Zukunft gemeinsam gestalten: Kommunen als Zentren klimaneutraler digitaler Innovation

08.01.2024

Klimaschutz und Digitalisierung sind zentrale Zukunftsaufgaben für Kommunen. Leipzig, Münster und Dortmund zeigen, wie digitale Werkzeuge genutzt werden, um Klimaschutzmaßnahmen gezielter zu planen, Wirkungen zu messen, Fortschritte sichtbar zu machen und Bürgerinnen und Bürger aktiv einzubinden.

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Wie werden kommunale Klimaschutzziele durch digitale Anwendungen unterstützt? Klimaschutz und Digitalisierung sind zentrale Zukunftsaufgaben für Kommunen – auch wenn sie noch immer nicht zu den Pflichtaufgaben gehören. Hierbei verstehen Kommunen Digitalisierung, beziehungsweise digitale Anwendungen, als Chance, konkrete Klimamaßnahmen zu unterstützen. 

Anhand beispielhafter Erfahrungen in Münster, Leipzig und Dortmund – basierend auf Interviews und Austauschen – zeigt dieser Blogbeitrag, wie digitale Anwendungen Klimaschutz datenbasiert, partizipativ und vernetzt gestalten.

Die hier vorgestellten Projekte wurden über die Pilotprojekte der EU-Städtemission, koordiniert durch das EU-Projekt NetZeroCities, oder die vom Bund geförderten Modellprojekte Smart Cities (MPSC) gefördert. Alle erwähnten Städte sind sowohl Teil der EU-Städtemission für klimaneutrale und intelligente Städte als auch MPSC-Kommune.

Als Teil der EU-Städtemission haben die Städte einen besonderen Fokus auf das Thema der Klimaneutralität in Kombination mit Digitalisierung gesetzt. Ihr gemeinsames Ziel: 2030 klimaneutral und intelligent zu werden. Dabei verfolgen sie einen systemischen Ansatz und suchen in erster Linie Lösungen für die schwierigsten Herausforderungen.

Die Pilotierung – was wurde erreicht?

Screenshot mit Daten
Screenshot des Klimabarometers (Climateview) der Stadt Dortmund Stadt Dortmund / https://www.dortmund.de/themen/umwelt-nachhaltigkeit-und-klimaschutz/klimaschutz-und-klimafolgenanpassung/klimabarometer
Dashboards

Bei der Planung und Umsetzung gezielter Klimaschutzmaßnahmen können digitale Dashboards und Beteiligungswerkzeuge den Prozess entscheidend stärken: Sie machen komplexe Daten für Bürgerinnen und Bürger verständlich, erhöhen die Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen und ermöglichen eine frühzeitige, niedrigschwellige Mitgestaltung.

Dortmund zeigt mit Climate City Dash 2.0 wie datenbasierte Steuerung in Städten nicht nur interne Entscheidungsprozesse verbessert, sondern auch Schnittstellen zu relevanten Akteuren schafft. In dem entwickelt Dortmund, gemeinsam mit den anderen EU-Missionsstädten München und Heidelberg gemeinsam ihre interaktiven Klima-Dashboards. Bei den damit einhergehenden Stakeholderbeteiligungen werden die Städte von wissenschaftlicher Seite unter anderem durch die Sozialforschungsstelle der TU Dortmund und das Gründerzentrum UnternehmerTUM der Technischen Universität München begleitet. Ziel ist es, durch Austausch und gemeinsames Entwickeln mit Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft neue Formen der Klima-Governance zum Wohle aller zu etablieren. Besonders die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft sind essenzielle Akteure, wenn es darum geht, die gesetzten Ziele zur Treibhausgasneutralität zu erreichen.

 

Um Entwicklungen in der Klimaschutzarbeit transparent nach außen zu kommunizieren und wichtige Stellschrauben aufzeigen, hat die Stadt Münster das Klimadashboard entwickelt. Es entstand im Rahmen der Förderung der Modellprojekte Smart Cities, um eine zentrale, öffentlich zugängliche Plattform zu schaffen, die relevante Daten zu Klimaschutz und Klimaanpassung übersichtlich und interaktiv bereitstellt. Neben CO₂-Bilanzen werden Indikatoren für Energie, Mobilität, Wetter und Gebäude integriert. Das Klimadashboard bildet die Basis für weitere Weichenstellungen in der integrierten Stadtentwicklung und -planung. Es ist für Bürgerinnen und Bürger einsehbar und stärkt die transparente, bürgernahe Kommunikation.

 

Screenshot mit Daten
Screenshot des Klimadashboards der Stadt Münster Stadt Münster / https://www.klimadashboard.ms

 

Das Klimadashboard ist ein wichtiger Baustein sowohl für die Kommunikation mit der Stadtgesellschaft als auch für das Klimacontrolling im Stadtkonzern.

Thomas Möller, Leitung Stabstelle Klima der Stadt Münster

Digitale Toolbox

Die kommunale Wärmeplanung ist ein zentrales Instrument, mit dem Kommunen ihre Klimaschutzziele erreichen. Durch Aufzeigen klimafreundlicher Heizmöglichkeiten schaffen Kommunen Transparenz darüber, welche Lösungen vor Ort sinnvoll sind.

In Leipzig und Dresden entwickeln die Klimaschutz- und Smart-City-Abteilungen im EU-Pilotprojekt EnAct4CleanCities gemeinsam eine digitale Toolbox mit verschiedenen Modulen für die Energie- und Wärmewende (s. Abbildung 3). Diese unterstützt die Städte dabei, Bürgerinnen und Bürger mit Hilfe neuer digitaler Formate über lokale Wärme- und Energiewendepläne zu informieren, zu aktivieren und damit in Planungsprozesse einzubinden.

In Leipzig wird hierfür aktuell der bestehende Energie-Atlas (urbaner digitaler Zwilling) zum „Energiezwilling“ weiterentwickelt. Die Stadt ergänzt dabei unter anderem das digitale Beratungsangebot für Bürgerinnen und Bürger zum Thema Wärmeplanung und Gebäudesanierung durch Gamificationalso dem Einsatz von spielerischen Elementen, zum Thema nachhaltiges Leben in der Leipzig-App. Damit unterstützen die Bürgerinnen und Bürger aktiv Leipzigs Energiewende zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung bis zu Jahr 2038. Gerade die weniger gut versorgten Außenbereiche mit Einfamilienhäusern und kleinen Unternehmen liegen im Fokus. 

 

Eine Übersichte in Tabellenform
Toolkit EnAct4CleanCities EnAct4CleanCities

Klimaschutz und digitale Tools – was erleichtert die Anwendung?

Die drei Beispiele zeigen, dass besonders Kooperation, neben Expertise und Kommunikation (oder Förderprogrammen), ausschlaggebend sind für eine erfolgreiche Integration und Anwendung der Tools.

Ein zielgruppenorientierter Austausch zwischen beteiligten Akteuren, wie Verwaltungseinheiten, politischen Gremien und fachlichen Abteilungen sowie Bürgerinnen und Bürgern, ermöglicht eine besser funktionierende Kooperation und die Integration verschiedener Sichtweisen. Leipzig und Dresden arbeiteten beispielsweise mit der sächsischen Verbraucherzentrale zusammen, die Eigentümerinnen und Eigentümer gezielt zu baulichen Maßnahmen wie energetischen Sanierungen berät. 

In allen Städten hat sich zudem der enge Austausch zwischen den Klima- und Smart-City-Abteilungen als ein wichtiger Baustein erwiesen – auch mit Blick auf die sinnvolle Verknüpfung der verschiedenen Förderprogramme. Dabei verbessert die enge Abstimmung zwischen Ämtern und Abteilungen die Integration und Nutzung von Daten, was eine präzisere Planung und effizientere Umsetzung von Klimamaßnahmen ermöglicht. In Leipzig wurde auf dem CUT-Projekt aufgebaut, um den Energiezwilling weiterzuentwickeln. In Münster koordinierten sich die Stabstelle Smart City und die Stabstelle Klima für die effiziente Entwicklung des Klimadashboards, sodass technische Umsetzung und strategische Einbettung über ein umfassendes Klimaschutz-Controlling ineinandergreifen. Die gesammelten Erfahrungen fließen nun in den Aufbau einer langfristig tragfähigen urbanen Datenplattform ein. 

Im Kontext der drei vorgestellten Projekte spielen zudem die eingangs genannten externen Förderprogramme – EU-Pilotprojekte und MPSC – und ihr Zusammenspiel eine wichtige Rolle, da sie den notwendigen Spielraum, die Finanzierung und das nötige Netzwerk bieten, um innovative Ansätze zu erproben und zu skalieren. Transparente Kommunikation und geeignete Beteiligungsformate, wie beispielsweise in Münster über die Webseite „Klimastadt Münster“, stärken dabei Akzeptanz und Engagement auf lokaler Ebene.

Klimaschutz und digitale Tools – wo liegen die Herausforderungen?

Erfolgsfaktoren können zugleich Herausforderungen darstellen, hier im Fall bezogen auf die passende Kommunikation, die neben geeigneten Rahmenbedingungen und Verfügbarkeit von Daten, die Anwendung digitaler Tools verlangsamen. In Leipzig und Dresden erwies sich erstere rund um die Wärmewende als besonders anspruchsvoll: Viele Eigentümerinnen und Eigentümer fühlen sich zum Energiewechsel gedrängt, ohne ausreichende finanzielle oder strukturelle Unterstützung. Eine zielgruppengerechte Kommunikation ist hier notwendig, so wurden beispielsweise zur Entwicklung der digitalen Tools sogenannte Personas entwickelt, die die konkrete Eigentümerstruktur abbilden sollen. In einigen Gebieten sind dies eher alleinstehende, ältere Personen, in anderen Familien. Diese Gruppen haben unterschiedliche finanzielle und strategische Ziele für ihre Wohngebäude, was in der Entwicklung von Kommunikationsmaßnahmen berücksichtigt werden muss.

Ein weiterer Punkt ist die Datengrundlage: Eine frühzeitige Klärung der Verfügbarkeit ist entscheidend. Die Beschaffung und Integration relevanter Daten ist eine wichtige Komponente, bleibt jedoch in allen Projekten eine der größten Herausforderungen. Regulierungen wie die Data-Union-Strategie auf europäischer Ebene könnten hier Abhilfe schaffen. 

Lernerfahrungen für andere Kommunen

Leipzigs digitale Toolbox für eine datengetriebene Wärmewende bietet dank ihres modularen Aufbaus eine niedrigschwellige Möglichkeit zur Übertragung in andere Kommunen. Der 100-Prozent-Open-Source-Ansatz in Münster stärkt, neben potenzieller Senkung der Betriebskosten, die Transparenz des Verwaltungshandelns und erleichtert die Kooperation mit und Übernahme der entstandenen Lösung durch weitere Kommunen. Die Städte Wiesbaden, Marburg und Aschaffenburg haben bereits das Münsteraner Klimadashboard in Varianten umgesetzt. 

Die Förderprogramme eröffnen Kommunen freien Handlungsspielraum, der von allen Projektteams gleichermaßen unterstrichen und geschätzt wird. Gleichzeitig muss Zeit eingeplant werden, um den Prozess hinter den Förderprogrammen bestmöglich in bestehende Rahmenbedingungen – wie zum Beispiel Verwaltungsstrukturen – zu integrieren.

Wichtige Erkenntnisse

  • Eine frühzeitige Klärung der Datenlage ist entscheidend.
  • Die enge Abstimmung zwischen beteiligten Akteuren verbessert Datenintegration und 
    -nutzung.
  • Zielgruppen müssen klar definiert sein, um Inhalte fokussiert aufzubereiten.
  • Es braucht ein übergreifendes Klimaschutz-Controlling, in das die Tools integriert werden.

Fazit

Die Beispiele aus Münster, Leipzig und Dortmund zeigen, wie digitale Anwendungen Klimaschutzmaßnahmen in Kommunen unterstützen. Besonders im datenbasierten Klimaschutz, etwa beim Monitoring oder der Wärmeplanung, zeigen sich die Vorteile digitaler Ansätze deutlich: Sie optimieren Abläufe, erhöhen die Transparenz und erleichtern so die Information und Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern. 

Durch die Unterstützung der Förderprogramme konnten Kommunen neue Lösungsansätze erproben. Zudem zeigen die Projekte anschaulich, wie verschiedene Programme auf nationaler und EU-Ebene in ein kohärentes Klimaschutzkonzept integriert werden können. 

Gleichzeitig ist wichtig, dass sowohl technische Innovation als auch effizienter Klimaschutz immer auf stabile Rahmenbedingungen – legislativ, politisch und finanziell – und klare Zuständigkeiten angewiesen sind. Um die Wirkung solcher Projekte langfristig zu sichern, braucht es eine gute Verzahnung zwischen den Förderprogrammen auf Bundes- und EU-Ebene, aufeinander abgestimmte rechtliche Vorgaben – kommunal bis EU – und flexiblere Fördermechanismen: etwa pauschale Budgets, die gezielt und unbürokratisch für Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt werden können.

Die Erfahrungen der Städte machen deutlich: Städte sind zentrale aber nicht alleinige Akteure der klimaneutralen und digitalen Transformation und zeigen, wie gemeinsames Gestalten auf lokaler Ebene zur gesamtgesellschaftlichen Veränderung beiträgt.