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Rotterdam

Open Urban Platform und Citiverse – Ein einheitliches digitales Ökosystem für eine datengetriebene Digitalisierung

In Rotterdam verknüpft die Open Urban Platform Stadtplanung, Bürgerbeteiligung und eine innovative Datenstrategie zu einem ganzheitlich digitalen „Citiverse“.

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Die Open Urban Platform Rotterdam bildet das Herzstück des digitalen Ökosystems der Stadt. Sie dient als zentrale Infrastruktur, auf der sämtliche Datenquellen und Anwendungen verknüpft werden. In die Plattform ist ein urbaner digitaler Zwilling integriert, der in einem digitalen 3D-Modell der Stadt Gebäudedaten mit Echtzeitinformationen zusammenführt und so datengetriebene Stadtplanung ermöglicht.

Ziel des Projekts ist es, Stadtentwicklung inklusiv, transparent und evidenzbasiert zu gestalten. Dafür werden Datensilos aufgebrochen und offene Standards eingeführt, die eine gemeinsame Sprache für den Datenaustausch schaffen. Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Forschungseinrichtungen können die Datenplattform nutzen, um Datenquellen frei zu kombinieren und eigene Anwendungen zu entwickeln.

Die Plattform beherbergt bereits erste Anwendungen, etwa die von der Feuerwehr genutzte App SAFE, in der 3D-Modelle von Gebäuden hinterlegt sind, um Einsätze effizienter zu planen. Rotterdam verfolgt mit diesem Ansatz eine ganzheitliche Vorstellung: Das Projekt versteht Digitalisierung nicht nur als technisches, sondern als sozial-physisch-digitales System – das sogenannte Citiverse. In diesem neuen digitalen Raum sollen Bürgerinnen und Bürger künftig aktiv und interaktiv an der Stadtgestaltung teilhaben können.

Was macht die Smart City Lösung besonders wirkungsvoll?  Das Konzept für die Open Urban Platform beruht auf einem ausgewogenen Zusammenspiel von Strategie und Umsetzung. Durch klare Visionen und ein gemeinsames Verständnis werden Akteure aus Verwaltung, Forschung und Gesellschaft frühzeitig eingebunden. So gelingt es, Datensilos abzubauen, institutionelle Unterstützung zu sichern und einen kulturellen Wandel hin zu einer offenen, datengetriebenen Stadtentwicklung zu fördern.

Hintergründe des Projektes

Lokale Herausforderungen

Lokale Herausforderungen

Rotterdam steht als größte Hafenstadt Europas und digitaler Innovationsstandort vor besonderen Herausforderungen an der Schnittstelle von Wirtschaft, Klimaresilienz und sozialer Teilhabe. Der dichte Verkehrsknotenpunkt mit hohem Logistikaufkommen, die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt sowie der Klimawandel mit steigenden Risiken durch Hitze und Hochwasser stellen hohe Anforderungen an die Stadtplanung.

Zugleich bietet das moderne, nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebaute Stadtbild die Chance, digitale Stadtentwicklung von Grund auf integriert zu denken. Die Stadt will Daten und Technologien nicht nur für Effizienzsteigerung einsetzen, sondern auch, um gesellschaftliche Teilhabe, urbane Lebensqualität und Nachhaltigkeit zu fördern. 

Ansatz zur Projektentwicklung

Ansatz zur Projektentwicklung

Die Errichtung und der Ausbau der Open Urban Platform gliedert sich in verschiedene europäische Förderprogramme ein. Darunter fallen Teilprojekte der Horizon 2020 Programms, in denen es darum ging, einzelne Stadtteile smart zu gestalten. Im Kontext des Citiverse ist Rotterdam eine Leuchtturmstadt des X-Cite Projektes. Diese europäische Ausrichtung führt dazu, dass Rotterdam in den Niederlanden eine Vorreiterstadt hinsichtlich der Umsetzung Urbaner Digitaler Zwillinge ist. Die Entwicklung der Plattform folgt dabei einem ganzheitlichen Ansatz, der technologische Innovation, offene Standards und gesellschaftliche Teilhabe miteinander verbindet. Aufbauend auf den Erfahrungen aus den europäischen Programmen werden interoperable, offene Datenstrukturen geschaffen, die eine breite Nachnutzung und partizipative Nutzung ermöglichen. Aus diesem Grund stammen zahlreiche verwendete Standards aus dem europäischen Kontext, wie beispielsweise das European Interoperability Framework. 

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Entwicklung und Umsetzung

Entwicklung und Umsetzung

Zielgruppen

Stadtverwaltung: Die Open Urban Platform ist ein Ort für die Kommune gebündelt und übersichtlich ihre Daten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen kann. Zugleich ist sie eine Ort, an dem Dienste und Anwendungen in Anspruch genommen werden können.
 

Bildungs- und Forschungseinrichtungen: Die Plattform wird bereits zu Bildungszwecken verwendet. So nutzt beispielsweise die Rotterdam School of Applied Sciences bereits jetzt das frei zugängliche 3D-Modell der Stadt für Kurse.

Zivilgesellschaft: Den Bürgerinnen und Bürgern soll die Plattform den Zugang zu Dienstleistungen erleichtern. Sie sollen sich dadurch leichter an der Stadtplanung beteiligen können. Auch Vereine und Unternehmen nutzen die Vorteile der Open Urban Platform: Durch eine App auf der Plattform kann die Feuerwehr auf digitale Modelle städtischer Gebäude Zugriff erhalten – und so im Notfall präziser und schneller agieren.

Umsetzungspartner

Die Umsetzung der Open Urban Platform zeichnet sich durch eine öffentlich-private Zusammenarbeit aus. Sie setzt sich aus drei Teilen zusammen.

Private Unternehmen sind für Aufbau, Betrieb und Weiterentwicklung der Plattform und Anwendungen verantwortlich. Future Insights hat die Plattform gebaut und von der Stadt Rotterdam eine Konzession von 10 Jahren für deren Pflege erhalten. Unternehmen wie Tygron (Hitzebelastungsanalysen), Nades Humans (Flutanalysen) und Synexis (Mobilität) entwickeln Anwendungen, die sich in das Ökosystem der Plattform integrieren.

Die Stadtverwaltung nimmt eine beaufsichtigende Funktion ein. Insbesondere achtet sie darauf, dass Datenschutz- und Transparenzrichtlinien eingehalten werden.  Zugleich hat die Stadtverwaltung eine Rolle bei der Datenbereitstellung und Nutzung des Modells.

Um besser auf Grauzonen einzugehen, die sich aus dem Zusammenspiel schneller Entwicklungen und langsamer Gesetzgebung ergeben, wurde durch die Stadtverwaltung ein unabhängiger Verwaltungsrat eingerichtet. Er besteht aus fünf Personen: jeweils einer Vertreterin oder einem Vertreter von Future Insight und der Stadtverwaltung Rotterdam sowie drei Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaft und der Bevölkerung Rotterdams. 

Prozessschritte
  • Ideenfindungsphase
    • Auseinandersetzung mit den real stattfindenden Digitalisierungsprozessen innerhalb der Stadt und ihren Auswirkungen
    • Entwicklung eines Projektplans
    • Proof of Concept
  • Experimentierphase
    • Entwicklung von Testanwendungen
    • Prototypentwicklung
    • Markterkundung
  • Evaluation der Testanwendungen
    • Festtellung, dass digitale Anwendungen Datensilos erhärten
    • Beschluss, einer neuen digitalen Infrastruktur zur erleichterten Datenzirkulation
  • Entwicklungsphase
    • Ausschreibungsprozess
    • Entwicklung eines Minimal Viable Products
    • Entwicklung eines funktionierenden Produktes mit integriertem Digitalen Zwilling
  • 15. Januar 2024: Eröffnung der Plattform
Technische Infrastruktur

Die Open Urban Platform und der digitale Zwilling werden durch Future Insight unter dem Produktnamen Clearly.HUB betrieben und aufgebaut. Die Webseite basiert auf offenen Standards und Protokollen wie Minimal Interoperability Mechanism (MIM) und Pivotal Points of Interoperability (PPI). Der digitale Zwilling basiert auf der VC Suite von Virtual City Systems und dem Digitwin von Argaleo.

Datenmodell und -grundlagen

Das Rotterdamer Vorgehen legt den Fokus auf offene Standards. Das bedeutet, dass weder mit Open Source noch Open Data gearbeitet wird, sondern dass die einzelnen Datenquellen im Besitz ihrer eigenen Daten und die Softwareentwickler ihres Codes bleiben. Dadurch entsteht ein eigenes Geschäftsmodell, das das Endziel verfolgt, datengesteuerte Entscheidungen treffen zu können. Die Orientierung an offenen Standards erlaubt es, die Art und Weise zu regeln, wie die Daten auf der Plattform ausgetauscht werden. Dies reduziert die Abhängigkeit einzelner entwickelter Softwares, da sich alle Anbieter an die Plattform anschließen können. Die Grundprinzipien für die offenen Standards wurde aus der Open and Agile Smart Cities Gemeinschaft übernommen.

Die Plattform selbst wie die privaten Datenquellen und Anwendungen werden von einem Dienstleister kommerziell betrieben. Die Errichtung und Pflege der Plattform wird nicht durch die Stadtverwaltung finanziert, die lediglich eine Regulierende und datenzuliefernde Rolle einnimmt.

Die Gemeinde speist im Moment 35 städtische Datenquellen in das Modell ein. Weitere Quellen ergeben sich durch private Anbieter wie BMW (Daten bezüglich Fahrverhalten) oder Woonstadt (Daten bezüglich Gebäude). Prädiktive Anwendungen wie die Hitzeblesatungsanalyse verwenden zu ihren Berechnungen Datenquellen der Open Urban Platform. Dadurch werden sie selbst zu neuen Datenquellen innerhalb der Plattform. Für die Lösung werden dementsprechend keine neuen Primärdaten erhoben. Vielmehr geht es darum, bereits bestehende – sowohl kommunale wie private – Datensätze zugänglich zu machen. 

Die Datensicherheit wird durch Datenverschlüsselung, Zugriffs- und Prüfkontrollen sowie die Einhaltung der Datenschutzgesetze gewährleistet. Beispielsweise sind Daten zu Verkehrsmustern oder der öffentlichen Sicherheit nur der Stadtverwaltung zugänglich, während alle Nutzenden auf Finanzdaten oder dem Energieverbrauch zurückgreifen können. 

Interviewpartner