Tisch mit einigen Planungsdokumenten, Karten und einem Tablet
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Smart City trifft Wärmewende: Wie digitale Zwillinge die Wärmeplanung erleichtern können

06.03.2025

Die Digitalisierung bietet enorme Chancen für die kommunale Wärmeplanung. Insbesondere sogenannte Urbane Digitale Zwillinge (UDZ) ermöglichen es, auf dem Weg zur treibhausgasneutralen Wärmeversorgung fragmentierte Daten zu bündeln und Prozesse zu optimieren.

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Spätestens ab 2045 soll die Wärmeversorgung in Deutschland treibhausgasneutral sein. Auf dem Weg dahin sind Städte und Gemeinden dazu verpflichtet, bis zu einem bestimmten Stichtag individuelle Wärmepläne für ihre Kommunen zu erstellen: Wie sollen Gebäude in einer Kommune künftig mit Wärme versorgt werden? Welche Rolle spielen erneuerbare Energien und die Nutzung von Abwärme aus Gewerbeanlagen in der Wärmeversorgung?

Die Digitalisierung der Wärmeplanung ist dabei nicht nur ein Schlüssel zur Energiewende, sondern auch ein wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen und vernetzten Stadtentwicklung im Rahmen von Smart-City-Konzepten. Digitale Instrumente wie Urbane Digitale Zwillinge können die Koordination zwischen verschiedenen Akteuren erleichtern und ermöglichen so eine dynamische, datengetriebene Steuerung der kommunalen Wärmewende.

Wir zeigen in diesem Beitrag, welche Herausforderungen durch die Wärmeplanung entstehen und wie Urbane Digitale Zwillinge die Kommunen bei ihrer Umsetzung zukünftig unterstützen können.

Rechtliche Grundlagen

Rechtliche Grundlagen

Um die nationalen Klimaschutzziele des Bundes aus dem Klimaschutzgesetz (KSG) zu erreichen, hat die Bundesregierung das Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit der Pflicht der Einrichtung einer Wärmeplanung gekoppelt. Das „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ (WPG) sieht vor, dass in Großstädten spätestens bis zum 30. Juni 2026 ein Wärmeplan vorliegen muss, in Städten mit weniger als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner bis zum 30.06.2028.

Die Erhebung und Verarbeitung der häufig fragmentiert bei unterschiedlichen Datenhaltern und in unterschiedlichen Formaten vorliegenden Daten ist dabei eine der zentralen Herausforderungen. Das Wärmeplanungsgesetz gibt mit § 10f WPG den entsprechenden Planungsstellen das Recht, große Mengen an Daten – einschließlich personenbezogener Informationen – elektronisch zu erfassen und maschinell zu verarbeiten. Diese gesetzliche Grundlage ist wesentlich, um die Bestands- und Potenzialanalysen effizient durchzuführen.

Zusätzlich erleichtert § 11 WPG den Planungsträgern den Zugriff auf relevante Daten, da alle beteiligten Akteure verpflichtet sind, Auskunft zu erteilen. Diese umfassenden Befugnisse ermöglichen eine schnelle und präzise Erstellung der kommunalen Wärmepläne.

Datenmanagement in der kommunalen Wärmeplanung

Die Frage, welche Daten von wem in welcher Form für die Wärmeplanung vorliegen müssen hat viele Jahre für Unsicherheit gesorgt, und wird nun durch das WPG (siehe Kasten "Rechtliche Grundlagen") beantwortet. Es definiert welche konkreten Verbrauchs-, Gebäude, Anlage- und Infrastrukturdaten notwendig sind und legitimiert die planungsverantwortlichen Stellen zu deren Erhebung: Gas- und Wärmeverbräuche, dezentrale Wärmeerzeugungsanlagen mit Verbrennungstechnik, Gebäudedaten, Prozess- und Abwärme bei Industrie, Gewerbe und Unternehmen, Wärmenetze und Wärmeerzeuger, Gasnetze, Stromnetze (Hoch-, Mittel- und Niederspannung), Kläranlagen, Abwassernetze sowie räumliche Planwerke. Es stellen sich allerdings Fragen nach der notwendigen Qualität und Granularität der Daten sowie nach sinnvollen Strukturen und Prozessen zum Umgang mit diesen Daten.

Die besondere Kleinteiligkeit des Wärmesektors spiegelt sich auch in der Datenverfügbarkeit wider. Relevante Daten für die Wärmeplanung liegen meist verteilt und in unterschiedlichen Formaten – analog oder diverse digitale Formate – vor: im Marktstammdatenregister, als Kehrbuchdaten der Schornsteinfeger, bei Energieversorgungsunternehmen, im amtlichen Liegenschaftskataster oder als Zensus-Daten, teilweise auch als von Bundesländern oder Landkreisen beauftragten Untersuchungen zu Potenzialen für erneuerbare Wärmequellen, teils selbst innerhalb der Verwaltung je nach Zuständigkeit bei unterschiedlichen Stellen. Sie alle müssen für die Wärmeplanung erhoben, aufbereitet und bereitgestellt werden. Für personenbezogene Daten gilt dabei ein besonderer Schutzstatus, was die Aggregation von Daten erforderlich macht.

Die Notwendigkeit des Umgangs mit fragmentierten Datenmengen trifft dabei auf unterschiedliche stark ausgeprägte Vorkenntnisse in den Kommunen. Teilweise kommen bereits Geoinformationssysteme oder Gebäudemodelle zum Einsatz, wobei zumindest teilweise nicht integrierte Parallelstrukturen zwischen verschiedenen Verwaltungseinheiten bestehen. Andere Kommunen verfügen noch nicht mal über solche grundlegenden digitalen Strukturen, andere wiederum machen bereits Erfahrungen mit fortgeschrittenen, integrierten Tools wie Datenplattformen oder darauf aufbauenden Urbanen Digitalen Zwillingen.

In der Praxis wird die Wärmeplanung bislang überwiegend an externe Dienstleister vergeben, manchmal auch an eigene Stadtwerke. In diesem Fall ist es Aufgabe der Kommune, die Plausibilität der gelieferten Daten und dahinterliegende Annahmen kontinuierlich zu überprüfen. Für die Kommunen ist es daher wichtig, mindestens zu einem gewissen Umfang nicht nur eigene Datenkompetenzen für die Wärmeplanung aufzubauen und zu sichern, sondern auch langfristig die Souveränität über die erhobenen Daten zu sichern. Nur so können die im Rahmen der Wärmeplanung aufwändig erhoben und aufbereiteten Daten im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung auch in anderen Planungsprozesse weiterverwendet werden, zum Beispiel in der Umwelt- oder Flächennutzungsplanung oder im Bereich der Klimaanpassung.

Potenziale Urbaner Digitaler Zwillinge für die der kommunalen Wärmeplanung

Das WPG strukturiert den Prozess der Wärmeplanung in aufeinander aufbauende Schritte. Als zentrale Prozessschritte der Wärmeplanung gelten Bestandsanalyse, Potenzialanalyse, Zielszenarioentwicklung sowie Umsetzungsstrategie (vgl. Abbildung 1). Vorgelagert kommen die Vorbereitungsphase und die Eignungsprüfung nach WPG hinzu. Nachgelagert folgen die Detailplanung zur konkreten Anbahnung von Umsetzungsmaßnahmen sowie Monitoring, Evaluierung und Fortschreibung der Wärmepläne. Prinzipiell sind in (fast) allen dieser Schritte – einschließlich der Akteurseinbindung und Öffentlichkeitsbeteiligung – Potenziale durch den Einsatz digitaler Zwillinge denkbar.

 

Infografik zur Erstellung eines kommunalen Wärmeplans
Abb. 1: Prozess der Kommunalen Wärmeplanung. Quelle: dena/Kompetenzzenrum Kommunale Wärmewende, abgerufen unter https://www.kww-halle.de/kwp-prozess/prozessskizze-kommunale-waermeplanung dena / Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende

Urbane Digitale Zwillinge (UDZ) verkörpern gewissermaßen das idealtypische Zielbild einer Infrastruktur zur Zusammenführung, Konsolidierung und Verknüpfung von Daten, und haben in jüngster Zeit rasant an Bedeutung für kommunale Planungsprozesse gewonnen (vgl. Lehtola et al. 2022). Typische Einsatzbereiche von UDZ sind kartografische Darstellungen und Visualisierungen zum Beispiel als Mittel zur Information beziehungsweise Beteiligung der Öffentlichkeit, Berechnungen und Simulationen, das Bewerten von Sachverhalten bis hin zur Nutzung als Steuerungsmittel im Sinne von Governance-Tools.
 

Ein Urbaner Digitaler Zwilling ist ein dynamisches digitales Abbild, welches sich auf die Ganzheit oder einen anwendungsfallspezifischen Teil einer Stadt bezieht. Dazu gehören unter anderem die physische Bausubstanz, Infrastrukturanlagen und -einrichtungen sowie städtische Prozesse, Systeme und Daten unter Einbeziehung von Geräten des Internet der Dinge (IoT) und Informationsfeedback der Bürgerschaft.

(Brandt et al. 2023: 10)


Urbane Digitale Zwillinge helfen also Kommunen dabei, integrierte Entscheidungen zu treffen, Prozesse effizienter zu gestalten und Maßnahmen sowie Entwicklungen messbar zu machen (vgl. DIN SPEC 91607: 28). Digitale Zwillinge können somit auch die Beantwortung fachübergreifender Fragen erleichtern (Donaubauer 2024).

Im Kontext der kommunalen Wärmeplanung kann die Verwendung digitaler Modelle von der Gebäudeebene über Versorgungsnetze bis hin zu Quartieren oder ganzen Städten reichen. Die Echtzeitdatenintegration ermöglicht nicht nur eine detaillierte Analyse des aktuellen Zustands, sondern auch die Simulation von Szenarien, wie etwa die Auswirkung von Sanierungsmaßnahmen oder die Anpassung des Fernwärmenetzes. Insbesondere kleinere Kommunen könnten von einer Vereinfachung der Datenerhebung und -verarbeitung durch Standardisierung und Digitalisierung profitieren, zum Beispiel durch standardisierte Abfrageformulare und automatisierte Eingabetools oder eine zentrale Datenplattform.

Für Kommunen liegt die Herausforderung darin, die Kontrolle über den Planungsprozess zu behalten. Die Digitalisierung der Wärmeplanung ist nicht nur ein Schlüssel zur Energiewende, sondern auch ein wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen und vernetzten Stadtentwicklung im Rahmen von Smart-City-Konzepten. Über die Anwendung in einzelnen Kommunen hinaus könnten UDZ perspektivisch auch einen Beitrag zur Harmonisierung der kommunalen Wärmepläne auf Landes- und Bundesebene, und darauf aufbauend zur Erschließung von Synergien zwischen Bund, Ländern und Kommunen leisten.

Praxisbeispiele: erste Ansätze aus deutschen Kommunen

Luftaufnahme des Testquartiers Margarentenau
Testquartier Margarentenau für den Regensburger Energie-Zwilling Herbert Stolz

Die vom Bund geförderten Modellprojekte Smart Cities setzen bereits verschiedene digitale Lösungen im Themenfeld kommunale Wärmewende beziehungsweise weiter gefasst im Themenfeld Energie ein.

Der Regensburger „Sanierungs-Zwilling“ basiert auf einem digitalen Energie-Zwilling, der Gebäudedaten in einem 3D-Modell erfasst und zur Analyse energetischer Sanierungen verwendet wird. Das Tool ermöglicht individuelle Berechnungen des Energiebedarfs sowie die Simulation verschiedener Sanierungsmaßnahmen hinsichtlich Energieeinsparung, Kostenreduktion und Treibhausgaseffekte. Durch die Verknüpfung bestehender Datenquellen und neuer Informationen soll eine fundierte Entscheidungsgrundlage für Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Planungsakteure geschaffen werden.

Die Smart City Kempten wiederum plant  eine umfassende Energie- und Strukturplanung, um eine klimaneutrale Energieversorgung zu erreichen. Eine Ist-Analyse der Gebäudestruktur und Infrastruktur identifiziert Potenziale für erneuerbare Energien wie Photovoltaik, Geothermie, Fluss- und Abwasserwärme sowie Energieeinsparungen. Die erfassten Daten werden in einer urbanen Datenplattform gebündelt und über eine interaktive Plattform veröffentlicht, die BürgerInnen und Planungsakteure bei Heizungstausch, Sanierungen und Neubauten mit Standortinformationen zu Wärme- und Solaroptionen unterstützt. 

Energie-Atlas Leipzig: Analyse des aktuellen Energieverbrauchs und Simulation von Zukunftsszenarien

Die Stadt Leipzig hat mit dem „Energie-Atlas Leipzig“ bereits ein umfassendes digitales Tool entwickelt, das sowohl der Analyse des aktuellen Energieverbrauchs als auch der Simulation möglicher Zukunftsszenarien dient. Der Energie-Atlas integriert unterschiedliche Datenquellen, darunter Verbrauchsdaten aus Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen sowie Potenzialanalysen für erneuerbare Energien. Damit unterstützt er die Stadtverwaltung bei der strategischen Planung und erleichtert es, fundierte Entscheidungen über Sanierungsmaßnahmen oder den Ausbau erneuerbarer Energien zu treffen. Auch die Beteiligung der Bevölkerung wird durch die interaktive Visualisierung gestärkt.

Fazit und Ausblick

Die Diskussion um UDZ in der kommunalen Wärmeplanung zeigt deutlich, dass digitale Lösungen einen erheblichen Mehrwert für die Erhebung, Analyse und strategische Nutzung von Energiedaten bieten können. Besonders in Zeiten wachsender Anforderungen an Klimaschutz und Energieeffizienz sind datengetriebene Werkzeuge wie digitale Zwillinge essenziell, um fragmentierte Informationen zu bündeln und Planungsprozesse zu optimieren. Die Kommunen stehen dabei vor der Herausforderung, sowohl die entsprechenden technologischen als auch organisatorische Strukturen zu schaffen, um diese Potenziale nachhaltig zu nutzen.

Während erste Praxisbeispiele Einblicke in vielversprechende Ansätze liefern, bleibt die Frage offen, wie digitale Zwillinge ganz gezielt für die Kommunale Wärmeplanung operationalisiert werden können. Um diese Wissenslücke zu schließen, führen wir vom Deutschen Institut für Urbanistik zusammen mit dem Team von Fraunhofer IESE im Rahmen der KTS-Begleitforschung eine Studie durch. Ziel ist es, Effizienzpotenziale und Gelingensbedingungen entlang der Phasen der kommunalen Wärmeplanung zu identifizieren sowie idealtypische Umsetzungsschritte für die Nutzung digitaler Zwillinge zu entwickeln.

Die Studie, die bis Ende 2025 erscheint, soll Kommunen konkrete Handlungsempfehlungen für den Einsatz digitaler Lösungen in der Wärmeplanung liefern. Unsere ersten Erkenntnisse machen deutlich: Der Einsatz von digitalen Zwillingen kann nicht nur zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung beitragen, sondern auch langfristig die städtische Resilienz und Energieeffizienz steigern.

 

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin oder des Autors wieder.

Leselinks und Literaturverzeichnis

Brandt, S.; Henningsen, J.; Hess, S.; Jedlitschka, A., Hellmuth, R., 2023: Digitale Zwillinge. Potenziale in der Stadtentwicklung. Herausgeber: BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Bonn. Zugriff: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/sonderveroeffentlichungen/2023/digitale-zwillinge.html [Zuletzt abgerufen am 14.02.2025]

Donaubauer, 2024: Die Zukunft visualisieren. [Zuletzt abgerufen am 14.02.2025]
Lehtola et. al, 2022: Digital twin of a city: Review of technology serving city needs. In: International Journal of Applied Earth Observation and Geoinformation, Volume 114, November 2022, 102915. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jag.2022.102915 [Zuletzt abgerufen am 14.02.2025]

Ortner et al., 2024: Leitfaden Wärmeplanung. Empfehlungen zur methodischen Vorgehensweise für Kommunen und andere Planungsverantwortliche. Zugriff: https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/downloads/Webs/BMWSB/DE/veroeffentlichungen/wohnen/leitfaden-waermeplanung-lang.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [Zuletzt abgerufen am 14.02.2025]

Deutscher Städtetag Berlin und Köln, 2024: Daten für die kommunale Wärmeplanung. Herausforderungen, Best Practices und Handlungsempfehlungen. Zugriff: https://www.staedtetag.de/files/dst/docs/Publikationen/Weitere-Publikationen/2024/Leitfaden-kommunale-Waermeplanung-mit-Daten.pdf [Zuletzt abgerufen am 14.02.2025]

Smart City Dialog, 2023: Urbane Datenplattformen [Zuletzt abgerufen am 14.02.2025]
Smart City Dialog, 2023: Daten in der Smart City strategisch nutzen [Zuletzt abgerufen am 14.02.2025]

Autorinnen und Autoren

Lisa Dreier

Deutsches Institut für Urbanistik
Beratung und Forschung

Robert Riechel

Deutsches Institut für Urbanistik