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Stadt Ulm

Digitaler Begleiter: Sicher fühlen mit App und KI am Ulmer Lederhof

Vom gemiedenen Ort zum lebendigen Zentrum: Mit der App „Digitaler Begleiter“ fühlen sich am Lederhof alle wohl!

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„Digitaler Begleiter“ ist der Name einer App, die Menschen dabei unterstützt, sich in bestimmten Bereichen der Ulmer Innenstadt sicherer zu fühlen. Wer am Lederhof oder um das Areal am Parkhaus Deutschhaus unterwegs ist, kann per QR-Code die App aktivieren. Eine KI überwacht dann die Umgebung über Kameras und bietet bei Bedarf Hilfe – zum Beispiel durch einen Notrufknopf in der App. Die Lösung kombiniert eine mobile Anwendung mit einem KI-gestützten Kamerasystem. Sie analysiert das Geschehen vor Ort in Echtzeit, erkennt potenziell gefährliche Situationen und kann automatisch eine Reaktion auslösen. Persönliche Daten der Nutzerinnen und Nutzer werden dabei nicht gespeichert. Der Lederhof und das angrenzende Parkhaus Deutschhaus gelten als sogenannte Angsträume, da sie seit Jahren als Treffpunkte der Drogen- und Trinkerszene genutzt werden. Um das Sicherheitsgefühl und die Aufenthaltsqualität in diesem Bereich zu erhöhen, hat die Stadt Ulm mögliche Maßnahmen getestet – unter anderem in den Bereichen Beleuchtung, Stadtmobiliar und Sicherheitstechnik. Diese Ansätze gingen aus einem Innovationswettbewerb hervor. Die Lösung „Digitaler Begleiter“ setzte sich im Wettbewerb durch. Sie trägt dazu bei, die Situation vor Ort

spürbar zu verbessern, Angsträume zu entschärfen und diese Orte wieder für eine breite Öffentlichkeit nutzbar zu machen – auch in den Abendstunden.

Was macht die Smart City Lösung besonders wirkungsvoll? Wie kann Ihre Kommune davon profitieren, die Lösung übertragen und nachhaltig nutzen? Entdecken Sie hier die Schlüsselfaktoren für den Erfolg dieser Lösung.

Erfolgsfaktoren zur Zielerreichung

Die Stadt als Prozessgestalterin für Innovation

Eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Lösung spielte die Offenheit für die Entwicklung neuer Lösungsansätze. Die Stadt übernahm hierbei die Funktion als Moderatorin, Netzwerkerin und Prozessgestalterin für die Innovationsentwicklung. Die Umsetzung des Innovationswettbewerbs war eine komplexe und aufwändige Arbeit, die sich jedoch auszahlt hat: Die Akzeptanz stieg mit der öffentlichen Beteiligung. 

Iterativer Entwicklungsprozess

Drei aus dem Wettbewerb hervorgegangene Lösungsideen für das Lederhofareal wurden in der Pilotphase auf ihre Wirksamkeit vor Ort getestet. Die Teams nutzten dafür das „Verschwörhaus“ – Kreativ- und Veranstaltungsräume mit Co-Working-Spaces und den Makerspace. In diesem offenen Umfeld entwickelten und erprobten sie niedrigschwellig Prototypen und Software, etwa zur KI-gestützten Auswertung von Kamerabildern für die App „Digitaler Begleiter“.

Datenschutz an erster Stelle 

Der Einsatz von Kameras und die Verknüpfung mit einer App, welche den Aufenthalt von Personen registriert, war nicht unumstritten. Der Datenschutz war daher von Anfang an ein zentrales Anliegen für das Smart-City-Team und die Dienstleister. Im Austausch mit dem Datenschutzbeauftragten der Stadt und der Landesdatenschutzbeauftragten konnte das Smart-City-Team die mit der DSGVO und dem Datenethikkonzept der Stadt konforme Umsetzung der App „Digitaler Begleiter“ planen. Auch wurde eine Datenschutzfolgeabschätzung bei einem externen Gutachter in Auftrag geben.

Erfolgsfaktoren zur Übertragbarkeit

Open-Source-Ansatz für übertragbare Technologie

Die entwickelte Anwendung, einschließlich des Quellcodes der App sowie der KI-gestützten Auswertung von Kameraaufnahmen, wurde unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht und über Open Code zugänglich gemacht. Dies ermöglicht anderen Kommunen, die Technologie eigenständig zu nutzen, anzupassen und weiterzuentwickeln. Besonders die im Projekt erarbeitete Datenschutzfolgeabschätzung bietet eine wertvolle Grundlage, um ähnliche Systeme rechtssicher zu implementieren und datenschutzkonform in den kommunalen Betrieb zu integrieren.

Erfahrungen aus der Testphase als Grundlage für Weiterentwicklung

Die Testphase und Evaluation sind essenziell, um das System weiter zu optimieren und an spezifische Anforderungen anzupassen. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen nicht nur bei der Weiterentwicklung innerhalb Ulms, sondern bieten auch anderen Städten eine fundierte Grundlage für vergleichbare Projekte. Durch die Analyse der Praxiserfahrungen kann das System gezielt verbessert und flexibel auf unterschiedliche städtische Herausforderungen übertragen werden.

Erfolgsfaktoren zur Verstetigung

Skalierung innerhalb Ulms in mehreren Stufen möglich

Nach der ersten Umsetzung auf dem Parkhausgelände des Lederhofareals wird geprüft, wie die Lösung auf weitere Standorte ausgeweitet werden kann. Besonders das gesamte Lederhofareal sowie das Sanierungsgebiet Innenstadt-West bieten Potenzial für eine breitere Anwendung. In diesem Rahmen wird die Technologie für das Bahnhofsgelände, Bushaltestellen und Einkaufsstraßen in Betracht gezogen, wodurch eine deutliche Skalierung erfolgen kann. Das System könnte sich insgesamt überall bewähren, wo öffentliche Räume gemieden werden.

Finanzierungsmodell und wirtschaftliches Interesse

Das System stößt auf großes Interesse bei Gewerbetreibenden und städtischen Fachämtern. Durch die testweise Implementierung lassen sich die laufenden Kosten präzise beziffern – eine wichtige Grundlage, um ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln und die Lösung sowohl Fachämtern als auch privatwirtschaftlichen Akteuren anzubieten.

Für den Betrieb um das Parkhaus trägt die Parkhausbetriebsgesellschaft die Kosten für Anschaffung, Wartung und den laufenden Betrieb. Dies umfasst insbesondere Hardwareanschaffungen und Serverkosten für die Anwendung „Digitaler Begleiter“. Diese Finanzierungsstruktur kann auch als Modell für weitere Standorte dienen.

Umsetzungsstruktur des Projekts in Ulm
Creative Climate Cities

Weitere Informationen

Ausgangsbedingungen und Ziele

Lokale Herausforderungen

Das Parkhaus Deutschhaus und der Lederhof liegen im Ulmer Sanierungsgebiet Innenstadt-West und werden im Rahmen des Sanierungsplans städtebaulich begleitet. Das Gebiet ist eingebettet zwischen Hauptbahnhof, Bahnhofstraße und Neuer Straße. Während die Sedelhöfe im Norden als Tor zur Innenstadt gut frequentiert sind, ist das Umfeld des Parkhauses mit seinen Gebäuderückseiten und schmalen Durchgängen wenig belebt. Das Gebiet weist einige bauliche Defizite auf. Es wirkt insgesamt wenig einladend, zum Beispiel gibt es kaum Grünflächen. Vor allem in den Abendstunden ist der Lederhof schlecht beleuchtet. Außerdem wird das Areal zunehmend vermüllt. Angebote, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und den Platz beleben könnten, fehlen bislang fast vollständig. Der Neubau eines Parkhauses am Bahnhof könnte die Besucherzahlen weiter verringern. 

Um diesem Trend entgegenzuwirken, soll das Areal belebt und sicherer gestaltet werden. Der Fluss Blau als natürliche Achse bietet das Potenzial für eine attraktive Gestaltung und neue Aufenthaltsräume südlich des Parkhauses. Das Sanierungsprojekt setzt darauf, die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu verbessern und das Parkhaus in ein lebendiges, attraktives Stadtquartier zu integrieren.

Planungsziele

Die Stadt Ulm versteht sich als Bürgerstadt, die für alle Menschen lebenswert und einladend sein soll. Ziel ist es, das gesellschaftliche Miteinander zu stärken, anstatt bestimmte Gruppen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Die Attraktivität öffentlicher Räume soll gemeinsam mit der Stadtgesellschaft weiterentwickelt werden. Die Umgestaltung des Lederhofareals setzt auf die enge Verzahnung digitaler Lösungen mit bestehenden stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen.

Wichtige Ziele aus Partizipationsverfahren zum Thema „Sicherheit in der Smart City“ mit Bürgerinnen und Bürgern sind: Transparenz schaffen über die Sicherheitslage, smarte Technologien gezielt einsetzen und fortlaufend eine beteiligungsorientierte Gestaltung sicherer öffentlicher Räume gewährleisten.

Die App „Digitaler Begleiter“ trägt dazu bei, dass der Lederhof häufiger und vielfältiger genutzt wird. Sie stärkt das Sicherheitsgefühl, etwa indem Vorfälle direkt erkannt und eingedämmt werden können. 

Ansatz zur Wirkungsmessung

Usability der App: 

  • Zufriedenheit der Nutzerinnen und Nutzer der App „Digitaler Begleiter“ (Zufriedenheitsabfrage auf Skala von 1 bis 5 in der App) 
  • Wahrgenommene Hilfestellung durch die App (Nutzungshäufigkeit, Statistiken aus der App-Nutzung)

Sicherheit und Aufenthaltsqualität: 

  • Rückgang der Einsatzzahlen (Polizei, Ordnungsdienste)
  • Erhöhung der Frequentierung des Parkhauses und umgebenden Areals (Messung, u. A. mit dem Besuchertrend verknüpfbar, welcher über Sensoren die Besucherdichte an verschiedenen Orten in der Innenstadt misst) 
  • Gesteigerte (in Befragungen geäußerte) Zufriedenheit der Akteure vor Ort: Bürgerinnen und Bürger, Einzelhandel und Gewerbe 
  • Stärkung des sozialen Miteinanders (Anzahl unterschiedlicher Nutzungsformen)
  • Attraktivitätssteigerung (Befragung, Presse/Berichterstattung)
  • Rückgang des Reinigungsaufwands (Einsatzhäufigkeit, monetär)
Entwicklung und Umsetzung

Prozessschritte

  1. Definition der Herausforderung und Ziele unter Einbezug der Fachbereiche für Stadtentwicklung, Bau, Umwelt sowie Bildung und Soziales
  2. Planung und Verkündung des Innovationswettbewerbs im Rahmen eines Kreativworkshops unter dem Titel “ulm.zukunft.denken”
  3. Ideenentwicklung durch die Wettbewerbsteilnehmerinnen und -teilnehmer
  4. Ideenpitch und Kür der besten drei Ideen inklusive einer Prämie von je 20.000 EUR unter dem Titel “ulm.zukunft.zeigen”
  5. Test der drei Ideen durch die jeweiligen Dienstleister der gekürten Teams unter dem Titel „ulm.zukunft.testen”
  6. Kür des Gewinners nach Bewertung durch eine Jury nach vorher festgelegtem Kriterienkatalog; Prämie von 100.000 EUR zur Umsetzung unter dem Titel “ulm.zukunft.machen“
  7. Vorbereitung der Implementierungsphase mit Entwicklung eines Datenschutzkonzeptes, Testung der Software, Koordination mit dem Parkhausbetrieb und der Sanierungsgesellschaft 
  8. Implementierung: Installation der Kameras und Datenschutzhinweise, Veröffentlichung der App 
  9. Begleitende Evaluation (s. Wirkungsmessung) 

Governance

Das Smart-City-Team Ulm koordiniert und verantwortet die Umsetzung der Anwendung „Digitaler Begleiter“. Der Innovationswettbewerb konnte durch eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung erfolgreich umgesetzt werden. Dazu gehörten die Universität und Hochschule, die Stadtwerke, die Industrie- und Handelskammer, die Wirtschaftsförderung sowie die Sparkasse. Zusätzlich waren Start-up- und Gründungsnetzwerke beteiligt. 

Für die Entwicklung der App war die enge Zusammenarbeit mit der PBG Parkhausbetriebsgesellschaft mbH entscheidend. Die Gesellschaft trägt die Kosten für Wartung und Betrieb, da ein eigenes Interesse besteht, das Parkhaus angenehmer für Besucherinnen und Besucher zu machen. Zudem bestand ein enger Austausch mit der Ansprechpersonen der Sanierungsgesellschaft, um die Integration in die städtebaulichen Maßnahmen des Areals sicherzustellen. Für das Anbringen von Kameras, Datenschutzhinweisen und Beleuchtung arbeitete das Team mit dem Stadtbildgestalter zusammen. 

Die datenschutzrechtliche Umsetzung des Projekts erfolgte in enger Abstimmung mit dem städtischen Datenschutzbeauftragten sowie dem Landesdatenschutzbeauftragten. Die technische Umsetzung der App „Digitaler Begleiter“ wird durch die Citysens GmbH und die beebucket GmbH realisiert und betreut. Die Veröffentlichung der App erfolgt über die IT-Abteilung der Stadt Ulm. 

Kosten bei Beschaffung

 

  Personalkosten / alternativ Personentage Sachkosten Investive Kosten*
Anschaffung Low-Level-Design und Projekt Management 22.950,00 €

AI App 11.054 €

 

Security Message Relay 7.113 €

 

Zertifikatsserver 6752,50 €

 

Mobile App 17.577 €

 

Info- und Datenschutzseite 5.297 €

 

Lokales Datennetzwerk 1.417 €

Meeting Point 1.417 €

 

Optische Sensoren 1.417 €

 

KI-Server 7.753 €

 

Internet Router 1284 €

 

Betrieb  Noch nicht quantifiziert** Noch nicht quantifiziert** /

950.000 Euro stehen für das Projekt “Sicherheit und Aufenthaltsqualität am Lederhof” insgesamt als Budget zur Verfügung. Diese Summe unterteilt sich in drei Teilprojekte: Beleuchtung, Müll und Digitaler Begleiter.

*Die drei besten Ideen wurden mit jeweils 20.000 Euro – insgesamt 60.000 Euro – prämiert. Die Entwicklung der App „Digitaler Begleitung“ wurde aus der Siegerprämie von 100.000 Euro umgesetzt. 

**Die genauen Kosten für Wartung und Betrieb sind noch nicht zu beziffern und müssen in der Implementierungsphase bemessen werden. 

Partizipation und Kommunikation

Die Maßnahme ist eng mit der Entwicklung der Smart-City-Strategie der Stadt Ulm verknüpft und basiert auf Erkenntnissen aus früheren Umsetzungsmaßnahmen. Besonders eine Workshopreihe zum Thema Sicherheit in der Smart City hat wichtige Impulse geliefert, indem Angsträume in der Stadt identifiziert und gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert wurden. 

Der Innovationswettbewerb diente nicht nur der Entwicklung neuer Lösungen, sondern stellte zugleich eine frühzeitige und fortlaufende Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit dar. Durch seine Sichtbarkeit und die breite Beteiligung verschiedener Akteure trug er wesentlich zur Akzeptanz und Bekanntheit der App „Digitaler Begleiter“ bei. Ein Kreativworkshop für Bürgerinnen und Bürgern und eine Kommunikationskampagne mit regelmäßigen Presseberichte und Social-Media-Beiträgen trugen dazu bei, die Bevölkerung zu informieren und in die Weiterentwicklung einzubinden. 

Technische Infrastruktur

Der Digitale Begleiter bietet im Bereich Lederhof eine Art virtuellen und anlassbezogenen Geleitschutz. Die Aktivierung erfolgt individuell. Wer sich bedroht fühlt oder eine auffällige Beobachtung macht, kann über das Smartphone einen Alarm auslösen. Auch das System selbst kann auf kritische Situationen reagieren, indem es durch dauerhafte, KI-gestützte Anomalieerkennung potenzielle Gefahren erkennt. Dazu zählen beispielsweise Schlägereien, Verschmutzungen oder verunfallte Personen. In solchen Fällen wird automatisch ein Alarm an einen Leitstand weitergeleitet. 

Ist die App aktiviert, beobachtet das KI-System die Personen vollkommen anonym, es werden keine personenbezogenen oder biometrischen Daten erhoben. Eine Videoaufzeichnung findet nicht statt. Der Zugriff auf die Kameras erfolgt nur durch ein Mitlesen des existierenden Video-Streams.

Neben der Sicherheitsfunktionalität bietet das System eine Analyse von Besuchertrends und Besucherströmen. Per LoRaWan können diese Daten an den Datenhub der Stadt übermittelt und mit den Besucherstromerfassungen an anderen Orten in der Innenstadt verschnitten werden. 

Datengrundlagen

Das System arbeitet ohne die Nutzung von Bestandsdaten, sodass keine bereits vorhandenen Datensätze in die Anwendung einfließen. Stattdessen werden ausschließlich neue Daten erhoben, die zur Verbesserung der Anwendung und zur Optimierung der Nutzererfahrung dienen.

Zudem werden Zugriffszahlen anonymisiert erfasst, um die Nutzung der Anwendung zu analysieren und gezielt weiterzuentwickeln. Der „Digitale Begleiter“ selbst speichert keine personenbezogenen Daten. Sämtliche Prozesse werden serverseitig verarbeitet und alle Informationen werden nach ihrer Verarbeitung unmittelbar gelöscht. 

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