkerungsdaten durch Zuzug oder demografischen Wandel), wenn KPIs sinken.
  2. Legen Sie Überwachungsfrequenzen nach Kritikalität fest (kritische Systeme wie Notfalldienste täglich überwachen, Standard-Antragsbearbeitung wöchentlich, einfache Informationsdienste monatlich).
  3. Aktualisieren Sie die Autonomie-Roadmap basierend auf Daten (beispielsweise: anfangs prüft die KI nur Vollständigkeit von Anträgen, später übernimmt sie auch einfache Genehmigungen, bei bewährter Leistung schließlich auch komplexere Entscheidungen).
  4. Achten Sie auf politische Veränderungen, da Änderungen in lokalen Verordnungen die betrieblichen Parameter beeinflussen.

Risikofaktoren: 

Modellverfall aufgrund sich ändernder Datenmuster. Unzureichende Aufmerksamkeit für Leistungsüberwachung. 

Fazit: KI-Investments in Kommunen strategisch gestalten

Die Investitionen in KI und die Nutzbarkeit in kommunalen Handlungsfeldern wachsen, während technische Hürden abnehmen. Kommunen sollten proaktiv handeln, etwa durch Schulungen, interkommunale Kooperationen und den regelmäßigen Blick auf Best Practices.

Entscheidend ist, ethische, praktische und organisatorische Aspekte auszubalancieren, um KI verantwortungsvoll für Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Aus meiner Erfahrung in der Begleitung kommunaler KI-Projekte zeigt sich immer wieder: KI kann Kommunen erheblich unterstützen – aber nur dann, wenn sie nicht als technische Lösung für alle Probleme verstanden wird, sondern als Werkzeug, das durchdachte Prozesse und engagierte Mitarbeitende braucht. Der Erfolg hängt letztendlich davon ab, ob es gelingt, die Menschen in der Verwaltung mitzunehmen und gleichzeitig den Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger stets im Blick zu behalten.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin oder des Autors wieder. 

Literaturhinweise und Leselinks

Wissenschaftlicher Artikel (auf Englisch): Kommunale KI-Integration: ein strukturierter Ansatz 

Generative KI: Eine Einführung mit Blick auf die Landesverwaltung. Hessisches Ministerium für Digitalisierung und Hessisches Ministerium für Digitalisierung und Innovation. 

Singapurs Public Sector AI Playbook (auf Englisch).

Künstliche Intelligenz für nachhaltige Stadtentwicklung. Eine strategische Entscheidungshilfe für Verwaltungen.

Aufzeichnung Webinar "KI in Smart Cities - Herausforderungen, Ethik und rechtliche Aspekte" von Lutz Eichholz, Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE.

Autorinnen und Autoren

Lutz Eichholz

Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE
Smart City Design; Blog- und Studienautor