Radfahrer auf einer Straße mit Bäumen und Häusern
Smart Cities leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Resilienz von Städten und Gemeinden. photoschmidt – stock.adobe.com

Resilienz in der Smart City: krisensichere Städte und Regionen

Wie krisensicher und anpassungsfähig sind unsere Städte und Regionen? Wie können digitale Lösungen Kommunen dabei helfen, sich besser an sich immer schneller wandelnde Umweltbedingungen anzupassen? Unter dem Stichwort „Resilienz“ rückt die Widerstands- und Zukunftsfähigkeit von urbanen Räumen zunehmend in den Fokus. Die neue Publikation „Resilienz in der Smart City“ aus der Begleitforschung der Modellprojekte Smart Cities macht das Konzept als Grundgerüst einer nachhaltigen Stadtentwicklung greifbar.

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Interaktive Grafik Resilienzstrategien Der Zustand von kommunaler Abwasserinfrastruktur kann mittels Prognosetools kontinuierlich überprüft und proaktiv gesteuert werden. Redundante Rückhalteräume schaffen Kapazitäten, um auf die Folgewirkungen extremer Wetterereignisse wie Starkregen zu reagieren. Click & Collect trägt im Einzelhandel dazu bei, dass Geschäfte ihre Waren über weitere Wege vertreiben können. Ein vielfältiges Mobilitätsangebot ermöglicht den Stadtbewohnerinnen und -bewohnern situativ und spontan, zum Beispiel bei Ausfall eines Verkehrsangebots, zwischen unterschiedlichen Mobilitätsformen auszuwählen. Eine dezentrale Energieversorgung mit unterschiedlichen erneuerbaren Energiequellen erhöht die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und die Versorgungssicherheit bei Nachfrageschwankungen. Modulare netzgebundene Infrastrukturen (z. B. Strom- oder IT-Netze) können Kaskadeneffekte verhindern. Solche „Feuersperren“ sind bei kritischen Infrastrukturen wichtig, um den Zusammenbruch ganzer Systeme zu verhindern. Mithilfe unabhängiger Kommunikationsnetze kann im Falle eines Katastrophenereignisses die Koordinierung von Ressourcen und Hilfeleistungen aufrechterhalten werden. Umweltsensoren können Daten zur Luftqualität bzw. ‐ verschmutzung in Echtzeit erheben. Bei Überschreitung von Grenzwerten können in den Städten und Gemeinden notwendige Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Redundanzen sind Elemente in der Stadt, die mehrfach vorgehalten werden. Diversität bedeutet, dass bei einer Störung vielfältige Lösungsmöglichkeiten bestehen. Modularität beschreibt Strukturen mit mehreren voneinander abzukoppelnden Teilen. Feedback-Loops zirkulieren und verarbeiten Informationen in der Stadt. Legende

Interaktive Grafik: Resiliente Systeme in der Stadt. Wenn Sie mit der Maus über die Bilder fahren, werden die Beispiele angezeigt © BBSR/DLR Projektträger

Das Projekt analysiert bestehende Methoden, Werkzeuge, innovative Strategien und Governance-Konzepte zur systematischen Stärkung kommunaler Resilienz in der Stadtentwicklung und zeigt praktische Perspektiven für deutsche Kommunen auf.

Der Klimawandel, die Corona-Pandemie oder Bedrohungslagen wie der Krieg gegen die Ukraine: Aktuelle Krisen verdeutlichen, wie vulnerabel unsere städtischen Systeme sind. Kommunen stehen vor der Herausforderung, resilienter zu werden. „In Deutschland wurde Resilienz lange Zeit mit Katastrophenschutz gleichgesetzt. Inzwischen hat hier ein Bewusstseinswandel stattgefunden“, sagt Jochen Rabe, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Wasser Berlin (KWB). Die Resilienz von Städten und Gemeinden zu erhöhen, bedeute nämlich gleichermaßen, sowohl gegenüber akuten Schocks – wie etwa einer Flut – widerstandsfähig zu sein als auch aktiv eine Transformation in Richtung einer nachhaltigen Zukunft zu gestalten. „Wir brauchen Resilienz, um den Wandel, den wir wollen, herbeizuführen“, so Rabe, der bis 2022 die Professur für „Urbane Resilienz und Digitalisierung“ am Einstein Center Digital Future der Technischen Universität (TU) Berlin innehatte.

Rabe ist sicher: Smart Cities und der Weg zur resilienten Stadt sind untrennbar miteinander verbunden. Denn Digitalisierung eröffnet vielfältige Möglichkeiten, um urbane Resilienz zu stärken, etwa durch verbesserte Informations- und Planungsgrundlagen wie das Echtzeit-Monitoring von Umwelt- und Wetterdaten wie beim Klimamessnetz Mannheim. Ein weiteres von vielen Beispielen aus den vom Bund geförderten Modellprojekten Smart Cities kommt aus Darmstadt Hier werden Konzepte zum nachhaltigen Umgang mit Wasser entwickelt. Darmstadt will so zur Pilotstadt für innovative Wassermanagementlösungen und wassersensible, smarte Stadtentwicklung werden. Über 30 Modellprojekte Smart Cities haben sich in einer Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft (AEG) zum Thema „Klimaschutz, Klimaanpassung und Resilienz“ zusammengeschlossen.

Die Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft der Modellprojekte Smart Cities zu „Klimaschutz, Klimaanpassung und Resilienz“

Die Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft der Modellprojekte Smart Cities zu „Klimaschutz, Klimaanpassung und Resilienz“

Die Arbeitsgemeinschaft beschäftigt sich zentral mit folgenden Fragestellungen:

  • Wie können datengetriebene Klimafolgenabschätzungen in die Entscheidungsgrundlagen kommunaler (Verwaltungs-)Prozesse eingebettet werden?
  • Was ist das technische Potenzial digitaler Lösungen, um lokale Auswirkungen des Klimawandels zu bewerten und um die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen?
  • Wie können konkrete Organisationsstrukturen und Handlungsabläufe geschaffen werden, anhand derer sich die Umsetzung von Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen realisieren lässt?

In Unterarbeitsgruppen zu den Themen „Energie“, „Wasser“, „Luft/Hitze/Lärm“, „Datenprozesse“ und „Zivilgesellschaft“ tauschen die beteiligten Kommunen ihre Erfahrungen aus und entwickeln zusammen kreative Lösungen. Alle Ergebnisse werden im Verlauf des Jahres 2023 als sogenannte „Lessons Learned“ und „Best Practices“ zusammengefasst. Sie sollen allen Kommunen zur Verfügung gestellt werden.

Neue Publikation stellt Merkmale resilienter Systeme in den Mittelpunkt

Um die Frage, wie Kommunen besser mit Krisen umgehen und proaktiv eine nachhaltige Zukunft gestalten können, geht es auch in der aktuellen Publikation aus der Begleitforschung der Modellprojekte Smart Cities „Resilienz in der Smart City“. Das Autorenteam vom Kompetenzzentrum Wasser Berlin und dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) zeigt auf, warum es effektiv sein kann, sich in der Smart-City-Strategieentwicklung stärker mit dem Konzept der Resilienz zu befassen. Resilienz kann, so heißt es in der Studie, dabei sowohl als eigenständiges Element einer integrierten, nachhaltigen Stadtentwicklung entwickelt als auch als Querschnittsthema und Managementansatz in Smart-City-Strategien verankert werden. Die Autorinnen und Autoren stellen anhand kommunaler Fallbeispiele vor, wie vier zentrale Merkmale resilienter Systeme – Feedback-Loops, Modularität, Diversität und Redundanz – insbesondere dann zu einer Stärkung kommunaler Resilienz beitragen können, wenn digitale Dateninfrastrukturen und Steuerungstools eingesetzt werden. Aus der Betrachtung nationaler, europäischer und internationaler Beispiele leiten sie zentrale Handlungsempfehlungen ab, mit deren Hilfe ein „Resilienzdenken“ in der kommunalen Praxis gestärkt werden kann.

Es gilt:

  • Resilienz als Querschnittsthema in allen kommunalen Entscheidungsprozessen und -verfahren zu verankern,
  • die Entwicklung und Umsetzung von Resilienzstrategien an vorhandenen Strategien zu orientieren und diese flankierend zu unterstützen,
  • „Resilienzdenken“ zu vermitteln und fachübergreifende Kooperationen zu etablieren, • Digitalisierung als Chance für die Entwicklung resilienter Systeme zu verstehen und potenzielle Risiken frühzeitig zu adressieren,
  • in fachliche, personelle und finanzielle Ressourcen zur Steigerung urbaner Resilienz zu investieren und
  • schließlich Resilienz als Fähigkeit zu nutzen, um den gewünschten und notwendigen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit herbeizuführen.

Resilienz in der Smart City

Wie Kommunen besser mit Krisen umgehen und proaktiv eine nachhaltige Zukunft gestalten können
Erscheinungsjahr 2023
Cover

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Auch IT-Systeme selbst müssen resilient sein

Die Studie befasst sich auch mit den Risiken der zunehmenden Digitalisierung – etwa durch Cyberangriffe oder dem Aufbau einer resilienten digitalen Infrastruktur, um Kaskadeneffekten oder dem Ausfall von Systemen vorzubeugen. „Durch Modularisierung und den Aufbau von redundanten Strukturen lässt sich das Risiko eines flächendeckenden Ausfalls verhindern“, erklärt Rabe, der an der Studie beteiligt war. „Verbindungen zwischen Teilsystemen sollten durch sogenannte ‚Firebreaks‘ gesichert werden. „Kein System ist hundertprozentig sicher und so auch nicht digitale Systeme. Durch die Schnelligkeit und Wirkmacht dieser Systeme sollte aber besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, wie diese im Zweifelsfall versagen. Man spricht hier von einem geplanten Kaskadenversagen, und da kann es unter Umständen angebracht sein, dass die letzte sichernde Ebene der Hebel ist, der auch noch manuell umgelegt werden kann.“

Vor allem, so Rabe, brauche es digitale Kompetenzen in den Verwaltungen und kommunalen Betrieben und Unternehmen, um mit den komplexer werdenden digitalen Systemen umzugehen und die digitale Entwicklung souverän zu gestalten: „Viele Verwaltungen sind für den schnellen Wandel noch nicht aufgestellt.“

Nationale Dialogplattform Smart Cities erarbeitet Leitlinienpapier

Die Frage, wie Kommunen mithilfe von Digitalisierung resilienter werden können, diskutiert seit einigen Monaten auch die Nationale Dialogplattform Smart Cities. Unter dem Leitthema „Beschleunigter Wandel und Resilienz“ erarbeiten Expertinnen und Experten aus Kommunen, Ländern, Bundesressorts, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, Leitlinien, welche im Juni 2023 veröffentlicht werden sollen. Unter anderem geht es darum, wie vorausschauende und adaptive Strukturen in der Stadtentwicklung aufgebaut und weiterentwickelt oder wie digitale Technologien als Wegbereiter für Klimaneutralität genutzt werden können.