Panoramaaufnahme von Zwönitz mit Abendsonne
Smart City Zwönitz

Digitale Zukunft auf dem Land

Von interkommunaler Zusammenarbeit bis zu innovativen Ansätzen in der Nahversorgung und Medizin: Digitale Lösungen können die Lebensqualität auf dem Land steigern und ländliche Regionen zu „smarten Regionen“ formen.

Main content

Digitale Stadtplanung Regionale Wirtschaftsstruktur

Bei einer Smart City kommt es nicht auf die Einwohnerzahl an. Zu den bundesweit 73 geförderten Modellprojekten Smart Cities gehören zehn Kleinstädte oder Landgemeinden mit unter 20.000 Einwohnern sowie zehn Landkreise. Sieben der zehn interkommunalen Kooperationen unter den Modellprojekten Smart Cities beschreiben sich zudem selbst als „stark ländlich" geprägt.

Smarte Dörfer, Kleinstädte oder ländliche Regionen stehen trotz unterschiedlicher regionaler Kontexte häufig vor ähnlichen Herausforderungen: Dazu gehören etwa die oft nicht optimalen Nahversorgungsmöglichkeiten, der demografische Wandel und die Abwanderung junger Menschen sowie ein öffentliches Nahverkehrsangebot mit Lücken in der Fläche und Taktung. Digitale Lösungen können gerade in ländlichen Regionen helfen, um etwa vor Ort die Daseinsvorsorge zu sichern und die Lebensqualität zu steigern.

Ländlich geprägte Regionen müssen Digitalisierung gemeindeübergreifend denken

Stadtpanorama von Haßfurt mit Icons zu digitalen Anwendungen
Smart City Stadt Haßfurt

Die großen Themen ländlich geprägter Gemeinden und Regionen machen dabei an den eigenen Verwaltungsgrenzen nicht Halt – und viel stärker noch als größere Städte sind sie darauf angewiesen, im Verbund zu agieren und sich als smarte Region aufzustellen. Die regionale Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen hinweg ermöglicht Synergieeffekte. So nutzen smarte Regionen Ressourcen wie etwa Personal oder Infrastruktur gemeinsam. Auch in Bereichen wie Wissenstransfer, Kompetenzaufbau und Standardisierung muss sich nicht jede Kommune alleine auf den Weg machen. Mit Blick auf knappe Haushaltsmittel kann die interkommunale Zusammenarbeit Kosten sparen, beispielsweise durch gemeinsam bestellte Datenschutzbeauftragte und gemeinsame Datenplattformen.

Häufig ist das jedoch leichter gesagt als getan: Obwohl laut Trendreport „Digitaler Staat“ rund 80 % der Kommunen ein sehr großes Potenzial in der interkommunalen Zusammenarbeit sehen, wird sie bislang nicht in entsprechendem Maße gelebt. Während viele größere und mittlere Kommunen ihre Entwicklung zur Smart City organisatorisch verankern und dabei sind, Strukturen herauszubilden, fehlen insbesondere in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden sowie in den Landkreisen häufig noch entsprechende Strukturen und Verantwortlichkeiten für die smarte Region.

Die vom Bund geförderten Modellprojekte Smart Cities erproben hier stellvertretend neue Organisationsmodelle für die interkommunale Zusammenarbeit. Ein Beispiel ist die gemeinsam getragene Digitalisierungsagentur in Form einer GmbH des Verbunds der „5 für Südwestfalen“, die die Entwicklung einer smarten Region über verschiedene Kommunen hinweg koordiniert. Ein anderer Ansatz ist das Regionallotsen-Modell des Landkreises Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz. Die Regionallotsen sind jeweils für eine Teilregion des Landkreises – je zwei bis drei Kommunen – zuständig. Kern ihrer Aufgabe ist es, zum einen die Interessen „ihrer“ Kommunen in das Gesamtprojekt einzubringen, und zum anderen Informationen aus dem Gesamtvorhaben in die einzelnen Stadt- und Verbandsgemeindeverwaltungen zu tragen.

Chancen einer digital gestützten Regionalentwicklung werden an beispielhaften Themenfeldern deutlich

Im Rahmen der Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft (AEG) „Smarte Regionen“ haben sich die ländlich ausgerichteten Modellprojekte Smart Cities zusammengetan. Ziel der AEG ist es, Wissen zu teilen, konkrete Kooperationen zu vereinbaren und greifbare Mehrwerte für die inhaltliche Arbeit der Modellprojekte Smart Cities und weiterer Kommunen zu erzielen – etwa indem sie praxisbewährte Konzepte oder digitale Tools weiterentwickelt. Die AEG diskutiert organisatorische Ansätze und Lösungen für die konkreten Herausforderungen vor Ort. Ein Beispiel ist die Nahversorgung in ländlichen Räumen: Viele Modellprojekte Smart Cities verfolgen mit Online-Marktplätzen, Packstationen, nachhaltigen Lieferketten oder Verkaufsflächen in Gemeinschaftsorten unterschiedliche digital gestützte Ansätze, um die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs zu verbessern.

Ein anderes Beispiel ist das Ziel, den wachsenden Defiziten bei der medizinischen Versorgung auf dem Land entgegenzuwirken. So erhalten im Landkreis Mayen-Koblenz mit der „Herz-App“ Patientinnen und Patienten in der Region ein digitales Telemonitoring-Tool, mit dem sie etwa Blutdruck oder Gewicht dokumentieren können. Im Rahmen des Pilotprojekts werten am Telemedizin-Zentrum in Andernach Ärztinnen und Ärzte die Daten dann aus. Der große Vorteil: Patientinnen und Patienten werden nicht länger nach Termin, sondern nach individuellem Bedarf einberufen.
 

Digitalisierung greifbar zu machen, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor einer smarten Region

Das WALD | STADT | LABOR Iserlohn als ein Ankerort, an dem die digitale Entwicklung einer Stadt oder Region erfahrbar wird.
Das WALD | STADT | LABOR Iserlohn als ein Ankerort, an dem die digitale Entwicklung einer Stadt oder Region erfahrbar wird. Stadt Iserlohn

Entscheidend für erfolgreiche Projekte einer smarten Region ist auch die Frage, wie sich ein regionales Bewusstsein stärken lässt. Zur Realisierung einer smarten Region gehören eben nicht nur wertvolle Maßnahmen, die mit digitalen Instrumenten die Lebensqualität in Stadt, Landkreis und Region voranbringen. Gerade in den Vorhaben, bei denen wenige Menschen auf großer Fläche leben, wird es entscheidend sein, ob ein regionales Bewusstsein, eine gemeinsame Identität oder Marke entwickelt werden kann, hinter der sich alle Kommunen einer smarten Region versammeln können. Auch hier geht es darum, voneinander zu lernen und gute Lösungen für die Breite zu entwickeln, zum Beispiel mit mobilen Angeboten für Information und Mitwirkung an der digitalen Gestaltung der Region. Ein Lerneffekt hierbei: Diese Angebote dürfen nicht rein standardisiert sein, sondern müssen auf die spezifische Teilregion angepasst werden. In der einen Gemeinde ist womöglich eine begleitende Kinderbetreuung erforderlich, in der nächsten die Kooperation mit dem wichtigen lokalen Verein zielführend.

Schlussendlich sprechen die Teilregionen einzelne Themenschwerpunkte der Digitalisierung unterschiedlich an. Deshalb geht es auch darum, den Menschen in einer Region zu verdeutlichen, in welcher Weise digitale Instrumente ihr Leben verändern werden, und dass sich der digitale Wandel als örtliche Gemeinschaft gestalten lässt. Zahlreiche Kommunen – speziell in den ländlichen Regionen – bauen hierfür Ankerorte und Anlaufstellen für die smarte Region auf – genannt „Regio-Hubs“, „Stadtlabore“, „Maker-Spaces“, „Innovationsräume“ oder „Dorfbüros“.

Die Schwerpunkte dieser Orte sind dabei unterschiedlich: Von den Zielen, die Gemeinschaft zu stärken und Begegnung zu fördern, über einen Ort für Bürgerbeteiligung, dezentrale Verwaltungsleistungen und Daseinsvorsorge oder eine Erlebnismöglichkeit für digitale Lösungen bis hin zu Co-Working-Spaces, Start-up-Förderung und Innovationszentren. Ein Beispiel ist das DiZ, das Digitalzentrum Amt Süderbrarup, das sich als Bildungseinrichtung, Begegnungsort und Entwicklungsstandort für bestehende und neue Wirtschaft versteht. Die dortige Gemeinschaftswerkstatt mit 3D-Drucker und Lasercutter sowie Werkzeugen für Prototypenbau, Handwerk und Programmierarbeiten steht Schülerinnen und Schülern, Start-ups und allen, die Technik und digitale Werkzeuge ausprobieren möchten, offen. Oder das WALD | STADT | LABOR Iserlohn als offener Raum für alle, die an der digitalen Transformation und der nachhaltigen Entwicklung der Stadt Iserlohn mitwirken möchten. Es unterstützt die Diskussion zwischen Stadtverwaltung, Politik, Bürgerschaft, Institutionen, Wirtschaft und Wissenschaft in Fragen der digitalen Entwicklung der Region.

Die „smarte Region“ wird relevanter

Ländliche Regionen können ihre Zukunft aktiv gestalten. Positiv wirkt: Das Bewusstsein für die smarte Region, die mit digitalen Ansätzen dazu beiträgt, ihren spezifischen Herausforderungen zu begegnen, wächst. Smart City ist damit nicht nur ein Privileg für größere Städte, sondern kann und muss auch in Kleinstädten und Dörfern greifen. Gerade hier gewinnt die regionale Ebene in Zukunft mit Fortschreiten des kommunalen Digitalisierungsprozesses an Bedeutung. 

Weitere Informationen

Hinweis: Dieser Artikel ist eine überarbeite Version eines Beitrags, der im April 2023 in der Zeitschrift Kommune 21 erschienen ist.

Autorinnen und Autoren
Theresa Hohmann

Theresa Hohmann

Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH
Referentin & Fachliche Beratung KTS / Difu; Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Tel.: +493039001278
Jan Abt

Jan Abt

Difu - Deutsches Institut für Urbanistik
Co-Leiter Wissenstransfer
Tel.: +493039001206
E-Mail: abt@difu.de