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Einsatz eines digitalen Planungstisches in Leipzig: Anwohnerinnen und Anwohner diskutieren an einem Touchtable die energetische Quartiersentwicklung im Stadtteil Neulindenau. Heike Gebhardt

Was-Wäre-Wenn? – Mit digitalen Zwillingen die urbane Zukunft gestalten

Fast die Hälfte der 73 Modellprojekte Smart Cities beschäftigt sich mit dem Aufbau eines Digitalen Stadtzwillings. München, Hamburg und Leipzig gehen mit ihrem Gemeinschaftsvorhaben „Connected Urban Twins“ (CUT) voran. Doch auch viele weitere Städte und Gemeinden setzen auf die virtuellen Abbilder ihrer Kommunen und erproben Anwendungsfälle wie Stadtplanung, Bürgerbeteiligung oder Klima-Monitoring.

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Digitale Zwillinge sind virtuelle Kopien von physischen Objekten. Über Sensoren sind diese mit der realen Welt verbunden und ermöglichen auf diese Weise komplexe Simulationen. Auf die Smart City übertragen sind Digitale Zwillinge interaktive Weiterentwicklungen von 3D-Stadtmodellen. Neben Objekten, wie Gebäuden und Straßen, können sie zum Beispiel auch Mobilitätsströme, Treibhausgasemissionen oder soziale Interaktionen abbilden. Idealtypisch bündeln Digitale Zwillinge vielfältige Daten zu einem realitätsnahen, digitalen Abbild der Stadt.

Indem ein Digitaler Zwilling die Stadt als eine veränderliche, lebendige Umgebung abbildet, dient er nicht nur der Visualisierung, sondern ermöglicht vor allem die Simulation von „Was-Wäre-Wenn-Szenarien“: Wie wirkt es sich auf die Stausituation aus, wenn in der Innenstadt flächendeckend Tempo 30 eingeführt wird? Wo drohen bei Starkregen Überschwemmungen und wie könnten diese vermieden werden? Wo sollten Bäume gepflanzt werden, um das Stadtklima besonders im Hochsommer zu verbessern? Welche dunklen Ecken müssten besser beleuchtet werden?

Für Kommunen ermöglichen Digitale Zwillinge also nicht nur fundiertere Planungsentscheidungen und machen diese für unterschiedliche Zielgruppen nachvollziehbarer. Sie tragen auch dazu bei, dass Bürgerinnen und Bürger besser in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden können.

Von den 73 Modellprojekten Smart Cities beschäftigen sich mehr als dreißig mit Digitalen Zwillingen im urbanen Kontext und erproben unterschiedliche Lösungsansätze und Anwendungsfälle. Ihre ersten Erfahrungen sind vielversprechend, machen aber auch viele Herausforderungen deutlich. 

Datengrundlagen schaffen und Silos aufbrechen

Datengrundlagen schaffen und Silos aufbrechen

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In der Maßnahme „FairCare“ des Modellprojekts Smart Cities „Connected Urban Twins (CUT)“ konnten Menschen mit Handicap und ihre Angehörigen per Smartphone Barrieren in der Stadt sichtbar machen: Daten, die in den Digitalen Zwilling von Hamburg einfließen. Hier wird der Ansatz im Rahmen des 15. Bundeskongresses Nationale Stadtentwicklungspolitik vorgestellt. Marco Urban

Ein Digitaler Zwilling einer Stadt ist viel komplexer als beispielsweise ein Abbild einer Maschine: Zum einen braucht es Techniken zur Datenerfassung, etwa Sensoren oder auch Drohnen. Ein wesentlicher Unterschied zur Industrie ist auch der soziale Raum, der in einer Stadt ebenfalls berücksichtigt werden muss. Während sich Verkehrsströme zum Beispiel relativ einfach abbilden lassen, müssen viele andere, etwa soziale Daten, erst einmal erhoben und verfügbar gemacht werden. Ein Beispiel: Im Projekt „FairCare“ des Modellprojekts Smart Cities „Connected Urban Twins (CUT)“ konnten Menschen mit Handicap und ihre Angehörigen per Smartphone Barrieren in der Stadt sichtbar machen: Daten, die in den Digitalen Zwilling von Hamburg einfließen. 

Damit der Digitale Zwilling zum Werkzeug wird und übergreifende Fragestellungen aus unterschiedlichen Fachbereichen einfacher angegangen werden können, müssen Datensilos in der Verwaltung aufgebrochen werden. Dafür müssen Städte und Gemeinden entsprechende Datenstandards und Schnittstellen einführen.

Gute Visualisierung ist Voraussetzung für Bürgerbeteiligung

Gute Visualisierung ist Voraussetzung für Bürgerbeteiligung

Mit Digitalen Zwillingen wollen Städte die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, sich zu informieren, einzubringen, an Entscheidungen mitzuwirken und somit die Entwicklung der Region zu gestalten. Damit dies gelingt, müssen die Daten so aufbereitet und visualisiert werden, dass sie auch von Menschen, die nicht technikaffin sind, genutzt und verstanden werden können. Eine Lösung sind mobile „Datentische“ – wie der in Hamburg entwickelte DIPAS. Er verbindet ein Online-Beteiligungstool mit digitalen Planungstischen zu einem integrierten, digitalen System zur Bürgerbeteiligung. Bürgerinnen und Bürger können von zu Hause aus, mobil oder in Veranstaltungen digitale Karten, Luftbilder, Pläne, 3D-Modelle und Geodaten abrufen und so ihr Feedback zu Planungsvorhaben der Stadt geben.

Neue Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft der Modellprojekte Smart Cities

Neue Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft der Modellprojekte Smart Cities

Vor allem aber – und das wurde auch bei der vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und den Modellprojekten Smart Cities bespielten Arena zum Thema „Digitale Urbane Zwillinge“ auf dem 15. Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik deutlich – wünschen sich Kommunen übergreifende Standards für Digitale Stadtzwillinge und mehr interkommunalen Austausch. Dieser soll künftig unter anderem in einer Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft der Modellprojekte Smart Cities stattfinden: Im Fokus stehen Anwendungsfälle sowie die zentralen Anforderungen und Chancen für die kommunale Verwaltung, die ein Einsatz Digitaler Zwillinge mit sich bringt.

Auf mehreren internationalen und europäischen Ebenen wurden zudem Normungsaktivitäten zum Digitalen Zwilling angestoßen: Auf Initiative des CUT-Projekts sollen in den kommenden Jahren DIN-Standards für einen Digitalen Zwilling erarbeitet werden.
 

Forschungsprojekt: Großes Potenzial, aber Entwicklung erst ganz am Anfang

Forschungsprojekt: Großes Potenzial, aber Entwicklung erst ganz am Anfang

Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) erhebt als Teil des Forschungsclusters der Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities den aktuellen Stand der Modellprojekte Smart Cities hinsichtlich des Aufbaus und des Einsatzes Digitaler Zwillinge in der Praxis. Die Autoren der Studie, die Ende 2022 erscheint, bescheinigen dem Einsatz Digitaler Zwillinge in der Stadtentwicklung großes Potenzial. Zugleich betonen sie aber auch, dass die Entwicklung erst ganz am Anfang stehe. Tiefgehende Analysen, Simulationen und der Einsatz von KI befänden sich noch im Entwicklungsstatus. Die Modellprojekte Smart Cities haben damit die Chance, echte Pionierarbeit zu leisten.

Baukasten, Klima-Monitoring, virtuelle Zeitreisen oder Nachbarschaftshilfe: Beispiele aus den Modellprojekten Smart Cities

Modellprojekte Smart Cities Hamburg, Leipzig, München: „Connected Urban Twins – Urbane Datenplattformen und Digitale Zwillinge für Integrierte Stadtentwicklung“ (CUT)

Modellprojekte Smart Cities Hamburg, Leipzig, München: „Connected Urban Twins – Urbane Datenplattformen und Digitale Zwillinge für Integrierte Stadtentwicklung“ (CUT)

Im Mittelpunkt des Projektes CUT steht die gemeinsame Weiterentwicklung Digitaler Zwillinge und urbaner Datenplattformen in den drei Partnerstädten Hamburg, Leipzig und München. Das interdisziplinäre Projektteam schafft gemeinsame Standards, die in Zukunft in den Metropolregionen und anderen Städten angewendet werden können. Neben den Digitalen Zwillingen in den Partnerstädten soll ein Baukastensystem für den Einsatz in anderen Städten und Kommunen entstehen. Die Elemente des entwickelten Systems werden als Open-Source-Lösungen zur Verfügung gestellt.

Modellprojekt Smart Cities Paderborn: Entscheidungsfindung in Planungsprozessen

Modellprojekt Smart Cities Paderborn: Entscheidungsfindung in Planungsprozessen

Mit Hilfe urbaner Daten wird in Paderborn ein Digitaler Zwilling der Stadt entwickelt, der zukünftig die Stadtplanung bei komplexen Herausforderungen im Bestand und in der Neuplanung unterstützen soll. Der Zwilling soll die Stadtplanerinnen und -planer unterstützen, indem Analysen und Simulationen bei der Entscheidungsfindung in Planungsprozessen zur Verfügung gestellt werden. Dadurch sollen sich solch Prozesse auch effizienter und transparenter gestalten lassen. Ebenso soll der Digitale Zwilling zur Partizipation der Öffentlichkeit eingesetzt werden. Die planerische Anwendung wird in Pilotquartieren (Bestand und Neubau) getestet. Ein Anwendungsfall ist hier in Paderborn zum Beispiel die Identifikation und Behandlung von Hitzeinseln und Kaltluftschneisen.

Modellprojekt Smart Cities Hannover: OPEN.GEO.DATA und virtuelle Zeitreisen

Modellprojekt Smart Cities Hannover: OPEN.GEO.DATA und virtuelle Zeitreisen

Schematische Ansicht von Hannover als 3D-Modell
Landeshauptstadt Hannover

Hannover 3D, der Digitale Zwilling der niedersächsischen Landeshauptstadt, wird im Rahmen des Modellprojekts Smart CitiesHANnovativ“ zu einer umfassenden Urban-Data-Plattform ausgebaut. Kontinuierlich sollen Geodaten (Open.Geo.Data) ergänzt und verfügbar gemacht werden.

Zudem speichert der digitale Zwilling Daten aus der Vergangenheit. Damit lassen sich virtuelle Zeitreisen unternehmen, bei denen man etwa während eines virtuellen Stadtrundgangs das historische Hannover besichtigen kann. Zudem können Zukunftspläne visualisiert sowie Lichteinfall und Schattenwurf simuliert werden.

Modellprojekt Smart Cities Smart Region AUF (Apfeldorf-Unterdießen-Fuchstal)

Modellprojekt Smart Cities Smart Region AUF (Apfeldorf-Unterdießen-Fuchstal)

Mehrwerte für die Stadt- und Regionalentwicklung bieten Digitale Zwillinge nicht nur in Großstädten. Das interkommunale Projekt „Smart Region AUF“ der bayerischen Gemeinden Apfeldorf-Unterdießen-Fuchstal baut unter dem Motto „Dorfentwicklung 4.0“ einen Digitalen Zwilling auf. Dieser soll künftig als städtebauliches Planungsmodul für Klimaschutzthemen, aber auch für soziale Projekte im Bereich der Nachbarschaftshilfe dienen.