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Zentrale Erkenntnisse
- Es gibt ein breites Bekenntnis zu offenen Entwicklungsprinzipien für Urbane Digitale Zwillinge (UDZ): Alle anwesenden Projekte arbeiten mit Open Source und Open Data.
- Utrecht und Japan setzen gegenwärtig eher auf einen Plattformansatz und offene Ökosysteme für ihre UDZ; Kapstadt, München und Wuppertal entwickeln ihre 3D-Modelle stärker verwaltungsintern und anwendungsbezogen.
- Als Datenquellen sind bisher Referenzdaten, offene Daten aus anderen Verwaltungsebenen, Befliegungsdaten und Punktwolken/LIDAR priorisiert.
Sensor-, IoT- und Mobilfunkdaten sind bisher stadtseitig noch wenig integriert.
- Weitere Datenquellen haben erhebliche Potentiale. Crowdsourcing-Daten können im Abgleich mit anderen öffentlichen Daten das Vertrauen der Bürger in die Datenarbeit der Verwaltung stärken. Mittels Data Sharing in Datenräumen werden zukünftig weitere private Daten anwendungsscharf für UDZ nutzbar. In Strategie und Entwicklung sollte das gesamtstädtische Datenökosystem stetig mitbedacht und erweitert werden.
- In einem ersten Use Case Mapping aus den Projekten gibt es die meisten Anwendungen im Bereich der Stadtplanung, gefolgt von Infrastruktur- und Umweltmanagement. In Japan gibt es auch bereits zahlreiche Use Cases zur Krisenvorsorge und -reaktion, sowie für Bürgerbeteiligung und zu Entertainment- und Touristikzwecken.
- Gemäß „Capability Mapping“ der DIN SPEC 91607 decken alle Projekte bereits in Teilen die Dimensionen „Integration“, „Wissen generieren“ und „Entscheiden“ für UDZ ab, die Stufe „Einwirken“, also das manuelle oder automatisierte Steuern von Stadtprozessen über den Zwilling ist noch nicht erreicht.
- Verschiedene Betreibermodelle und Stakeholderstrukturen kommen für die langfristige Nutzung von UDZ infrage und müssen weiter diskutiert werden.
Mit Daten Prozesse sichtbar und steuerbar machen – nirgends scheint das so einleuchtend und intuitiv wie bei der Vision eines Urbanen Digitalen Zwillings (UDZ), dem digitalen Abbild der Stadt. Seine Entwicklung ist internationales Trendthema und zugleich das Projekt, auf das viele einzelne Smart-City-Maßnahmen hin konvergieren oder in das sie integriert werden können.
Im ISCN-Spotlight kamen internationale Experten aus der Projektebene der Entwicklung von UDZ zu einem zweistündigen Austausch zusammen. Die Gäste kamen aus Deutschland (BMWSB, München, Wuppertal), Japan (Ministry for Land, Infrastructure, Transport and Tourism, MLIT), den Niederlanden (Utrecht) und Südafrika (Kapstadt).
Nach einer anfänglichen Übersicht der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Ansätze durch das ISCN (z.B. Abb. 1) gab es eine „Tour de Table“, in der jede Seite knapp den Status Quo seines Projekts, sowie aktuelle Herausforderungen skizzierte.

Datenquellen
Anschließend wurden strukturiert Diskussionspunkte bearbeitet. Die Anwesenden tauschten sich zu den in ihren Projekten verwendeten Datenquellen und Datenstandards aus und sortierten diese grob nach bisheriger Intensität der Nutzung für ihre Modelle. Hierbei zeigte sich, dass die meisten Projekte momentan auf Kombinationen von Befliegungsdaten, Punktwolken/LIDAR, Referenzdaten und offenen Daten aus anderen Verwaltungsebenen setzen. Utrechts Schwerpunkt liegt weniger auf Befliegungsdaten, sondern auf 3-D-Renderings, die auf der umfassenden, zentralen niederländischen Datengrundlage PDOK beruhen, die u.a. auch Gebäude-IDs enthält, was viele andere Länder nicht haben. Sie berichteten ebenfalls von einer dezidierten Einbindung von Crowdsourcing-Daten, also solchen, die von teilnehmenden Bürgern gesammelt werden, über das angehängte EU-Projekt Urban Releaf. Die Annahme ist, dass der Abgleich und die Ergänzung von offiziellen Daten mit Crowdsourcing-Daten das Vertrauen der Bürger in die Datenverarbeitung der öffentlichen Hand stärken kann.
Bisher noch nicht ausgeprägt zur Erstellung des UDZ genutzt werden Satellitendaten, in ihnen liege aber großes Potential. Zwar haben sie oftmals größere Aktualisierungsintervalle, doch Auflösungen werden immer stärker, und der bereitgestellte Datenfundus wird umfassender und entlastet die kommunale Ebene, da sie von anderen Stellen bereitgestellt wird. Wuppertal nannte hierfür zum Beispiel openEO Daten des Copernicus-Projekts der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA).
Auch die Einbindung von IoT- und Sensordaten sowie Mobilfunkdaten ist in den aktuellen Entwicklungsstadien noch nicht in umfassender Weise erfolgt. Oftmals liegen diese Daten immer noch nur auf privater Seite vor (v.a. Mobilfunkdaten) und können für Städte nur über bessere Datenökosysteme und Datenmärkte verfügbar gemacht werden. Einige Städte planen jedoch auch die Installation eigener Sensornetze, die auf den UDZ eingespeist werden können. Jedenfalls stellen sich bei diesen Datenquellen frühzeitige Fragen nach dem Aufgabenumfang und der Mandatierung der Stadtverwaltungen oder ob ihre Verwendung nicht anderen Stakeholder-Gruppen obliege. Für sensible Daten z.B. aus dem Tiefbau, führe der Weg nicht an einem Identitätsmanagement vorbei. Utrecht und Amsterdam haben für solche Freigaben in ihrem Projekt bereits FME Scripts und Dashboards entwickelt, über welche städtische Angestellte solche Daten gezielter anfragen können. Grundsätzlicher weisen diese Fragen auf die Notwendigkeit von Datenräumen und ihren Möglichkeiten des gezielten nutzergruppenübergreifenden Datenangebots und Data Sharings als Komplementär zur Entwicklung Digitaler Zwillinge.
Datenstandards
Im Lichte der Datenquellen besprachen die Teilnehmer auch kurz die verwendeten Datenstandards. Die Mehrheit der Gäste verwendet den CityGML-Standard, in den Niederlanden hingegen wird oft der jüngere CityJSON-Standard genutzt. Die Abwägung ist hier oftmals eine der Detailschärfe (mit Vorteilen bei CityGML) versus einer leichteren und schnelleren Handhabung in Webumgebungen durch weniger Verzeichnisebenen (CityJSON). Letzteres kann gerade in der Frage der Zugänglichkeit und Öffnung des Zwillings ein relevanter Faktor sein, da manche Modelle auf herkömmlichen Rechnern nicht so ohne weiteres reibungslos angezeigt werden können. Verschiedene Programme ermöglichen allerdings auch mittlerweile Konvertierungen der Formate in beide Richtungen, wie nicht zuletzt auch praktisch im Peer-Learning zwischen München und Utrecht im Programm #vernetztinEuropa gezeigt wurde.
Diese technische Detailschärfe zu Datenstandards und ihre Implikationen zur „Handlichkeit“ für verschiedene Nutzergruppen markierte eine gute Überleitung für eine Diskussion zur gegenwärtig anvisierten Stakeholderstruktur der Projekte.
Öffnungsgrad der Digitalen Zwillinge
Basierend auf einem Koordinatensystem aus einem Paper von D’Hauwers, Walravens und Ballon (2021) [1] wurden die Projekte gebeten ihre Zwillinge anhand ihres gegenwärtigen Öffnungsgrads sowohl hinsichtlich Kontrolle und Entwicklung (x-Achse) als auch Nutzung und Zugänglichkeit (y-Achse) einzuordnen (Abb. 2). Ein Indiz für eine offene Nutzungsmöglichkeit für ein breites Ökosystem ist beispielsweise die Ansteuerbarkeit des Zwillings für anonyme Nutzer über ihre Webbrowser.
Obschon es nicht den zeitlichen Raum gab, die Positionierungen detaillierter zu eruieren, wurden doch Unterschiede sichtbar: Kapstadt und Wuppertal können gegenwärtig am ehesten als „Inside-In“-Konfigurationen bezeichnet werden, da ihre UDZ-Ansätze vor allem verwaltungsintern entwickelt werden, sich jedoch auf Öffnungen nach außen vorbereiten oder in einzelnen Fällen für Partizipationsanwendungen bereits geöffnet wurden.
Münchens Profil ist momentan gemäß angebotenem Schema vielleicht am ausgeglichensten. Grundsätzlich ist die Entwicklung in der Stadtverwaltung und den zuständigen Stellen verankert und gesteuert. Wie auch bei Wuppertal wurde betont, dass die Entwicklung „Use-Case-getrieben“, also anwendungsbezogen sei. Andererseits gibt es bereits mehrere Kooperationen und Interaktionen mit anderen Stakeholdern, etwa der TU München, Startups, im Rahmen von Partizipationsformaten mit Bürgern oder auch beim Peer-Learning und Datenaustausch mit Utrecht.

Netherlands3D und die PLATEAU Initiative aus Japan ist dem gegenüber klarer der Typologie „Outside-Out“ zuzuordnen. Beide Projekte bieten ihre 3D-Modelle jedem Internetnutzer über den Browser zur Ansicht und zum Download an. Sie ermöglichen ebenso die selbstverantwortliche Integration privater Daten in die Modelle. Eine Nuancierung kann dadurch vertreten werden, dass der „Utrechter Ansatz“ (wie oben bereits angesprochen) von den Rechenleistungen etwas weniger voraussetzungsvoll ist (daher etwas höher auf der y-Achse), der japanische Ansatz hingegen bereits eine zahlenmäßig größere und vielfältigere De-facto-Einbindung und Aktivitäten von anderen Stakeholdern und Startups aufweist.
Auffällig ist, dass die beiden auf nationaler Ebene gesteuerten Zwillingsprojekte frühzeitiger zu einer Öffnung auf Ökosysteme zu neigen scheinen, wohingegen die noch stark kommunal verankerten Projekte zunächst auf verwaltungsinterne Entwicklung und Anwendung fokussieren. (Zugleich ist etwa die „Open Urban Plattform“ Rotterdams ein Beispiel für ein kommunal aufgesetztes Projekt, das einen ebenso hohen Öffnungsgrad aufweist.)
Weiterführender Austausch
Festgehalten für weitere Austausche wurden weitere Diskussionspunkte, etwa ein Blick auf langfristige Stakeholder-Konstellationen bei Verwendung und Betrieb des UDZ, inklusive zukünftiger Betreibermodelle – eine Frage, vor der auch viele Kommunen aus dem Förderprogramm „Modellprojekte Smart Cities“ (MPSC) zunehmend im letzten Drittel der Projektlaufzeit stehen.
[1] D’Hauwers, R., Walravens, N., & Ballon, P. (2021). From an inside-in towards an outside-out urban digital twin: Business models and implementation challenges. ISPRS Annals of the Photogrammetry, Remote Sensing and Spatial Information Sciences, 8, 25-32.
Weiterführende Links und Informationen
Japan
https://www.mlit.go.jp/en/toshi/daisei/plateau_en_2.html (MLIT Webpage zur PLATEAU Initiative)
https://github.com/Project-PLATEAU (Github)
Kapstadt
https://odp-cctegis.opendata.arcgis.com/ (Open Data Portal with mit mehreren räumlichen Anwendunsfällen von Daten)
München
https://muenchen.digital/projekte/digitaler-zwilling.html (Webinfo der Stadt München zu ihrem Digitalen Zwilling)
Utrecht / Niederlande
https://netherlands3d.eu/ (Website)
https://github.com/Netherlands3D (Github)
Wuppertal
https://smart.wuppertal.de/udz (Webinfo zum Digitalen Zwilling der Stadt Wuppertal)
Haben Sie Fragen zu den angesprochenen Projekten oder möglichen Kontakten? Wenden Sie sich gerne an das Internationale Smart Cities Netzwerk: iscn@giz.de