Foto Opernplatz Hannover, darüber gelegt Visualisierungen von Elementen wie einem öffentlichen Flügel und digitalen Stelen.
Installationen wie digitale Stelen und ein vernetzter Flügel sollen den Opernplatz in Hannover aufwerten. Landeshauptstadt Hannover

Smarte Innenstädte: Zukunft im urbanen Herz

26.09.2025

Innenstädte und Zentren befinden sich im Wandel. Schon lange verändern Onlinehandel, veränderte Mobilitätsgewohnheiten und neue Freizeitbedürfnisse ihre Charakter. Genau das eröffnet Chancen, Innenstädte neu zu beleben. Smarte Lösungen können hier unterstützen.

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Digitale Technologien, Daten und Beteiligungsformate ermöglichen es den Städten, ihre Zentren als lebendige, klimaangepasste Räume weiterzuentwickeln. Mehrere Modellprojekte Smart Cities (MPSC) haben die Innenstädte und Ortskerne besonders im Fokus. Ein Blick nach Hannover, Bad Belzig, Konstanz und in die Metropolregion Rhein-Neckar zeigt ganz unterschiedliche Ansätze. 

Hannover: die Innenstadt als Experimentierraum

Die niedersächsische Landeshauptstadt verfolgt ein klares Ziel: Ihre Innenstadt resilient, klimaneutral und zu einem lebendigen Ort zu machen, an dem man sich gerne aufhält. Das greift auch die Smart-City-Strategie Restart: #HANnovativ auf. Grundlage war das Format Innenstadt.Dialog, in dem Bürgerinnen und Bürger ihre Vorstellungen für eine Neugestaltung der City eingebracht haben. Die Ergebnisse flossen in das Konzept Mitte neu denken – Innenstadtkonzept 2035 ein und bildeten zugleich die Basis der Smart-City-Strategie. 

 

Die Maßnahmen im Bereich Innenstadt sind eine Erprobung am Herzen der Stadt – die Bürgerinnen und Bürger sollen erleben, dass Smart City mehr als Technik ist. 

Tim Gerstenberger, Stabsstellenleiter Smart City Hannover

 

Im Kultur.Dreieck etwa werden Kunst und Kultur „auf die Straße gebracht“: Licht- und Soundinstallationen, Performances und Interventionen machen den Stadtraum zum Kulturerlebnis. Hierzu werden acht frühere Fahrleitungsmasten zu Multimediastelen mit LED-Elementen, Lautsprechern und Aufenthaltsflächen umgerüstet. „Es geht auch darum, dass Kulturschaffende, die freie Szene und die etablierten Häuser zusammenwachsen. Kulturschaffende können die neue, technische Infrastruktur unkompliziert nutzen“, betont Gerstenberger. Ein Highlight wird zudem ein wetterfester und smart-gesteuerter Betonflügel sein, der bis Ende 2025 aufgebaut sein soll. Die Idee: Profis und Laienmusikerinnen und -musiker können ihn jederzeit bespielen, doch er wird automatisch stummgeschaltet, sobald Opernübertragungen laufen. Die Wirkung soll über Hannover hinaus gehen: „Wir wollen das Klavier auch mit anderen Straßenpianos auf der ganzen Welt vernetzen.“

Imagefilm #HANnovativ

Auch die Anpassung an den Klimawandel wird in Hannovers Zentrum adressiert: Mit dem Projekt Hitze.Wasser.Management testet Hannover, wie Sensorik und Daten helfen können, städtische Räume abzukühlen und zu bewässern. Die Prinzenstraße dient als Reallabor für eine klimawandelangepasste Straße der Zukunft. Dafür wurde bereits ein Klimamessnetz mit 38 Messpunkten aufgebaut. Es misst kontinuierlich Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Helligkeit und die gefühlte Temperatur. 

Derzeit ist eine unterirdische Zisterne mit 420 Kubikmetern Fassungsvermögen im Bau. Sie soll Regenwasser reinigen und sammeln, das über Sensoren gezielt zur Bewässerung von Bäumen genutzt wird. Außerdem ist die Zisterne an den Deutschen Wetterdienst geknüpft, sodass sie sich automatisch vor einem Starkregenereignis entleert und somit Speichervolumen zur Entlastung der Kanalisation bereitstellt. Das beugt Überschwemmungen vor. „So wird Hannover ein Stück weit mehr zur Schwammstadt, die ihre Ressourcen optimal nutzt und die Aufenthaltsqualität in urbanen Freiräumen deutlich verbessert“, sagt Gerstenberger.

Vitale Innenstadt Bad Belzig

Die Kurstadt Bad Belzig in Brandenburg steht vor ähnlichen Herausforderungen wie viele Kleinstädte: Durch starken Durchgangsverkehr und parkende Autos wirkt die eigentlich sehr schöne Altstadt wenig einladend. Es gibt kaum Angebote für Tagestouristinnen und -touristen, auch die Kur- und Rehagäste verirren sich eher selten dorthin. Allein der Marktplatz bietet den Wochenmarkt und einige von Bürgern organisierte Veranstaltungen über das Jahr – sonst ist er Parkplatz. Die Maßnahme „Vitale Innenstadt“, die in der Smart-City-Strategie verankert ist, soll dazu beitragen, dass sich das ändert.

Ein wichtiger Hebel ist der Verkehr. „Verkehrsmaßnahmen sind bei uns noch immer ein umstrittenes Thema. Im Rahmen des Smart-City-Projekts wollen wir Ansätze testen und durch Sensorik datenbasiert auswerten“, erklärt Nicola Zeuner vom Smart-City-Büro "Zukunftsschusterei". Aktuell läuft die Maßnahme „Tempo 20“ im historischen Zentrum als Pilot. 

Wichtig ist es, Menschen zusammenzubringen, die Lust haben, etwas auszuprobieren. Das schafft Akzeptanz für Neues. 

Nikola Zeuner, Zukunftsschusterei Bad Belzig

 

Marktplatz in Bad Belzig während einer Aktion für Kinder und Jugendliche. Zu sehen ist eine Hüpfburg vor den historischen Häusern.
Der Marktplatz in Bad Belzig wurde im August 2025 einen Nachmittag lang zum Ort für Spiel und Spaß für die ganze Familie. Birgit Wuerdemann

Zugleich wird der Marktplatz zum Reallabor. Im Sommer 2025 startete der „Marktplatzsommer“, eine Veranstaltungsreihe, bei der die Innenstadt zeigt, dass sie nicht nur ein Parkplatz ist, sondern auch ein Treffpunkt. Donnerstags wird der Platz zum Wohnzimmer der Stadt – organisiert von der Altstadtkümmerei, die im Rahmen des Programms „Lebendige Zentren“ gefördert wird, und unterstützt von der Zukunftsschusterei. 2026  werden dann zusätzlich zu den Veranstaltungen temporäre Stadtmöbel von den Bürgern ausgewählt, getestet und bewertet. Angenehmer Aufenthalt, Schutz vor Wetter, und Raum für Austausch und gemeinschaftliches Verweilen stehen hier im Mittelpunkt.

Konstanz: Sommerorte als Zukunftsbilder

Eine Gruppe Frauen beim Sport im Konstanzer Pfalzgarten.
Der „Sommerort Pfalzgarten“ schafft neue Begegnungsorte, die nicht nur attraktiv und klimafreundlich gestaltet sind, sondern auch Bewegung in die Konstanzer Innenstadt bringen. Barbara Schaar, Stadt Konstanz

Wie bleibt eine seit dem Mittelalter gewachsene Innenstadt heute lebendig, attraktiv und zukunftsfähig? In Konstanz verbindet die Maßnahme „Innenstadt von morgen“ den Schutz der vorhandenen Orte und Strukturen mit innovativen Ideen für eine nachhaltige, grüne und soziale Zukunft. Die Konstanzer Smart-City-Maßnahme basiert auf dem „Storyboard Innenstadt“, das gemeinsam mit der Bürgerschaft Bedarfe analysierte. Daraus ging 2023 das „Zukunftsbild Innenstadt“ hervor. Mit der Smart Green City macht Konstanz die darin enthaltenen Ideen greifbar. 

Ein Baustein sind temporäre Experimentierorte, sogenannte „Sommerorte“, an denen Menschen die Veränderungen durch smarte Stadtentwicklung direkt erleben. Der erste Sommerort startete im Juni 2025 mit dem Pfalzgarten. Hier hatten sich die Konstanzerinnen und Konstanzer mehr Sitzgelegenheiten im Schatten gewünscht – und dazu noch einen Kräutergarten, Hochbeete, eine kleine Bühne, Veranstaltungsprogramme und ausleihbare Yogamatten und Spiele erhalten. Das kommt gut an: Der Pfalzgarten wurde zu einem Begegnungsort mit spürbarem Mehrwert. Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage der regelmäßigen Gäste im Pfalzgarten. Pilotprojekte wie diese sind Testfelder, deren Erfahrungen in langfristige Planungen einfließen. 

Eine weitere Besonderheit in Konstanz ist die Kooperation mit dem Büro Gehl aus Kopenhagen, das international dafür bekannt ist, Städte vor allem menschenzentriert zu denken. „Mit dem Büro Gehl erheben wir eine Menge interessante, qualitative Daten. Es geht um Fragen wie: Wie fühlt ihr euch hier? Was macht das mit euch?“, erklärt Barbara Schaar, Projektleiterin Innenstadt von morgen. 

 

Die Sommerorte sind ein unglaublich wertvoller Ansatz, weil sie den Menschen zeigen, was die Smart Green City in Konstanz ist – und wie sie das Leben für alle schöner macht.

Barbara Schaar, Projektleiterin Innenstadt von morgen

 

Metropolregion Rhein-Neckar: FREIRÄUME beleben die Ortskerne

Als Werkstatt eingerichteter Raum in einem Ladenlokal
Werkstatt in einem der FREIRÄUME in Eberbach – mitten in der Innenstadt mit Blick auf die historischen Fachwerkhäuser Dorothea Burkhardt

Im Modellprojekt Smart Cities der Metropolregion Rhein-Neckar liegt der Fokus auf multifunktionalen FREIRÄUMEN, die Ortszentren beleben sollen. Drei ländliche Pilotkommunen – Eberbach, Meckesheim und Neckargemünd – haben dafür ehemalige Ladenlokale oder zentrale Immobilien umgewandelt. 

Das Konzept folgt dem Drei-Säulen-Prinzip: Co-Working, nutzungsoffene Räume und smarter Tourismus. In Eberbach und Neckargemünd sind die Standorte bereits in Betrieb, Meckesheim steht kurz vor der Eröffnung. Veranstaltungen, Co-Working-Angebote und digitale Services schaffen neue Treffpunkte, die Leerstände wiederbeleben und die lokale Wirtschaft stärken.

Der Mehrwert liegt vor allem darin, dass mehrere Nutzungen in einer Immobilie kombiniert werden, auch weil viele soziale Treffpunkte weggefallen sind und es kaum mehr Räume für Vereine gibt: 

 

FREIRÄUME sind neue smarte und soziale Ankerorte. Sie bringen Digitalisierung, Innovation und Stadtentwicklung zusammen – und Menschen ins Gespräch, die sich vorher nie begegnet sind.

Sarah Reisinger, Projektleiterin

Das Angebot zeigt erste Erfolge: Bei einer Befragung im Januar 2025 gaben knapp 48 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer an, während des FREIRÄUME-Besuchs Gastronomie in der Innenstadt zu nutzen. Ein Drittel ging shoppen, andere erkundeten die Stadt oder nahmen Freizeitangebote wahr. 97 Prozent würden das Angebot wieder nutzen.

Trotz der positiven Wirkungen bleibt der dauerhafte Betrieb bei schwierigen kommunalen Haushaltslagen wohl eine der zentralen Herausforderungen. Hier wird es darauf ankommen, inwieweit diese später wirtschaftlich tragfähig sein werden.

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