Vier Personen stehen rund um einen Tisch und bauen einen Prototypen
Ko-kreativer Prototypenbau in Regensburg Stadt Regensburg / Dominik Hupf

Gemeinsam für die Stadt: Ko-Kreation in der Smart City

Ko-Kreation ist ein innovativer Ansatz der Beteiligung in der Smart City: Es geht darum, gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, Expertinnen und Experten sowie der Kreativwirtschaft konkrete Lösungen zu Fragestellungen in der Stadt- und Quartiersentwicklung zu erarbeiten. Die Modellprojekte Smart Cities aus Regensburg, Oberhausen und Ulm zeigen, wie es gelingt.

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Was ist Ko-Kreation? 

Der Ansatz der Ko-Kreation entstammt dem Marketing: Um die Jahrtausendwende bezog man erstmals Kundinnen und Kunden in den Innovationsprozess neuer Produkte oder Dienstleistungen mit ein. Wie beim Design Thinking  sollen schnell erste Prototypen entstehen, um Ideen praktisch auf den Prüfstand zu stellen und nutzerorientiert weiterzuentwickeln.

In der Stadtentwicklung ergänzt der Ansatz der Ko-Kreation eine ganze Reihe von aktiven und passiven Beteiligungsformaten. Bei diesen kann die Bürgerschaft ihre Ideen zwar in Formaten wie World Cafés und Zukunftswerkstätten einbringen, am Ende obliegt es dennoch dem Abwägungsprozess einer Kommune, welchen Stellenwert die Ideen in der Ausarbeitung weiter einnehmen. Durch einen ko-kreativen Arbeitsprozess hingegen kann die Stadtgesellschaft die Entwicklung ihrer Quartiere und Nachbarschaften tatsächlich selbst aktiv mitgestalten. 

Regensburg_Next: Labor der kreativen Köpfe 

Wie Kommunen eine neue Innovationskultur in der Stadtgemeinschaft verankern können, zeigt das Modellprojekt Smart Cities Regensburg_Next. mit dem „Labor der kreativen Köpfe“. Das Smart-City-Projekt nimmt räumliche Lücken und Problemräume Regensburgs in den Blick: Wie die Simadergasse, die im Laufe der Zeit durch Beschädigungen, Schmierereien und Lärm zu einem „Unort“ im ansonsten pittoresken Altstadt-Quartier geworden ist. Ein Workshop brachte Anfang 2023 verschiedene Interessensgruppen in einen produktiven Dialog, um gemeinsam in ko-kreativen Formaten Lösungen zu entwickeln. Bei der Simadergasse fand bei den Beteiligten der Vorschlag große Zustimmung, die Häuserfassaden in ein Kunstwerk zu verwandeln. Die Stadt beauftragte dafür die Künstlerin Jurena Munõz Lagunas, das großformatige Wandgemälde zu gestalten. „Die Wirkung auf die Gasse ist absolut positiv“, resümiert Projektleiterin Caroline Hoffmann, „es gibt zum Beispiel keine neuen Graffiti-Tags auf den Wänden und Anwohnerinnen und Anwohner sowie Geschäftsleute sind wieder stolz auf ihre Straße.“

 

Der fertig gestaltete Prototyp steht auf einem Tisch
Stadt Regensburg / Dominik Hupf

Dass dieses Pilotprojekt erfolgreich verlief, lag laut Hoffmann an mehreren Faktoren: am bestehenden und konstanten Austausch der Stadt mit der Kreativwirtschaft sowie an der Einbindung aller Stakeholder – bei der Simadergasse etwa dem Amt für Denkmalschutz und den Immobilieneigentümern. Zudem habe ein digitaler Prototyp des Kunstwerks zur Visualisierung die geplante Umsetzung für alle Beteiligten vorab greifbar gemacht.

„Es ist nicht damit getan, dass man sich als Stadtverwaltung ein paar Künstlerinnen und Künstler dazu holt“, sagt Hoffmann, „jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer hat eine Rolle im Prozess der Ko-Kreation.“ Es sei zudem wichtig, dass es einen „Problem Owner“ – zum Beispiel aus der Stadtverwaltung – gebe. Die fachliche Perspektive werde idealerweise durch einen „Facilitator“, die oder der den Prozess aus neutraler Perspektive professionell moderiere, ergänzt.

 

Ein buntes Wandkunstwerk in der Simadergasse in Regensburg
Das Wandkunstwerk in der Simadergasse wertet die Gegend auf Stadt Regensburg / Stefan Effenhauser

Die Erfahrungen aus der Simadergasse fließen in Regensburg aktuell in weitere ko-kreative Smart-City-Projekte mit ein: So will die Stadt Teile des Hafenareals stufenweise in ein Gewerbegebiet für die Kreativwirtschaft umwandeln. Eine Gruppe aus Kultur- und Kreativschaffenden, Stadtverwaltung und Projektteam hat dazu bereits erste Ideen ausgearbeitet.

Regionalkonferenz Regensburg 

  • Unter dem Titel „Räume neu denken“ stand das Thema Ko-Kreation auch bei der Regionalkonferenz der Modellprojekte Smart Cities am 6. Dezember 2023 im Mittelpunkt. Zur Dokumentation 

Innovationsmotor Ulm: Start-ups, Daten- und Fledermausschützer an Bord

Ein Mann steht vor einem großen Monitor und hält einen Vortrag
Stadt Ulm

Auch die „Digitale Agenda“ in Ulm verfolgt mit dem „Innovationsmotor Weinhof“ einen ko-kreativen Ansatz: Kreative, Studierende, insbesondere junge Unternehmern kommen zusammen, um gemeinsam Ideen zu entwickeln und Lösungen umzusetzen. Die erste Runde des mehrstufigen Wettbewerbs unter dem Motto „Attraktiver Lederhof“ ist im Herbst 2023 gestartet. Ähnlich wie die Simadergasse in Regensburg ist auch der Lederhof in Ulm ein sogenannter „Problemort“, an dem sich viele Menschen nicht mehr wohl fühlen. Dunkle Ecken und Drogenkriminalität sind nur zwei bestehende Probleme. Im Fokus des Wettbewerbs steht daher, die Sicherheit und Aufenthaltsqualität des Areals zu verbessern.

Bisheriger Höhepunkte war ein ko-kreativer Ideenwettbewerb „Ulm.Zukunft.Zeigen“ Ende November 2023, bei dem in Teams der Fachjury konkrete Lösungsansätze in Pitches vorgestellt hatten. Für drei von einer Jury ausgewählten Ideen – ein auf KI gestützter digitaler Begleiter, smartes Stadtmobiliär und responsive Beleuchtung, die auf unterschiedliche Anforderungen reagieren kann –  werden bis April 2024 Prototypen entwickelt. Den beteiligten Teams steht jeweils ein Budget von 20.000 Euro für die Umsetzung zur Verfügung. Für die Erprobungsphase stehen nicht nur Sparringpartner zur Seite,  sondern mit dem „Verschwörhaus“ auch einen Makerspace, Meetingräumen und eine gute Kaffeemaschine. 

Auch in Ulm sind Experten und Expertinnen aus der Verwaltung – vom Daten- bis zum Fledermausschützer – im gesamtem Verlauf des Wettbewerbs eng eingebunden: „Der Ort und die Problemstellung sind sehr vielschichtig und daher mit sehr unterschiedlichen Interessen und Anforderungen behaftet, die sich natürlich nicht nur mit digitalen Ansätzen lösen lassen. Die Komplexität und städtischen Prozesse können Externe wie etwa Start-ups kaum überblicken“, erklärt Sabine Meigel, Leiterin der Digitalen Agenda und nennt ein Beispiel: „Die Beleuchtung des Areals muss heller und ausleuchtender sein, darf zugleich die dort lebenden Fledermäuse nicht beeinträchtigen und zusammen mit dem Datenschutz müssen neue Wege für KI Anwendungen gefunden werden.“ 

Wie der neu gestaltete Lederhof am Ende aussehen wird, steht noch nicht fest. Die Juryentscheidung für die endgültige Lösung, die bis Ende 2024 mit einem Budget von bis zu 100.000 Euro umgesetzt werden soll, noch nicht gefallen ist. Allerdings profitiert das Ulmer Smart-City-Team schon jetzt von zahlreichen Erkenntnissen: „Die Rolle der Stadt als Wegbereiterin, Türöffnerin Moderatorin, Stakeholder-Managerin und Sparringspartnerin ist erfolgskritisch – etwa, was den späteren Betrieb angeht“, sagt Sabine Meigel. Die innovative Ausschreibung und Vergabe seien auf Seiten der Stadt spürbar mit Mehrarbeit und dem Willen zum Machen verbunden: „Auch in der Verwaltung gibt es einen Lernprozess – zum Beispiel, was die Verbesserung von Prozessen anbetrifft.“ Nicht zuletzt habe sich der Aufbau eines lokalen Netzwerks zur Unterstützung des Innovationsmotors sowie die umfassende Kommunikation zum Erklären, Mitnehmen, Begeistern und Aktivieren sehr bewährt. 

Smart City Oberhausen: Kreatives Potenzial von Bürgerinnen und Bürgern wecken

Leitmotiv der Smart City Oberhausen ist es, die Stadtentwicklung in den digitalen Raum zu verlängern und die Bürgerschaft im digitalen Transformationsprozess mitzunehmen. Erfahrungen mit Ko-Kreation hat das Smart-City-Team bereits mit zwei Pilotprojekten in der Strategiephase gesammelt: Einerseits entwickelt die Stadt eine Gestaltungssatzung für eine denkmalgeschützte Zechensiedlung in einem partizipativen Prozess zusammen mit den Anwohnerinnen und Anwohnern. Um die Akzeptanz der Satzung zu erhöhen, wurde zunächst ein digitaler Zwilling zur denkmalgeschützten Siedlung erstellt. Darauf aufbauend wurde für einen Haustyp der Siedlung mithilfe von Augmented Reality (AR) ermöglicht, den erlaubten Änderungsspielraum der Satzung am Haustyp exemplarisch darzustellen. Auf diese Weise wird die Umgestaltung durch satzungskonforme Türen, Fenster und andere genehmigungspflichtige Veränderungen am Haus für die Anwohnerinnen und Anwohner beispielhaft erlebbar. 

Gruppenfoto zum Projekt "Gießpatenschaften"
Stadt Oberhausen

Das Projekt „Gießpatenschaften“ unterstützt eine Projektidee aus der organisierten Bürgerschaft, dem „Arbeitsgremium Klimaneutrales Oberhausen“. Die Stadt Oberhausen sammelt hier Regenwasser über einen Anschluss am Regenfallrohr in Wassertanks und speichert es für heiße Sommertage. Da die Wassertanks mit Füllstandsensoren ausgestattet sind, melden sie kontinuierlich den aktuellen Wasserstand an die Servicebetriebe Oberhausen. Auf diese Weise können die Servicebetriebe leere Tanks in niederschlagsarmen Monaten rechtzeitig wieder mit Wasser auffüllen, um engagierten Bürgerinnen und Bürgern das Gießen von Bäumen und Pflanzen in der Stadt zu ermöglichen. Bisher sind zwei Standorte in Betrieb. 

Raumplanerin Katrin Jansen, die die Strategiemaßnahme „Ko-Kreation Grundlagen“ mitbetreut hat, ist überzeugt: „In der Bürgerschaft schlummern viele kreative Ideen, die zur digitalen Transformation von Städten beitragen können.“ Jedoch sei die Komplexität von Digitalisierungsprojekten deutlich höher als bei niedrigschwelligen Angeboten zur Bürgerbeteiligung. Aufbauend auf diesen positiven Erfahrungen der Strategiephase will Oberhausen in der Umsetzungsphase weitere Projektideen ko-kreativ umsetzen.