Frau von hinten vor einem Tablet im Telemedizinraum Jena
Aus dem mit Kommunikations- und Medizintechnik ausgestattetem Telemedizinraum können Vitaldaten wie etwa der gemessene Blutdruck live übertragen werden. Stadtwerke Jena

Smarte Wege zur gesunden Stadt und Region

14.11.2025

Smart City trifft Daseinsvorsorge: Gesundheit ist längst ein zentrales Thema der Stadtentwicklung – und sie wird in Zukunft noch wichtiger. Deutschland altert, Pflege- und Fachkräfte fehlen, während die Bevölkerung in vielen Regionen schrumpft. Smarte Städte und Regionen wie Jena, die Landkreise St. Wendel und Wunsiedel sowie die Stadt Wuppertal reagieren darauf mit innovativen Konzepten – von Telemedizin über Gesundheitsplattformen bis hin zu datenbasierten Frühwarnsystemen für Umwelt- und Gesundheitsrisiken.

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Smart City Jena: Gesundheitsapartments und Telemedizinraum im Smarten Quartier Jena-Lobeda

Im Smarten Quartier Jena-Lobeda werden innovative Wohn- und Energiekonzepte erprobt. Dazu gehören auch zwei Bausteine im Bereich Gesundheit, die im Rahmen des Modellprojekts Smart Cities umgesetzt werden: Die im September 2023 in den Betrieb genommenen barrierearmen Gesundheitsapartments richten sich an Patientinnen und Patienten, die etwa nach einem Klinikaufenthalt überbrückend ambulant versorgt werden, aber von ihrem Wohnort aus nicht gut anreisen können. Moderne Smart-Home-Technologien mit Sprachsteuerung, ein Notfallsystem, höhenverstellbare Möbel, ein mietbarer E-Rollstuhl, Smart-TV und ein Unterstützungsroboter schaffen Komfort und Sicherheit.

„Die Gesundheitsapartments waren von Anfang an gut nachgefragt“, berichtet Olivia Busch, Teilprojektleiterin Smart City Jena, „der Rückzugsort außerhalb des Krankenhauses wird sehr geschätzt.“ Zum Jahresende 2025 wird das Universitätsklinikum Jena als beteiligter Partner die beiden Apartments voraussichtlich komplett übernehmen und weiter betreiben. „Das ist gelebte Verstetigung über das Projekt hinaus“, freut sich Olivia Busch.

Neben den Apartments wurde 2024 ein Telemedizinraum eröffnet, der zeigt, wie Gesundheitsversorgung künftig aussehen kann: wohnortnah, digital und ohne Wartezimmer. Patientinnen und Patienten können dort mithilfe modernster Technik Video-Sprechstunden wahrnehmen oder Vitaldaten übertragen.

Olivia Busch beschreibt die Herausforderungen: „Telemedizinräume sind noch kein etabliertes Format. In Bezug auf Hygiene, Datenschutz oder Zugang haben wir Neuland betreten. Die Arbeit war teilweise sehr herausfordernd, weil Pilotprojekte oft neue Strukturen und Konstellationen erfordern – da müssen sich alle Beteiligten erst einspielen.“

Doch nach dem erfolgreichen Piloten sollen zwei weitere Telemedizinräume in ländlichen Gebieten entstehen, in Crossen an der Elster und in Langenwolschendorf. Denn in beiden Regionen besteht ein spürbares Versorgungsdefizit. So wird das Jenaer Modell auch außerhalb der Stadt zum Vorbild.

modernes Appartment mit Küchenzeile, man sieht den Blick auf den Balkon.
Die Gesundheitsappartment sind unter anderem ein Rückzugsort für Menschen, die sich einer Behandlung in der Uniklinik unterziehen, aber nicht (mehr) stationär aufgenommen werden müssen. Stadtwerke Jena

St. Wendel und Wunsiedel: Gesundheitsplattformen für Transparenz und Orientierung

Screenshot der Startseite von www.gesundes-WND.de
Startseite des Gesundheitsportal von St. Wendel Smart Wendeler Land

Eine weitere Herausforderung ist, dass im ländlichen Raum Gesundheitsangebote häufig schwer auffindbar sind. Genau hier setzen digitale Gesundheitsplattformen an. Sie bündeln lokale Angebote, schaffen Transparenz und erleichtern den Zugang – sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Anbieter.

gesundesWND: Gesundheitsplattform für den Landkreis St. Wendel

Seit Herbst 2023 sorgt das Angebot gesundesWND im Landkreis St. Wendel im Saarland für mehr Übersicht: Die Plattform bündelt lokale Gesundheits-, Pflege- und Präventionsangebote. Hier lassen sich über Filterfunktionen passende Angebote von Selbsthilfegruppen über Rehabilitationskurse bis zu Ernährungstipps und psychologischen Beratungen finden.

„Unsere Bevölkerung ist vergleichsweise alt. In zehn bis fünfzehn Jahren könnten Versorgungsengpässe entstehen. Dem wollen wir schon jetzt entgegenwirken“, erklärt Katrin Schmitt, im Team des Modellprojekts Smart Wendeler Land für das Thema Daseinsvorsorge zuständig: „Die Plattform ist ein niedrigschwelliges Angebot, um Transparenz zu schaffen.“

Mittlerweile sind rund 80 von 400 Gesundheitsanbietern in der Region auf der Plattform vertreten. Das sei ein guter Anfang, aber noch ausbaufähig: „Kontinuierliches Marketing ist extrem wichtig“, betont Schmitt. „Wir wollen zudem die Nutzerführung weiter verbessern und den Pflegeaufwand reduzieren.“

Startseite des Pflegeportals: Zu sehen ist eine ältere Dame, die einen älteren Herrn im Rollstuhl schiebt, daneben eine Pflegerin in typischer Kleidung.
Startseite des Pflegeportals Landkreis Wunsiedel

Pflegeportal Fichtelgebirge: Nachgenutzte Lösung, regional angepasst

Der Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge hat die technische Basis aus St. Wendel übernommen und für sein Pflegeportal weiterentwickelt. Die Plattform hilft Pflegebedürftigen und Angehörigen, passende Angebote zu finden – von ambulanter Pflege über Tagespflege bis hin zu betreutem Wohnen.

Ein Ampelsystem zeigt auf einen Blick die Auslastung von Einrichtungen: Grün steht für freie Plätze, Gelb signalisiert Wartelisten, Rot zeigt volle Kapazitäten an. Damit entfällt das mühsame Abtelefonieren von Pflegeheimen. „Das Thema Pflege ist enorm wichtig. Das hat sich in unserer Bürgerbeteiligung deutlich gezeigt“, sagt Oliver Rauh, Projektleiter Smartes Fichtelgebirge. „Das Portal soll Transparenz schaffen, die Anbieter entlasten und vor allem dazu beitragen, dass Menschen so lange wie möglich im eigenen Zuhause bleiben können.“

Technisch basiert das Pflegeportal auf der Open-Source-Lösung aus St. Wendel, wurde aber um ein Ampelsystem und einen FAQ-Bereich ergänzt. Herausfordernd bleibt die Datenpflege: Unterschiedliche Quellen und viele Redakteurinnen und Redakteure machen regelmäßige Aktualisierungen nötig. Künftig sollen Automatisierungen und Rückmeldefunktionen diesen Aufwand verringern. 

Kommunale Entwicklungspartnerschaft „Gesundheitsplattformen“

Die Landkreise St. Wendel und Wunsiedel haben sich im Rahmen der MPSC-Arbeitsgruppe „Smarte Regionen“ mit weiteren Kommunen zusammengeschlossen, um gemeinsam das Thema Gesundheitsplattformen voranzutreiben. In regelmäßigen Treffen besprechen die Mitglieder gemeinsame Themen zur Weiterentwicklung ihrer Gesundheitsplattformen und stellen ihre Projekte vor. Die Gruppe ist offen für weitere Mitglieder, die sich zum Thema informieren oder mit eigenen Projekten die Zusammenarbeit bereichern wollen.

Weitere Informationen
 

Wuppertal: Klick.Klick.Fit und Digitaler Schatten

Ein Smartphone mit einem geöffneten Fitness-Modul auf einer Laufbahn, daneben zwei Mini-Hanteln.
Mit „klick.klick.fit“ bekommt die City-App bald ein Gesundheitsmodul. Maksym / stock.adobe.com

Auch in der Bergischen Metropole Wuppertal ist Gesundheit eine zentrale Säule der Smart-City-Strategie. Das Maßnahmenpaket „Gesundes Tal“ kombiniert eine App-Lösung mit datenbasierter Planung.

Ein zentrales Element ist das digitale Gesundheitsmodul „Klick.Klick.Fit“ innerhalb der Smart-City-App. Es bündelt Funktionen zu Bewegung, Ernährung, Wohlbefinden und sozialer Gesundheit. „Ein besonderes Highlight ist der sogenannte Vermittlungscoach: Das ist ein interaktiver Fragenkatalog, der an den Wahl-O-Mat erinnert“, berichtet Kader Chami, Smart-City-Expertin für das Kernprojekt „Gesundes Tal“. „Nutzerinnen und Nutzer können sich in den Bereichen Schlaf, Ernährung, Bewegung, Wohlbefinden und soziales Umfeld selbst einschätzen.“

Gemeinsam mit dem Institut für Medizinische Soziologie der Universitätsklinik Düsseldorf wurde hierfür ein passendes Fragen- und Scoring-Modell entwickelt. Das Ergebnis dieser Selbsteinschätzung liefert nicht nur individuelle Tipps und Informationen, sondern zeigt auch passende Angebote direkt in Wuppertal an. Nach zwei erfolgreichen Prototypenphasen wird Klick.Klick.Fit derzeit von einem externen Softwareentwickler umgesetzt. Die finale Testphase ist für das Frühjahr 2026 geplant, der offizielle Start der Anwendung soll dann im Herbst 2026 erfolgen.

Ein weiterer Baustein des Projekts ist der „Digitale Schatten“. Gemeinsam mit dem Institute for Technologies and Management of Digital Transformation der Bergischen Universität Wuppertal entwickelt die Stadt ein System, das Umwelt-, Gesundheits- und Sozialdaten sammelt und auswertet. Ziel ist es, Zusammenhänge zwischen Umweltbelastung, sozialer Lage und Gesundheitszustand sichtbar zu machen – als Grundlage für passgenaue Maßnahmen.
„Dabei entsteht ein Datenkatalog, der die Datensouveränität der Nutzerinnen und Nutzer stärkt“, erklärt Kader Chami. Die Daten werden streng anonymisiert und sicher verarbeitet. „Diese Datengrundlage bietet große Chancen, um Maßnahmen im Gesundheitsbereich gezielter zu gestalten“, so Chami weiter. 

Bis es soweit ist, werden derzeit noch Klima- und Umweltsensoren installiert sowie externe Datenquellen eingebunden. Eine erste aktive Testphase für den „Digitalen Schatten“ startet Anfang 2026 im Quartier Oberbarmen-Schwarzbach.

 

Ausblick auf kommende Studie: Potenziale der digitalen Daseinsvorsorge im ländlichen Raum

Wie kann Digitalisierung die Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen stärken? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer Studie, die im Frühjahr 2026 im Rahmen der Begleitforschung der Modellprojekte Smart Cities erscheinen wird. Viele Kommunen stehen vor der Herausforderung, trotz demografischen Wandels und knapper Ressourcen eine flächendeckende Daseinsvorsorge sicherzustellen. Im Gesundheitsbereich erschweren weite Wege, geringe Siedlungsdichte und fehlende Übersicht über Angebote den Zugang zu Versorgung.

Die Studie untersucht, wie digitale Lösungen – etwa Plattformen zur Vernetzung und Information – Versorgungslücken schließen und lokale Akteure wie Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen oder Initiativen besser einbinden und unterstützen können. Erste Erkenntnisse zeigen: Informationspooling über digitale Gesundheitsplattformen kann die Sichtbarkeit bestehender Angebote erhöhen und Bürgerinnen und Bürgern helfen, schneller passende Unterstützung zu finden.

Weitere Informationen im Steckbrief des Forschungsprojekts: Potenziale der digitalen Daseinsvorsorge im ländlichen Raum

Kontakt

Dorothee Fricke

DLR Projektträger
Chefredaktion KTS; Redaktion Smart City Dialog / Newsletter Praxiswissen
Tel.: +4922838211775