Das KI-generierte Bild zeigt einen jungen Mann von hinten vor einem Schema komplexer Prozessdarstellungen stehend.
Smart City ist mehr als Technik, sondern vor allem eine Frage der Organisation. COK House / stock.adobe.com (generiert mit KI)

Organisation und Führung neu denken: Smart-City-Projekte brauchen Organisationsentwicklung

24.07.2025

Der Wandel im öffentlichen Sektor scheitert selten an Technik – oft aber an ungeeigneter Organisation und Führung. Smart-City-Projekte machen sichtbar, worauf es wirklich ankommt: neue Rollen, gute Führung, klare und geeignete Strukturen und die Bereitschaft, gemeinsam zu lernen. Acht Thesen zeigen, wie Kommunen digitale Transformation gestalten – und Organisationen aufbauen, in denen Menschen gerne arbeiten und bleiben wollen.

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Der öffentliche Sektor steht unter immensem Veränderungsdruck: Der demografische Wandel, steigende Erwartungen an digitale Services und knappe Kassen fordern Verwaltungen heraus. Gerade in Smart-City-Projekten zeigt sich: Digitalisierung ist weit mehr als Technik. Es geht um Organisation, Kompetenzen und Kultur.  

Die Smart City läuft. Plattformen, Apps, Sensoren – viele Kommunen haben technisch längst aufgerüstet. Doch in der Praxis zeigt sich: Technik allein macht noch keine Smart City. Die eigentliche Herausforderung liegt in der Organisation und der Führung.

Wir haben am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zusammen mit Capgemini Invent untersucht, wie die digitale Transformation im öffentlichen Sektor gelingen kann. Ein Ergebnis: 75 Prozent der Befragten halten den Fachkräftemangel für den wesentlichen Treiber der Veränderung – noch vor Digitalisierung, Haushaltslage oder Klimazielen.

Auch in Kommunen wird der Druck spürbar: Über 100.000 Stellen sind aktuell unbesetzt. Bis 2030 scheidet rund ein Drittel der Beschäftigten altersbedingt aus. Das zeigt: Wer Smart City gestalten will, muss Verwaltung als Organisation neu denken – mit Blick auf Strukturen, Prozesse, Rollen und Kultur. Denn genau dort entscheidet sich, ob aus geförderten Projekten nachhaltige Wirkung entsteht – und ob Personal langfristig gehalten werden kann.

Unsere Überzeugung: Organisation entscheidet über Zukunftsfähigkeit – und darüber, ob Menschen bleiben.

Deshalb gilt: Smart City braucht Organisationsentwicklung. Gerade weil viele technische Grundlagen geschaffen sind – von Datenplattformen bis zu Sensorik –, geht es jetzt darum, auch die Organisation und die Führung zukunftsfähig aufzustellen. In diesem Beitrag übertragen wir zentrale Erkenntnisse aus der Studie auf den kommunalen Kontext – ergänzt durch Erfahrungen aus Smart-City-Projekten und praktischen Beispielen. Acht Thesen zur Organisationsentwicklung zeigen, worauf es jetzt ankommt, wenn Städte und Gemeinden nicht nur digitalisieren, sondern echte Transformation gestalten und nachhaltig verstetigen wollen.

These 1: Fachkräftemangel ist nicht nur ein Personalmanagementproblem, sondern eine zentrale Herausforderung einer Smart City

Die Personalsituation ist für viele Smart-City-Teams eine wiederkehrende Herausforderung. Zwar schafft die Förderung von Modellprojekten neue Stellen, doch rund ein Viertel davon bleibt laut der Evaluation durch PROGNOS unbesetzt. Befristete Verträge, fehlende Anbindung an die Kernverwaltung und unklare Rollen erschweren die Besetzung zusätzlich.

Mit der Smart City Akademie setzt der Bund gezielt auf Kompetenzentwicklung. Im Qualifizierungsprogramm „Smart City Managerin / Manager“ werden Fachkräfte praxisnah geschult – etwa in Wirkungsmessung, Datenstrategien und agiler Steuerung. Doch es braucht mehr als Weiterbildungen: Es braucht Strukturen, die Wissen sichern und Menschen halten. Führung kann die Menschen im digitalen Wandel nicht motivieren. Führung muss vielmehr Rahmenbedingungen schaffen, die die Leistungsmotive der Menschen ansprechen. Personalentwicklung ist deshalb kein Randthema, sondern sollte Teil jeder Smart-City-Strategie sein. Wer Wirkung entfalten will, muss Zukunftsrollen definieren, Entwicklung ermöglichen und Kompetenzen langfristig verankern.

These 2: Technik first? Nein. Mensch und Organisation zuerst

Wer über Verstetigung spricht, sollte nicht bei der Technik anfangen, sondern bei der Organisation. Entscheidend ist nicht, was eingeführt wird – sondern wie es wirkt.

Ein wirkungsvoller Hebel dafür ist der Gedanke kommunaler Geschäftsmodelle: Welche Dienstleistung wird erbracht? Für wen? Und mit welchem Mehrwert? Dieses unternehmerische Denken braucht Raum in der Verwaltung – und hilft dabei, Strukturen aktiv aufzubauen. In Osnabrück konnte die Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities (KTS) das Smart-City-Team bei genau diesem Perspektivwechsel begleiten. Bei der Entwicklung neuer App-Module wurde nicht nur gefragt, welchen Nutzen sie für Bürgerinnen und Bürger bringen – sondern vor allem: Für wen innerhalb der Verwaltung entsteht hier eine Dienstleistung und welchen Nutzen gibt es? Solche Diskussionen helfen zugleich, Stellenprofile weiterzuentwickeln und Personal in Smart City-Teams zu halten.

These 3: Wenn Leitung will, passiert ganz viel

Damit Smart-City-Projekte Wirkung entfalten, braucht es politischen Willen – und den klaren Auftrag, daraus verbindliches Handeln in der Verwaltung abzuleiten. Erst der Beschluss. Dann das Mandat. Dann der Aufbau nachhaltiger Strukturen.

Viele Kommunen sichern dieses Mandat über formale Beschlüsse, zum Beispiel über die Verabschiedung der Smart-City-Strategien im Stadtrat. Für Datenstrategien kommen auch Rundverfügungen zum Einsatz, die Smart-City-Teams legitimieren und Fachabteilungen gezielt ein-binden – etwa bei einer Dateninventur oder beim Aufbau neuer Rollen. Ein Beispiel für nachhaltige Strukturen findet sich in Freiburg. Die Stadt hat in ihrer Daten:Exzellenz:Strategie anschaulich beschrieben, wie der künftige Umgang mit Daten organisatorisch verankert wird. Dazu gehören Rollen, der Aufbau einer Zentralstelle für Daten und der Aufbau von Datenkompetenz. Das ist langfristig gedacht und macht die Verwaltung zukunftsfähig.

Grafik Handlungsfelder Datenexzellenz der Stadt Freiburg
Die Handlungsfelder Datenexzellenz der Stadt Freiburg Stadt Freiburg

These 4: Silos bremsen – Netzwerke bringen Wandel

In der Studie von Fraunhofer IAO und Capgemini Invent nennen Führungskräfte das Silodenken als eines der größten Hemmnisse für Veränderung. Und tatsächlich: Smart-City-Themen wie Ideenentwicklung, Beteiligung, Vergabe oder Wirkungsmessung gelingen nur, wenn Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenarbeiten – ressortübergreifend und oft auch organisationsübergreifend.

Viele Kommunen bauen dafür gezielt neue Formen der Zusammenarbeit auf. In der Metropolregion Rhein-Neckar entstehen regionale Datenräume, in die sich neben Städten auch Stadtwerke und weitere Partner einbringen. Mit einer regionalen Datenstrategie und einer offenen Datenplattform soll die Nutzung von Daten für gesellschaftliche Zwecke und für verschiedene Anwendungsfälle verbessert werden. Daten werden als zentrale Ressource der Regionalentwicklung betrachtet.  

In Regensburg vernetzt das „Labor der kreativen Köpfe“ Verwaltungsmitarbeitende mit Akteuren aus der Kreativwirtschaft, jenseits von Abteilungen und Hierarchie. So werden Lösungen gefunden, die in klassischen Silos so nicht möglich wären.

These 5: Agilität ist kein Workshop, sondern vor allem eine Frage des Mindsets, der Werte und auch von Strukturprinzipien

Agile Methoden wie SCRUM, Objectives and Key Results (OKR) oder Kanban sind keine Tools für Zwischendurch. Wer sie fest in der Organisation verankert, schafft Strukturen, in denen Lernen Teil der täglichen Arbeit wird. Einige Kommunen machen genau das. Hier einige Beispiele: 

  • In der bayerischen Kleinstadt Fladungen orientiert sich die Finanzverwaltung an SCRUM. Eingeführt hat es Niklas Hirsch, damals 22 Jahre alt und jüngster Kämmerer Deutschlands. SCRUM steht für eine agile Arbeitsweise, bei der in festen Zyklen – sogenannten Sprints – von zwei bis vier Wochen gearbeitet wird. Am Anfang jedes Sprints steht eine Planung, am Ende folgt ein Review mit Stakeholdern und eine Retrospektive im Team. So werden Ergebnisse kontinuierlich verbessert und die Zusammenarbeit reflektiert. Niklas Hirsch trifft sich jeden Morgen mit seinem Team im Daily, um anstehende Aufgaben zu besprechen und die Arbeit abzustimmen. Über seine Erfahrung spricht Niklas Hirsch auch im Podcast Business Carpool - ehrliche Gespräche.
  • Das Team der Smarten Region Würzburg nutzt die Open-Source-Software Nextcloud Deck für ein an Kanban angelehntes Projektmanagement. Aufgaben werden auf Karten dokumentiert und durch verschiedene Bearbeitungsphasen geführt – etwa „To Do“, „In Bearbeitung“ und „Erledigt“. So wird Fortschritt sichtbar und die Zusammenarbeit besser strukturiert. Ergänzend wurde mit Deck2Gantt eine eigene Lösung entwickelt, die diese Aufgaben in Gantt-Diagrammen visualisiert. Das hilft, zeitliche Zusammenhänge zu erkennen und die Projektsteuerung zu verbessern. Die Lösung wird auf der Projektseite näher vorgestellt und ist öffentlich auf GitHub verfügbar.
Ein Kanban-Board in Nextcloud Deck mit Testdaten gefüllt.
Ein mit Testdaten gefülltes Kanban-Board in Nextcloud Deck. Smarte Region Würzburg
  • Die Modellprojekte Smart Cities Köln und Freiburg haben Erfahrungen mit OKR gesammelt – Objectives and Key Results. Die Methode kombiniert qualitative Ziele mit messbaren Schlüsselergebnissen, um Fortschritt transparent zu machen. In Köln wird OKR genutzt, um Digitalprojekte wie Open Data ressortübergreifend zu steuern. Die Teams setzen sich gemeinsam Quartalsziele, die regelmäßig überprüft und angepasst werden. In Freiburg wird OKR eingesetzt, um Wirkung und Fortschritt in Smart-City-Initiativen sichtbar zu machen und Verantwortlichkeiten klar zu benennen. Der Vorteil: OKR funktioniert auch ohne klassische Hierarchie – und eignet sich besonders für vernetzte Teams mit unterschiedlichen Rollen.

These 6: Projektleitung ist Leadership ohne Macht – aber mit viel Verantwortung

Smart-City-Projektleitungen sind oft „eierlegende Wollmilchsäue“: Sie führen Teams, koordinieren über Fachbereiche hinweg, organisieren Beteiligung, binden Politik ein und behalten gleichzeitig die Förderbedingungen im Blick. Was häufig fehlt: eine formale Führungsrolle mit Entscheidungsbefugnis.

In einem Projekt haben wir eine Projektleitung in der Strategiephase begleitet – enger Zeitplan und eine anstehende Abgabe, die Strategie schreiben, Maßnahmen konzipieren und all das mit der richtigen Finanzierung hinterlegen und intern abstimmen. Die fachliche Beratung durch die KTS konnte in dieser Phase unterstützen. Aber: Solche Unterstützung darf kein Zufall sein.

Nicht alles muss im Projekt selbst geleistet werden. Kommunen können gezielt Strukturen schaffen, die Projektleitungen stärken, etwa durch kollegiale Beratung, Zugang zu IT- und Vergabekompetenz oder Rückhalt bei strittigen Fragen. Das trägt dazu bei, dass Projektleitungen wirksam arbeiten können.

These 7: Kompetenzen müssen verankert werden

In These 1 ging es um den Aufbau von Personal – hier geht’s um das Danach.  
Menschen brauchen nicht nur Stellenbeschreibungen, sondern eigene Entwicklungspfade und Zeit zum Lernen (siehe These 5) – und vor allem: Strukturen, die Wissen halten.

Ein gutes Beispiel ist das Playbook Digitale Stadt aus Leipzig: Es dokumentiert Tools, Prozesse und Methoden aus der Praxis  und definiert als Gebrauchsanweisung für eine „erfolgreiche digitale Transformation von Städten“ fünf Phasen für erfolgreiche Projekte nach dem Phasenmodell nach Tuckmann: Forming (Formierung), Storming (Streitphase), Norming (Normierung), Performing (Leistungsphase) und Reflecting (Reflektionsphase). So bleibt Wissen nicht in Köpfen, sondern wird für andere nutzbar. 

Das Playbook

Digitale Stadt Leipzig
Erscheinungsjahr 2024
Vorschaubild für Datei Das Playbook

These 8: Lernen braucht Räume – und Schutz vor dem Scheitern

In vielen Smart-City-Projekten wird längst mutig ausprobiert – und das ist gut so. Entscheidend ist, dass Verwaltungen diesen Mut nicht dem Zufall überlassen, sondern gezielt Experimentierräume schaffen und schützen. Formate wie Retrospektiven, kollegiale Beratung oder Innovationssprints können dabei helfen, Lernen zur gemeinsamen Praxis zu machen. In Würzburg zeigt sich, wie das aussehen kann: Das Smart-City-Team arbeitet inzwischen komplett mit Open-Source-Tools wie Nextcloud. Aus dem Ausprobieren ist Alltag geworden, berichtet Katja Schröder aus dem Smart City Team. Inzwischen interessieren sich andere Abteilungen für die Ansätze. Das schafft spannende Chancen für die gesamte Verwaltung.

Fazit: Organisationsentwicklung im Kontext von Smart City als komplexes agiles Lern- und Transformationsprojekt verstehen! 

Smart City ist mehr als Technik – sie ist vor allem eine Frage der Organisation. Viele Kommunen zeigen bereits, wie neue Rollen, agile Methoden, Lernbereitschaft und gezielte Personalentwicklung die Verwaltung verändern können. Jetzt geht es darum, diese Ansätze zu verstetigen – durch strukturierte Organisationsentwicklung innerhalb der Verwaltungen und durch gemeinsames Lernen über Kommunen hinweg.

Denn: Erfolgreiche Organisationsgestaltung braucht keine Blaupause. Sie passt sich lokalen Gegebenheiten an und wächst aus dem, was vor Ort möglich ist. Smart-City-Projekte bieten dafür den Raum. Nutzen wir sie wie großes Lernprojekt wie Infrastrukturprojekte der nächsten Generation: als Lernräume für das, was Verwaltung morgen sein kann – vernetzt, lernend und menschlich.
 

Autorinnen und Autoren

Dr. rer. pol. Ulrich G. Schnabel

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO)
Transformationsbegleiter und Organisationsberater
Tel.: +497119702265