Ein Mann neben einem Infoscreen
Projektleiter Andreas Freund neben einer Informationsstele in der Smart City Solingen solingen.digital

Solingen – Smart City 2030: Zwischen Entwicklungspartnerschaft und 100 % Verausgabung

26.06.2025

„Wir haben die Smart-City-Förderung bekommen, fast 10 Millionen Euro!“ – so oder so ähnlich kamen die guten Nachrichten für die MPSC-Förderung in das Team von solingen.digital. Wir gehörten damals zu den ersten Kommunen, die als Modellprojekt Smart Cities gefördert wurden. Dieser Beitrag gibt exklusive Einblicke wie sich unser Projekt – dessen Kompass das integrierte Stadtentwicklungskonzept „City2030“ für die Solinger Innenstadt bildet – aus Sicht der Projektleitung gestaltet hat, welche Herausforderungen unserem Team auf dem Weg dahin begegnet sind und welche Lösungswege wir gefunden haben. Wie ist es ausgegangen? Ist Solingen nun eine Smart City?

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Hallo und willkommen zu meinem persönlichen Bericht! Mein Name ist Andreas Freund und ich bin seit März 2022 Projektleiter Smart City der Klingenstadt Solingen. Seit gut 15 Jahren digitalisiere ich die Verwaltung. Als ich Ende 2021 von der freiwerdenden Stelle erfuhr, sah ich darin die Chance, den nächsten Karriereschritt zu gehen.

Bis dato hatte ich viele, teils stadtkonzernweite, IT-Projekte abgeschlossen. Mit der neuen Aufgabe hatte ich die Chance und damit auch die Aufgabe, ein Projekt anzugehen, welches über die Grenzen von Solingen hinweg arbeitet und dessen Ergebnisse teils direkten Einfluss auf unsere Bürgerinnen und Bürger haben sollte. Doch mit der Chance war auch die Verantwortung verbunden, ein enormes Projektbudget, Teilprojektleitende in Führungspositionen, Themen mit politischem Bezug und direkten Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger zu steuern. Unser Projekt startete bereits Ende 2019, beziehungsweise dann im Januar 2020, ich kam aber erst 2022 dazu. Was war also bis dahin schon passiert?

Ein herausfordernder Start

Zunächst wurden neue Stellen besetzt und pünktlich zum Start der Corona-Pandemie musste ein sehr großer Projektapparat installiert werden. Unser Förderprojekt gliedert sich nämlich in sieben Maßnahmencluster mit insgesamt 18 Maßnahmen, die sich in weitere Teilmaßnahmen aufteilen. Dafür wurde eine neue Lenkungsgruppe gegründet, eine detaillierte Vorhabenbeschreibung der damals noch sieben Maßnahmencluster erstellt und die einzelnen Maßnahmen ausgearbeitet – ein entsprechendes Formular gab es damals noch nicht. Zahlreiche Fragen waren also zu klären und die Kommunikation musste wegen Corona meist rein digital ablaufen.

Auch wenn wir direkt in die sogenannte „Umsetzungsphase“ der Förderung der Modellprojekte Smart Cities (MPSC) gestartet sind, da wir seit 2018 eine entsprechende Digitalisierungsstrategie vorweisen konnten, musste zunächst viel Grundlagenarbeit geleistet werden. Viele fachliche Fragen aus den Teilprojekten hingen von der gewählten Struktur im Teilprojekt „Daten“ ab. Also von der urbanen Datenplattform und ihren Ausgabekanälen. Ich habe in unseren Dienstbesprechungen oft mitbekommen, wie schwierig es war, eine Datenplattform aufzubauen und wie viele komplexe Fragen und Zusammenhänge dahinterstehen. Ein Produkt „von der Stange“ war noch lange nicht in Aussicht.

#einfachmachen

Logo OpenSmart City Family
solingen.digital / Klingenstadt Solingen

Die Lösung war praktikabel wie immer: Wie sieht der Use Case aus, der für die Bürgerinnen und Bürger entstehen soll? Und was brauchen wir dafür noch? So wuchs nach und nach das System der Systeme, welches wir heute als „Open SmartCity Hub“ bezeichnen und welches der Datenkern unserer „Open SmartCity Family“ ist. 

Ein Beispiel hierfür ist, sich die eigenen Wetterdaten in der App anzeigen zu lassen. Hierzu brauchten wir ein Open-Source-Produkt, welches die Sensordaten unserer Wetterstationen aufnimmt und über das Backend der App an das entsprechende Modul weitergibt. So kamen wir nach vielen Gesprächen auf den FROST®-Server, der nun über den Parse-Server die Daten an die Open SmartCity App in Solingen liefert.

Die Ziele

Mit dieser Art der Herangehensweise meisterten meine Kolleginnen und Kollegen und später auch ich selbst all die großen und kleinen Herausforderungen im Projekt. Die großen Ziele waren hierbei:

  • Die Erprobung von Digitalisierungsmaßnahmen im Kontext der Stadtentwicklung konkret am Beispiel des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) für die Solinger Innenstadt. Hiermit wollen wir die Ziele des ISEK der Stadt Solingen unterstützen, indem wir zum Beispiel die Aufenthalts- und Lebensqualität im Quartier steigern.
  • Aufbau einer Dateninfrastruktur, um den Aufbau unserer urbanen Datenplattform und die zugehörigen Datenwege zu beschreiben.
  • Aufbau eines Datenökosystems mit Strukturen innerhalb des Konzerns Stadt Solingen sowie Kooperationen mit anderen Kommunen und weiteren Akteuren. Dieses Ziel beschreibt die Idee der Open SmartCity Family, welche mit der Entwicklungspartnerschaft Open SmartCity App ihren Weg auch in andere Kommunen gefunden hat.
  • Schaffung entsprechender Governance Strukturen, um für all diese Entwicklungen die benötigten entsprechenden Regelwerke und Rollen zu definieren, die für die Einhaltung dieser verantwortlich sind.

Diesen Zielen wurden wir gerecht, indem all unsere Ergebnisse darauf fokussierten, die Aufenthalts- und Lebensqualität in der Solinger Innenstadt zu verbessern, was den Kern den ISEKs trifft.

Die Open SmartCity Family

Dazu haben wir mit der Open SmartCity Family eine entsprechende Struktur sowie ein Ökosystem geschaffen, welches das oben erwähnte Ziel in sämtlichen Belangen unterstützt. Diese Struktur, also den Aufbau und die Idee hinter dem System, teilen wir über die Entwicklungspartnerschaft und die Angebote der Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities (KTS) mit anderen Kommunen und Verbänden. Das entsprechende Governance-Gefüge wurde bereits bei der Konzeption der Maßnahmen mitgedacht, musste jedoch bis zum Ende des Projekts kontinuierlich verfeinert beziehungsweise angepasst werden. So kann ich – auch mit ein bisschen Stolz – verkünden, unsere Projektziele haben wir erfüllt. Doch das ist nur eine Seite der MPSC-Förderung: Sehr viel geht es ja auch um das Ausprobieren, das voneinander Lernen und das Teilen von Erfahrungen.

 

Übersicht verschiedener digitaler Tools
Schaubild der Open SmartCity Family solingen.digital / Klingenstadt Solingen

Die Übernahme

Als ich 2022 in das Projekt kam, nahm die KTS grade so richtig ihre Arbeit auf – mit Netzwerkveranstaltungen und Beratungsangeboten. Ein Netzwerk gab es allerdings schon vorher, wofür ich meinen Vorgängerinnen und Vorgängern sehr dankbar bin. Von Anfang an (also von meinem Anfang) konnte ich in jedem MPSC der ersten und zweiten Staffel anrufen und fand ein offenes Ohr am anderen Ende – und natürlich auch umgekehrt.

Zu diesem Zeitpunkt fragten sich viele noch, welche Vergaberegeln gelten denn nun und wie soll ich überhaupt vergeben? Ihr merkt also: Gut zwei Jahre nach dem Projektstart waren wir an einem Punkt angekommen, an dem die großen Systeme konzipiert waren und die richtige Umsetzung der Maßnahmen endlich starten konnte. Nun allerdings mit teils schwierigen Lieferbedingungen und -zeiten oder gar mit der langwierigen Suche nach alternativen Produkten, da das vormals Ausgesuchte mitunter gerade nicht mehr zur Verfügung stand. Die Lieferkettenproblematik setzte uns zu.

Der Kipppunkt – von der Theorie zur Praxis

Dieser Zeitpunkt war allerdings auch ein Kipppunkt, denn er fiel mit den Beträgen der Mittelabrufe zusammen. Aus meiner jetzigen Betrachtung lässt sich sagen: Zu Beginn stiegen die Abrufe vor allem aufgrund der besetzten Stellen. Ab 2022 wurden die Abrufe dann pro Halbjahr deutlich höher. Deshalb versuchten wir – aufgrund der sich ändernden politischen Lage verbunden mit Inflation und der allgemeinen Preissteigerung während des Projektzeitraums – das Projekt zu verlängern und mehr Projektbudget zu bekommen. Unser Oberbürgermeister unterstützte dieses Vorhaben mit einem Brief an die Ministerinnen, welche für das Förderprojekt zuständig waren.

100% verausgabte Fördermittel!

Zwei Männer vor einer Informationsstele
Andreas Freund stellt die Solinger Informationsstele auf der SCCON 2022 dem interessierten Messepublikum vor. DLR / Rainaldo Cuddou

Nun waren die 100% Verbrauch also gesetzt, aber tatsächlich auch benötigt. Die Planung der Teilprojektleitenden für die Ausgaben in den Maßnahmen mussten alle acht Wochen überarbeitet vorliegen. Dafür haben wir ein enges Budgetcontrolling etabliert. Für uns begann die Zeit von da an zu rennen, denn der Fördermittelgeber blieb hart. Zum Glück hat unser MPSC-Projekt die Förderkulisse mit der flexibelsten Bank im Hintergrund, die ich bis jetzt erlebt habe. Ihr Ziel ist es, „alle Fördermittel in den Kommunen im MPSC-Kontext zu verausgaben“ – und das unterstützt sie nachdrücklich, was letztendlich auch unseren Erfolg beflügelt hat.

Der Endspurt

Ab November/Dezember 2023 rückte dann die Endphase unseres Projekts immer näher und es ging schließlich um Verstetigung. Wir haben von Anfang an immer versucht, darauf zu achten und die Verstetigung unserer Maßnahmen mitzudenken. Für uns war daher in allen Fällen klar: Wir implementieren so grundlegende und für die Stadtentwicklung wichtige Systeme, dass diese nach der Förderlaufzeit aus dem städtischen Haushalt getragen werden. So haben wir sowohl die Stellen als auch die laufenden Kosten für die eingeführten Systeme weitergeplant, sodass die Stellen in der Verwaltung und die bei unserem Partner, den Technischen Betrieben Solingen, in 2024 über Verträge aus dem städtischen IT-Budget verstetigt werden konnten.

Wie es weiter geht …

Seit Projektende ist es für uns wichtig, die geschaffene Infrastruktur auch so einzusetzen, dass sie der Verwaltung einen wirtschaftlichen Mehrwert bietet, indem sie strukturell (Prozess-)Kosten senkt. Das heißt, dass wir nun so gut wie jeden Use Case umsetzen und flexibel auf unter anderem technische Entwicklungen reagieren können. Man kann also zusammenfassend sagen, die Stadt Solingen ist – durch die MPSC-Förderung – Smart City geworden und kann dies dank der auf Verstetigung ausgelegten Maßnahmen auch nach der Förderung bleiben.

Weitere Fördermittel willkommen

Eines sei an dieser Stelle noch angemerkt: Wichtig ist, dass ohne weitere Förderungen seitens des Bundes und der Länder der jetzt etablierte Fortschritt nicht gehalten werden kann, da die eigenen kommunalen Mittel für größere Investments nicht ausreichend sind. Deswegen sind ein gutes Förderscreening und auch eine realistische Einschätzung der jeweiligen Förderkulisse enorm wichtig. 

Ich hoffe dieser kurze Einblick in unser Mammutprojekt konnte euch etwas helfen, um nachzuvollziehen, welch Gesamtwerk das Smart-City-Projekt in Solingen geworden ist. Falls ihr Fragen zu bestimmten Bereichen habt, melde dich gern bei mir oder meinen Kolleginnen und Kollegen von solingen.digital. Wir freuen uns drauf!

 

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Autorinnen und Autoren

Andreas Freund

Fachliche Anfragen und Vernetzung, Projektleitung
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