Eine Abfallentsorgung unterstützt durch Sensoren
Stadt Gera

Smarte Glasentsorgung – vom Einwurf bis zur Entleerung

Die smarte Altglas-Entsorgung ist effizient, nachhaltig und komfortabel – für Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für Entsorgungsunternehmen.

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Die Stadt Gera setzt auf eine intelligente, digitale Lösung, um Glascontainer effizienter, Ressourcen schonender und bedarfsgerechter durch Passanten zu füllen und durch die städtische Müllentsorgung zu leeren. 

Die Lösung besteht aus drei Bestandteilen: 

  1. Die Weißglas-Container im Stadtgebiet sind mit Sensoren ausgestattet, welche Daten über die Container-Füllstände an das zuständige Entsorgungsunternehmen übermitteln.
  2. Eine KI-gestützte Routenplanung koordiniert die Fahrten der Müllentsorger zur Leerung der Container so, dass überflüssige Fahrten vermieden werden – ebenso wie Überfüllungen der Glascontainer. 
  3. Eine mobile Abfallwirtschafts-App für Bürgerinnen und Bürger, die „Bürger-Abfall-App“, ermöglicht es den Einwohnern, Container-Füllstände jederzeit einzusehen und nachzuvollziehen. Darüber hinaus verknüpft die App verschiedene digitale Dienstleistungen der Abfallwirtschaft, wie zum Beispiel das Melden von „wilden Müllablagerungen“ mit Foto und Standort, eine Übersicht über Gebrauchtwarenhäuser oder eine Plattform, um Dinge zu verschenken. 

Die smarte Glasentsorgung löst zwei Probleme in Gera: Hohe CO2-Emissionen lassen sich reduzieren, denn Fahrten zur Leerung der Glascontainer richten sich nicht mehr länger nach Durchschnittswerten. Zugleich vermeiden die Sensoren, dass es zu überfüllten Containern und damit auch zu Unmut bei den Bürgerinnen und Bürgern kommt. 

Die Software zur Routenplanung und das Framework der „Bürger-Abfall-App“ sind Open Source und können von anderen Kommunen genutzt werden. Damit bietet die Maßnahme nicht nur einen direkten Mehrwert für die Stadt Gera, sondern dient auch als Modell für digitale Abfallwirtschaftslösungen in anderen Städten. 

Was macht die Smart City Lösung besonders wirkungsvoll? Wie kann Ihre Kommune davon profitieren, die Lösung übertragen und nachhaltig nutzen? Entdecken Sie hier die Schlüsselfaktoren für den Erfolg dieser Lösung.

Erfolgsfaktoren zur Zielerreichung

Inhouse Programmierung, Montage und eigene Funkinfrastruktur

Die Stadt Gera setzte auf eine eigene Softwareentwicklung und technische Infrastruktur. Die Programmierung mit eigenem Personal umzusetzen, erlaubte es, auf veränderte Bedarfe und neue Erkenntnisse im Entwicklungsprozess flexibel zu reagieren, ohne auf externe Dienstleister angewiesen zu sein. Zusätzlich verfügt die Stadt nun über eigenes Personal für die Montage und Wartung der Sensoren und kann auf das bereits bestehende, kostengünstige LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) zurückgreifen. Damit ist eine langfristige Betriebsfähigkeit sichergestellt und externe Abhängigkeiten reduziert.

Zusammenarbeit mit Entsorgungsunternehmen 

Ein privates Entsorgungsunternehmen ist für die Altglas-Entsorgung in Gera verantwortlich. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, der Abfallwirtschaftszweckverband (AWV), hingegen ist für den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern und das Management der Entsorgung zuständig. 

Die IT-Abteilung des AWV entwickelte die Idee zur Effizienzsteigerung und Emissionsreduktion bei der Altglas-Entsorgung und konnte mit den Geraer Umweltdiensten eine Zusammenarbeit für die smarte Müllentsorgung etablieren. Ein Plus: So erhält die IT-Abteilung fortlaufend Feedback zur Routenplanung und kann die Sensoren optimieren. 

Erfolgsfaktoren zur Übertragbarkeit

Nutzung offener Standards und Software-Komponenten 

Die Routenplanung sowie die „Bürger-Abfall-App“ basieren auf offenen Standards und Open-Source-Technologien, wodurch die Lösung kostengünstig, übertragbar und langfristig nutzbar ist. Die Entwicklung der App mit dem MAUI-Framework (Multi-Platform-App UI) ermöglicht eine gleichzeitige Bereitstellung für iOS und Android. Somit kann eine Kommune Entwicklungsaufwände minimieren und Updates effizient umsetzen. Besonders für andere Kommunen ist die Referenzserver-Architektur der App von Bedeutung: Die Software-Architektur lässt sich leicht übernehmen, während jede Stadt ihre eigenen Daten über eine eigene Server-Instanz einspielen kann.

App-Übertragung ohne Programmierkenntnisse

Gera hat es sich zum Ziel gesetzt, das grundlegende App-Framework der „Bürger-Abfall-App“ als Low-Code-Lösung auch für Kommunen, die nicht über eigene Programmierkompetenzen verfügen, übertragbar zu machen. Dabei kann das Framework nicht nur für den Bereich der Abfall-Entsorgung genutzt werden, sondern auch als allgemeine Bürger-App: Es stehen Komponenten wie ein „Melder“, Informationsseiten sowie Kontaktmöglichkeiten zu Behörden zur Verfügung. 

Wichtige Erkenntnisse zur Nutzung der Füllstandssensorik

Die Erkenntnisse, die Gera zum Einsatz der Füllstandssensoren gemacht hat, können gewinnbringend in die Übertragung in andere Kommunen einfließen. Dies betrifft vor allem:

  • die eingesetzte Hardware, also die Arten von Sensoren und deren Funknetz-Kompatibilität (zum Beispiel ausschließlich LoRaWAN oder auch andere Möglichkeiten), 
  • die Validität der Füllstandsdaten, 
  • die Übertragbarkeit der Füllstandsdaten des Weißglases auf Grün- und Braunglas (so sind Weiß- und Grünglas-Füllstände vergleichbar, Braunglas muss zusätzlich erhoben werden), 
  • die benötigte Rate der Datenübertragung (hier zum Beispiel die Übermittlung des Füllstandes alle zwölf Stunden, um die Lebensdauer der Batterie zu maximieren und aufwändige Batteriewechsel zu minimieren) sowie

die Anbringung und Haltbarkeit der Sensoren (zum Beispiel die Notwendigkeit schlagfester Gehäuse). 

Erfolgsfaktoren zur Verstetigung

Kenntnis der Betriebs- und Wartungskosten 

Die Erfahrungen in der Erprobung der Sensoren und in der Datenübertragung ermöglichen Gera, anfallende Betriebs- und Wartungskosten zu berechnen. Die Datenübertragungsrate der Sensoren konnte außerdem so optimiert werden, dass die Batterien der Sensoren bis zu zehn Jahre halten könnten. Entsprechend kalkuliert der Abfallwirtschaftszweckverband die notwendigen regulären Wartungsfahrten. Wartungsfahrten aufgrund von Sensorschäden lassen sich zudem durchschnittlich kalkulieren. 

Langfristige Nutzbarkeit der Sensorik und Software

Die angeschafften Sensoren, die Software zur Füllstandsüberwachung und zur Routenplanung können allesamt langfristig eingesetzt werden. Sowohl durch die Hardware als auch durch die Software entstehen geringe laufende Kosten. Der Betrieb ist langfristig gesichert, da der AWV die laufenden Kosten übernimmt. Gleiches gilt für den Betrieb der „Bürger-Abfall-App“. Hier entstehen lediglich Kosten für Server und Updates. 

Umsetzungsstruktur des Projekts in Gera
Creative Climate Cities

Weitere Informationen

Ausgangsbedingungen und Ziele

Lokale Herausforderungen

Die Stadt Gera verfügt über knapp 200 Glascontainer-Standorte, deren Platzierung vertraglich geregelt ist. Sie orientiert sich an der Einwohnerzahl sowie der Entfernung der Wohnungen der Bürgerinnen und Bürger. Abhängig von Standort und Jahreszeit variiert der Füllstand der Container stark. Besonders hohe Auslastungen treten nach Feiertagen wie Weihnachten und Silvester auf. Da Altglas in Gera – wie auch in anderen Städten – als einziges Abfallprodukt einer Bringpflicht unterliegt, sind die Bürgerinnen und Bürger selbst für die Entsorgung verantwortlich. 

Die Füllstände der Container regelmäßig personell zu überprüfen, ist der Kommune jedoch nicht möglich. Ohne eine zuverlässige Erfassung der Füllstände führt dies daher häufig zu überfüllten oder verschmutzten Sammelplätzen, die nicht nur das Stadtbild beeinträchtigen, sondern auch Sicherheitsrisiken wie Glasbruch bergen. Gleichzeitig können ineffiziente Entleerungsrouten dazu führen, dass Container mehrfach angefahren werden oder es zu unnötigen Leerfahrten seitens des Entsorgungsbetriebs kommt. Bisher war es auch nicht möglich, den Füllstand der Glascontainer extern zu erkennen. Dies hat die Planung der Entsorgung zusätzlich erschwert und zu einem vermeidbaren CO2-Ausstoß geführt.

Planungsziele

Die smarte Müllentsorgung löst Herausforderungen insbesondere im Handlungsfeld „Lebenswerte Stadt mit urbaner Mitte“. Smarte eingesetzte Technologien machen die Glasentsorgung effektiver. Dies trägt direkt zur Steigerung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum bei. 

Gleichzeitig leistet die Maßnahme einen wichtigen Beitrag zur klimagerechten Stadtentwicklung im Sinne des ISEK-Ziels „Grünstadt Gera“. Mittels KI-gestützter Tourenplanung kann die Abfallentsorgung mit minimalem Fahrzeug- und Personaleinsatz erfolgen. Zudem macht die „Bürger-Abfall-App“ die Glasentsorgung für Bürgerinnen und Bürger komfortabler. Besonders für ältere oder mobilitätseingeschränkte Personen bedeutet dies eine spürbare Erleichterung im Alltag, da sie unnötige Umwege vermeiden können, wenn sie dank der App wissen, dass ein Container überfüllt ist. 

Ansatz zur Wirkungsmessung

Die Stadt Gera und der Abfallwirtschaftsverband messen über verschiedene Indikatoren die Wirkungen der smarten Glasentsorgung: 

  • Häufigkeit der Entleerfahrten 
  • Anzahl von Anfragen und Beschwerden durch Bürgerinnen und Bürger 
  • Download- und Nutzungszahlen der „Bürger-Abfall-App“ (insgesamt und in den einzelnen Bereichen der App, vor allem Container-Standorte, Leerungsinformationen und Füllstandsinformationen) 

Die Entleerfahrten konnten bisher nicht reduziert werden, allerdings sind sie deutlich effizienter, sodass überfüllte Container nur noch selten vorkommen. Es zeigt sich, dass vor allem der App-Bereich mit den Informationen zur Leerung häufig genutzt wird. Die Anzahl der Beschwerden über überfüllte Container ist deutlich zurückgegangen.

Entwicklung und Umsetzung

Prozessschritte

  1. Hardwarebeschaffung und Konzepterstellung: 
    1. Anschaffung der notwendigen Hardware und Sensoren 
    2. Erstellung einer User Story für die „Bürger-Abfall-App“, Entwicklungskonzept und Ressourcenplanung
    3. Konzept für die Ausstattung der Weißglas-Behälter mit Sensoren und individuelle Festlegung der Übertragungstechnik
  2. erste Welle der Ausstattung der Weißglas-Behälter mit Sensoren (10 Stück), Schnittstellenprogrammierung
  3. Aufbau einer Softwarestruktur zur Entwicklung und Veröffentlichung der „Bürger-Abfall-App“
  4. erster Entwicklungsabschnitt des übertragbaren App-Frameworks, Dokumentation der bisherigen Open-Source-Entwicklung und Veröffentlichung 
  5. Entwicklung des öffentlichen Bereichs der „Bürger-Abfall-App“ und Veröffentlichung
  6. Einführung einer Tourenplanung zur optimierten Routenplanung der Glasbehälter mit Bezug zu Füllständen sowie von Fahrer-Endgeräten zur Visualisierung der Tour
  7. zweiter Entwicklungsabschnitt des App-Frameworks und Dokumentation: lauffähiges Sicherheitsmodul zum Austausch von personenbezogenen Daten, Entwicklung des gesicherten Bereichs der „Bürger-Abfall-App“ mit erstem Modul An-, Ab-, Ummeldung (in Umsetzung)
  8. zweite Welle der Ausstattung mit Sensoren (190 Stück)
  9. Entwicklung und Veröffentlichung eines Webeditors zur Konfiguration des App-Frameworks 
  10. Entwicklung und Integration der weiteren Module des geschützten Bereichs der „Bürger-Abfall-App“ (in Planung)
  11. Übertragung auf andere Gebietskörperschaften im ostthüringischen Raum (in Planung)

Governance

Die smarte Müllentsorgung wird federführend vom Abfallwirtschaftszweckverband (AWV) umgesetzt. Der AWV entwickelte das Konzept und reichte das Projekt im Rahmen der Smart-City-Strategie ein. Die Software-Entwicklung erfolgte vollständig inhouse beim AWV, da die Mitarbeitenden in der IT-Abteilung über entsprechende Programmierkenntnisse verfügen. 

Ein zentraler Kooperationspartner ist das Entsorgungsunternehmen, das auf Grundlage der übermittelten Sensordaten die Entleerfahrten optimiert. Betrieb und Wartung der Lösung erfolgen ebenfalls über den AWV. Der AWV setzt eine Skalierung der Lösung in Ostthüringen um.  

Kosten bei Beschaffung

  Personalkosten / alternativ Personentage Sachkosten investive Kosten
Anschaffung 151.000 € 41.600 € 40.000 €
Betrieb  20 Personentage / Jahr   1.000 € / Jahr   2.500 € / Jahr

Projektbudget: 232.600 

Partizipation und Kommunikation

Der regelmäßige Austausch mit dem Entsorgungsunternehmen – alle vier Wochen im Qualitätsmanagement-Gespräch – und der enge Kontakt mit dem Abfuhrpersonal ermöglichen eine praxisnahe Einführung der smarten Müllentsorgung. So optimiert die Stadt die Entleerfahrten sowohl technisch als auch organisatorisch.

Die gezielte Vermarktung der „Bürger-Abfall-App“ über verschiedene Kommunikationskanäle (Amtsblatt des Abfallwirtschaftszweckverbands (AWV), Amtsblatt der Stadt Gera, Stadtjournal „Die 5 Tore“, Beratungsstände zu Veranstaltungen, Vorstellung der App bei verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen wie dem „Digitalen Dienstag“ in der Bibliothek, im Wahlkreisbüro und beim „Bundesweiten Digitaltag“) machte sie in der Bevölkerung bekannt und hat zur aktiven Nutzung durch die Bürgerinnen und Bürger beigetragen. 

Technische Infrastruktur

Sensorik, Datenübertragung und Routenplanung: 

  • Sensoneo-Sensoren (unterstüzen sowohl Sigfox, also LPWAN als auch LoRaWAN)
  • Dragino-Sensoren (unterstützen ausschließlich LoRaWAN)
  • Datenübertragung per LoRaWAN und LPWAN
  • Software zur Routenplanung wird auf OpenCode.de zur Verfügung gestellt

Framework der „Bürger-Abfall-App“: 

  • Framework: XAML Framework zur App-Entwicklung
  • Plattform übergreifende Kompatibilität: App basiert auf .NET-Technologien, wodurch sie ohne weitere Anpassungen auf verschiedenen Geräten und Betriebssystemen läuft
  • In-App-Update-System: ermöglicht automatische Aktualisierungen der App, um neue Inhalte oder Funktionen bereitzustellen
  • modular und erweiterbar: Framework erlaubt individuelle Anpassungen durch benutzerdefinierte Erweiterungen, wodurch neue Funktionen unkompliziert hinzugefügt werden können
  • Hybrid-WebView-Unterstützung: App verfügt über FrameworkWebView-Funktion, mit der Webseiten oder statische HTML-Inhalte direkt in der App angezeigt werden können; JavaScript innerhalb dieser Seiten kann mit nativen Gerätefunktionen interagieren, wodurch eine tiefere Integration zwischen Web- und App-Technologien ermöglicht wird

Das AppFramework wird unter der GNU General Public License Version 3 (GPLv3) veröffentlicht. Das bedeutet, dass die Software frei nutzbar, veränderbar und weiter verbreitbar ist, solange alle Weiterentwicklungen und abgeleiteten Werke ebenfalls unter der GPLv3-Lizenz veröffentlicht werden. Nutzerinnen und Nutzer dürfen den Code anpassen und weitergeben, müssen jedoch den Quellcode offenlegen und die ursprünglichen Urheberinnen und Urheber nennen.

Datengrundlagen

Vor der Einführung der smarten Müllentsorgung basierte die Glascontainer-Entleerung auf festen Tourenplänen, die unabhängig vom tatsächlichen Füllstand der Container durchgeführt wurden. Es gab keine genaue Erfassung der zurückgelegten Kilometer, wodurch die gefahrenen Strecken nur geschätzt werden konnten. Mit der neuen datenbasierten Lösung können nun die Gesamtmengen der alten und neuen Touren verglichen werden. Die aktuellen Füllstandsdaten der Glascontainer werden an ein zentrales Datenportal bei der AWV übermittelt. Von dort aus gehen sie an die interne IT des Entsorgungsunternehmens, die sie weiterverarbeitet und über eine API (Programmierschnittstelle) an die Stadt Gera weiterleitet.

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