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Chicago

Array of Things – Stadtweite Messgeräte als “Fitnesstracker” für die Kommune

In Chicago schafft das Array of Things durch vernetzte Sensorik und Echtzeitanalysen eine neue Grundlage für datenbasierte Stadtplanung und urbane Forschung.

Steckbrief

Das Array of Things (AoT) ist ein gemeinsames Projekt der Stadt Chicago, der University of Chicago und des Argonne National Laboratory. Ziel des 2010 gestarteten Projekts ist es, urbane Daten in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu erfassen, um stadtplanerische Entscheidungen evidenzbasiert zu unterstützen und Forschung zu Umwelt-, Infrastruktur- und Gesundheitsfragen zu ermöglichen. Aufgrund des Erfolgs wurde das Konzept in einem Folgeprojekt auf das gesamte US-Bundesgebiet ausgeweitet und unter dem Namen SAGE fortgeführt – mit Anwendungen auch außerhalb städtischer Räume.

Kern der Lösung ist ein stadtweites Netzwerk aus modularen AoT-Messgeräten, die an Straßenlaternen installiert sind und eine Vielzahl von Parametern – von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lärm bis hin zu Verkehrs- und Bewegungsdaten – erfassen. Die Geräte verfügen über eigene Rechenleistung, sodass die Datenauswertung direkt vor Ort erfolgt. Trotz Ton- und Bildaufnahmen wird der Datenschutz gewährleistet, da nur aggregierte Ergebnisse an die offene Datenplattform Waggle übermittelt werden, was den Datenverkehr reduziert

Über diese Datenplattform können Forschende und kommunale Akteure gleichzeitig und unabhängig auf die Daten zugreifen, Analysen durchführen und Sensoren für neue Messaufgaben konfigurieren. Die gesammelten Daten ermöglichen es, Zusammenhänge zwischen Umweltqualität, Mobilität und sozialräumlicher Gesundheit sichtbar zu machen – etwa zur Frage, warum sich die Lebenserwartung in benachbarten Stadtvierteln unterscheidet.

Was macht die Smart City Lösung besonders wirkungsvoll? 

Das Array of Things verbindet technologische Innovation mit guter Governance. Politischer Rückhalt, vertrauensvolle Beziehungen zwischen Stadtverwaltung und Forschung sowie gegenseitiges Verständnis für unterschiedliche Arbeitsweisen ermöglichten es, wissenschaftliche Ansätze direkt in die städtische Praxis zu übertragen. 

Hintergründe des Projektes

Lokale Herausforderungen

Lokale Herausforderungen

Trotz seiner wirtschaftlichen Stärke steht Chicago vor großen stadtplanerischen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Zwischen den dicht bebauten Innenstadtquartieren und den peripheren Stadtteilen bestehen deutliche Unterschiede in Luftqualität, Verkehrsdichte und Lebenserwartung.

Chicago ist mit über 2,5 Mio. Einwohnenden zudem die drittgrößte Stadt der Vereinigten Staaten von Amerika und liegt mit einer Bevölkerungsdichte von 4.668 Personen je Quadratkilometer genau im US-amerikanischen Schnitt. Die Metropolregion Chicago, in der 9,7 Mio. Menschen leben, liegt auf Platz neun der wirtschaftsstärksten Metropolregionen weltweit. Chicago ist ein bedeutender Industriestandort und Messeplatz. Dennoch sind die größten Auftraggeber (US-Regierung, Stadt Chicago und Schulen) öffentlich.

Ansatz zur Projektentwicklung

Ansatz zur Projektentwicklung

Das Forschungsprojekt wird durch die National Science Foundation (NSF) gefördert und entstand aus einer Kooperation der University of Chicago, des Argonne National Laboratory und der Stadt Chicago. Die Ursprungsidee war, die Kommune Chicago umfangreich durch das Netz an AoT-Geräten abzudecken. Durch den Erfolg und die Folgeprojekte wurde die Reichweite auf das US-Bundesgebiet erweitert und die Messgeräte auch außerhalb von Städten angewandt. Dort werden die Messgeräte insbesondere bei der Überwachung von Waldbränden und der Bekämpfung von Dürren eingesetzt.

Ein wichtiger Bestandteil der Projektes war es, dieses in ausführlichen Beteiligungsformaten zu entwickeln. Darunter fallen sowohl öffentliche Bürgertreffen, als auch Workshops, in denen zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Bedenken rund um das Projekt äußern konnten. 

Smart City Dialog City Diagramms Chicago
Creative Climate Cities

Weitere Informationen

Entwicklung und Umsetzung

Entwicklung und Umsetzung

Zielgruppen

Forschungspartnerinstitutionen: Derzeit können die AoT-Geräte nur im Rahmen von Projekten erworben werden, die durch die National Science Foundation (NSF) finanziert werden. Zudem werden eigene Programmiererinnen oder Programmierer gebraucht, um die Datenplattform nutzen zu können. Dies ergibt sich daraus, dass die Messungen durch die AoT-Geräte programmiert werden müssen. Dementsprechend richtet sich das Projekt zurzeit an Forschungseinrichtungen, die selbst wiederum mit Städten kooperieren. Eine internationale Kooperation ist möglich, wenn eine ausländische Forschungseinrichtung mit einer im Projekt involvierten Institution kooperiert. Dies ist zum Beispiel der Fall bei der Academia Sinica, die über eine Kooperation in das Projekt integriert ist und mit der Stadt Taipei zusammenarbeitet.

Stadtverwaltungen: Die Ergebnisse der AoT-Geräte kommen vor allem Stadtverwaltungen zugute. Sie schaffen eine Entscheidungsgrundlage, indem sie einen umfassenden Datensatz über die Stadt erheben. Diese Daten können vielfältig genutzt werden, beispielsweise um Fußverkehr in der Stadt zu steuern oder das Mikroklima in verschiedenen Stadtregionen zu messen.

Zukünftig breitere Zielgruppe: Im Folgeprojekt SAGE wird durch zwei Maßnahmen versucht, zukünftig die Übertragbarkeit der Lösung zu erhöhen. Die Interaktion mit den Messgeräten, die anhand von Programmierung funktioniert, soll durch KI erheblich erleichtert werden. Das Ergebnis wäre eine Interaktion, die vergleichbar mit ChatGPT ist und somit von deutlich mehr Personen ohne Programmierkenntnisse verwendet werden kann. Darüber hinaus wird geprüft, ob die AoT-Geräte 2026 außerhalb von NSF-finanzierten Projekten verfügbar gemacht werden könnten.

Umsetzungspartner

Das Forschungsprojekt rund um Array of Things wurde vom Argonne National Laboratory und der University of Chicago in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Chicago umgesetzt. Eine zugehörige Governance-Strategie wurde gemeinsam von den Forschungseinrichtungen mit dem City of Chicago Department of Innovation and Technology (DOIT) entwickelt. In diesem Kontext wurde ein Exekutivkomitee errichtet, das sich aus Mitgliedern der Wissenschaft, der Stadtverwaltung und der Zivilgesellschaft zusammensetzt. Die Installation der Geräte auf dem Stadtgebiet erfolgte durch das City of Chicago Department of Transportation (CDOT). Bei Beteiligungsformaten waren weitere städtische und zivilgesellschaftliche Akteure wie der Chicago Parks District beteiligt. 

Prozessschritte
  • Ursprüngliche Projektidee
  • Gemeinsame Übereinkunft mit zentralen Akteuren (Chief Technology Officer, Commissioner for Transportation, Chief Information Officer), um Wünsche und Vorstellungen zwischen Stadt und Forschungseinrichtungen abzugleichen
  • Einrichtung regelmäßiger Treffen zwischen der Stadt und den Forschungseinrichtungen
  • Organisation von Workshops, um das Projekt mit der Fachöffentlichkeit zu diskutieren. Das Ergebnis war eine Liste an Kennwerten, die die Geräte messen können müssen.
  • Entwurf eines technischen Designs der AoT-Geräte
  • Bewerben auf Förderung anhand des Designs (Macarthur Foundation und National Science Foundation)
  • Entwicklung eines Prototypen
  • Durchführung weiterer Workshops, um spezifische Fragen zu klären

Aufstellung Ursprüngliche Projektidee

  • Gemeinsame Übereinkunft mit zentralen Akteuren (Chief Technology Officer, Commissioner for Transportation, Chief Information Officer), um Wünsche und Vorstellungen zwischen Stadt und Forschungseinrichtungen abzugleichen
  • Einrichtung regelmäßiger Treffen zwischen der Stadt und den Forschungseinrichtungen
  • Organisation von Workshops, um das Projekt mit der Fachöffentlichkeit zu diskutieren. Das Ergebnis war eine Liste an Kennwerten, die die Geräte messen können müssen.
  • Entwurf eines technischen Designs der AoT-Geräte
  • Bewerben auf Förderung anhand des Designs (Macarthur Foundation und National Science Foundation)
  • Entwicklung eines Prototypen
  • Durchführung weiterer Workshops, um spezifische Fragen zu klären

Aufstellung der Geräte (circa 130 in Chicago während des AoT-Projektes; circa 130 über das US-Bundesgebiet im anknüpfenden SAGE-Projekt)der Geräte (circa 130 in Chicago während des AoT-Projektes; circa 130 über das US-Bundesgebiet im anknüpfenden SAGE-Projekt)

Technische Infrastruktur

Die im Projekt verwendeten Messgeräte sowie die Datenplattform wurden selbst entworfen. Die Messgeräte können modular zusammengesetzt werden.

Hardware

  • Sensoren (zum Beispiel: Bosch BME280 für relative Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und Temperatur)
  • Mikrofone (zum Beispiel: Knowles SPV1840LR5H-B)
  • Kameras (zum Beispiel: Hanwha Techwin XNV-8081Z)
  • LoRaWAN-Anbindung

Eine ausführliche Liste der Module findet sich hier.

Software 

Die Software Waggle ist Open Data und Open Source. Sie besteht aus drei Hauptsubsystemen

  • Beekeeper: authentifiziert und steuert die einzelnen Messgeräte.
  • Beehive: aggregiert und speichert die Daten
  • Edge Code Repository (ECR): Im ECR liegen die einzelnen Anwendung ab, die mit den Messgeräten interagieren oder die Daten weiterverarbeiten.

Der Code sowie weitere Erklärungen liegen hier ab.

Datenmodell und -grundlagen

Einer der Beweggründe, die im Projekt entwickelten AoT-Geräte mit eigener Rechenleistung („Edge-Computing”) auszustatten, ist der dadurch erhöhte Datenschutz. Dieses Vorgehen ermöglicht es, den Bürgerinnen und Bürgern genau zu erklären, was durch die Geräte aufgezeichnet und unter welchen Bedingungen Daten vom Gerät zur Plattform weitergeleitet werden. Ferner erlaubt das Edge-Computing, bereits verarbeitete Daten weiterzuleiten, sodass meistens die originären Bilder nicht an die Plattform weitergeleitet werden. Einzig um die KI zu trainieren, wird pro Gerät alle 15 Minuten ein Bild gespeichert. Forschende, die auf die erhobenen Bilder und Daten zugreifen wollen, müssen Datenschutzbestimmungen unterschreiben und Verwendungszwecke angeben.

Insgesamt erheben die AoT-Geräte folgende Daten: Temperatur, Luftdruck, Licht, Vibrationen, Feinstaub (PM2,5), Kohlenmonoxid, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid, Ozon, Bilder und Umgebungsgeräusche. Die gesammelten Daten sind im Besitz der Universität Chicago und nicht der Kommune. Dies hängt damit zusammen, dass die Universität bereits Policies zum Umgang mit solchen Daten hatte und ein städtischer Besitz mit erhöhten Kosten einhergegangen wäre. Die Stadt Chicago hat jedoch eine Vereinbarung, dass sie kostenfrei auf diese Daten zugreifen kann.

Zurzeit ist es nur möglich, im Rahmen von Forschungskooperationen an die entwickelten Geräte zu kommen oder an die Softwareplattform angebunden zu werden. Eine Öffnung dieses Prozesses, zum Beispiel in Form eines käuflichen Erwerbs, wird im Moment geprüft. Dennoch ist die Nutzung der öffentlich zugänglichen Daten kostenfrei und der Code frei verfügbar. Die AoT-Geräte sind aufgrund der verbauten Sensoren und Computer kostenintensiv. 

Interviewpartner