Eine Grafik mit einem Handy, auf dem Menschen stehen
Agora Digitale Transformation & Jakub Stejskal

Heimliche Demokratieorte: Digitale Karten in smarten Städten

03.04.2025

Karten sind mächtige Instrumente. Sie sortieren die Welt, trennen das Wichtige vom Unwichtigen. Ein Blick auf die Karten-App und wir entscheiden, ob wir den Bus zur Arbeit nehmen, wo wir einkaufen, was wir auf unserem Wochenendausflug unternehmen. Wer Karten zur Verfügung stellt, entscheidet darüber, was wichtig ist und was unwichtig: Ob Nutzende zuerst eine Kirche angezeigt bekommen oder das Nachbarschaftscafé, ob der Wanderweg sofort ins Auge sticht oder ein Einkaufszentrum. Auf welche Weise Karten die Welt sortieren, hängt vom Anbieter ab. Dienste wie Google Maps sind darauf ausgerichtet, über das Kuratieren von Restaurants oder Carsharing-Anbietern Geld zu verdienen und Daten über unser Alltagsverhalten zu sammeln. Doch kommunale Karten funktionieren anders.

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Früher war es der Stadtplan aus der Tourismusinformation, der sich nur mit Mühe wieder sauber zusammenfalten ließ. Heute bieten smarte Städte und Gemeinden zahlreiche digitale Karten an – und damit viel mehr als nur Informationsquellen. Über Karten interagieren Kommunen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern, sie holen Feedback ein und lernen daraus. Smarte Kommunen nutzen Karten, um Menschen miteinander zu verbinden und der Zivilgesellschaft Raum zu geben. Hier sind Karten nicht nur nützliche Hilfsmittel, sondern wichtige soziale Räume. Deren Potenziale werden bislang jedoch nur angekratzt – das zeigt auch eine Studie zu kommunalen Kartenangeboten, die wir als Agora Digitale Transformation durchgeführt haben. Wie beim Faltplan hakelt es auch im Digitalen dann und wann noch bei der Alltagstauglichkeit.

Infokarten: Gute Orte finden

Auf den digitalen Stadtplänen vieler Kommunen findet sich eine beeindruckende Fülle nützlicher Informationen, die woanders nicht zu finden sind: von öffentlichen Toiletten über Wochenmärkte und barrierefreie Grillplätze bis hin zu kühlen Orten im Sommer. 

So lässt sich der Stadtplan des Modellprojekts Smart Cities Kiel nach Angeboten für bestimmte Gruppen filtern, im Modellprojekt Smart Cities Iserlohn lassen sich auf der interaktiven Karte Unternehmen anzeigen, die am lokalen Gutscheinprogramm teilnehmen. Und das Modellprojekt Smart Cities Kassel entwickelt gerade einen digitalen Wegweiser, der Menschen mit Hilfebedarf im Alltag unterstützen soll. Einen besonderen Weg geht das Modellprojekt Smart Cities Bamberg, das mit „Hier & Jetzt“ derzeit eine interaktive Karte entwickelt, auf der Bürgerinnen und Bürger nicht nur eigene Orte, sondern auch Events eintragen können. So soll ein lebendiges Bild davon entstehen, was in der Stadt gerade los ist.

Stadtpland einer Stadt
Der interaktive Stadtplan Herrenberg ist ein Beispiel für nutzendenfreundliches Design: Hier lässt es sich intuitiv navigieren. Stadt Herrenberg, © OpenStreetMap Mitwirkende (CC-BY SA 2.0)

Nur: Vielerorts machen diese Karten wenig Spaß. Apps oder Smartphone-optimierte Versionen gibt es nicht immer. In einigen Städten basieren die Karten auf dem jeweiligen Geoportal – der Preis für die hohe Detailtiefe sind lange Ladezeiten und eine Benutzerführung, die sich an Verwaltungsmitarbeitende und Geo-Nerds richtet. Besser macht das etwa Herrenberg, dessen Stadtplan sich intuitiv navigieren lässt.

Dazu kommt, dass viele Kommunen nicht eine interaktive Karte anbieten, sondern gleich mehrere: eine Spielplatzkarte, eine Karte für Seniorinnen und Senioren sowie eine Tourismuskarte müssen separat angesteuert werden. Und nur in sehr wenigen Kommunen lässt sich der offizielle Veranstaltungskalender direkt auf dem Stadtplan anzeigen.

Aber wie komme ich eigentlich zum Spielplatz oder zum Grillplatz? Viele digitale Stadtpläne verfügen über keine Routingfunktion – das führt dazu, dass Nutzende dann in andere Apps wechseln müssen. Besser gelöst ist das etwa im landesweiten Bayern-Atlas, der zumindest Fahrrad- und Fußgängerstrecken ausgeben kann. ÖPNV-Verbindungen lassen sich aber fast überall nur abermals über andere Plattformen finden.

Beteiligungskarten: Feedback geben

Eine Parkbank muss dringend repariert werden? In vielen Städten können das Bürgerinnen und Bürger auf einer Karte markieren. Sie müssen dafür nicht wissen, welche Behörde zuständig ist, das Anliegen wird automatisch weitergeleitet. Das funktioniert, weil auch Verwaltungen profitieren: Kontrollfahrten entfallen, Doppelmeldungen werden reduziert, der Kommunikationsaufwand sinkt. Die Themen sind trocken – Mängel an der kommunalen Infrastruktur – aber wenn es gut läuft, machen Menschen eine positive Verwaltungserfahrung: Sie meckern, jemand aus der Verwaltung (und nicht eine Funktionsadresse) reagiert darauf, bedankt sich vielleicht sogar für das wache Auge und ein paar Tage später ist die Parkbank repariert. Das mag banal klingen – wenn wir aber darüber nachdenken, wie Vertrauen in den Staat gestärkt werden kann, sind solche simplen Interaktionen ein Anfang. 

Für Menschen liegt es nah beieinander, sich über ein Problem zu beschweren und eine Idee zu haben, wie das Leben in der Stadt netter sein könnte – indem sie etwa eine Parkbank vorschlagen, wo es noch keine gibt. In der Praxis müssen sie für Letzteres aber fast überall ein anderes Tool benutzen, denn für Verwaltungen sind das sehr unterschiedliche Vorgänge. Eine vorbildhafte Ausnahme ist der integrierte „Ideen- und Mängelmelder Kevelaer“, der technisch über das Landesportal Beteiligung.NRW umgesetzt wird. Auch der Mängelmelder „Klarschiff Mecklenburg-Vorpommern“ erlaubt das Einreichen von Ideen. Das Tool wurde bereits 2010 von der Stadt Rostock entwickelt und wird inzwischen landesweit eingesetzt.

Stadtplan einer Stadt
Kombinierte Mängel- und Ideenkarte des Landes Mecklenburg-Vorpommern: Hier ist das Einreichen von Ideen erlaubt. Das Tool wurde bereits 2010 von der Stadt Rostock entwickelt und wird inzwischen landesweit eingesetzt. Klarschiff-MV (CC BY 3.0)

Die Grenzen werden allerdings schnell deutlich: Oft werden Anregungen durch die Verwaltung zwar zur Kenntnis genommen, nicht aber bearbeitet. Häufig findet sich keine zuständige Stelle, die Ideen versanden. So entsteht vermeidbarer Frust. Es ist deswegen wegweisend, was die Stadt Potsdam vorhat: nämlich einen geeigneten Verwaltungsprozess für den strukturierten Umgang mit Input nach außen zu entwickeln. 

In formellen Beteiligungsverfahren funktioniert das besser. Weil sich komplizierte Sachverhalte über Karten viel besser greifen lassen als über Texte, werden sie in Planungsverfahren und Strategieprozessen gerne eingesetzt. Bürgerinnen und Bürger können dann – zu einer vorgegebenen Fragestellung – Wünsche melden, Feedback zu konkreten Entwürfen geben und diskutieren. Das Hamburger Beteiligungstool DIPAS lässt sich sogar bei analogen Veranstaltungen einsetzen. Dafür wurden spezielle Tische entwickelt, auf denen die entsprechenden Karten angezeigt werden können. Das hilft Bürgerinnen und Bürgern, Expertinnen und Experten sowie und Vertreterinnen und Vertretern der Stadt, gemeinsam anschaulich über komplizierte Planungsfragen nachzudenken und diese zu erörtern.

Die Kehrseite solcher Beteiligungskarten mit konkreten Anlässen: Wenn das Verfahren beendet ist, verschwindet die Karte oft wieder. Die Eingaben sind dann nur noch in Form von Exceltabellen verfügbar, manchmal sogar lediglich als PDF-Dokumente. Mitunter bleiben die Rohdaten sogar beim Anbieter der genutzten Software. Das ist nicht nur für Bürgerinnen und Bürger intransparent – die Verwaltung verschenkt mit diesem Vorgehen auch jede Menge Wissen, das sie in späteren Verfahren nutzen könnte. 

Community-Karten: Gleichgesinnte finden

Nicht nur der Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern mit ihrer Verwaltung lässt sich digital neu denken – Karten stärken auch die Vernetzung von Menschen untereinander. 

Ein Ansatz sind digitale Engagement-Karten, wie sie etwa die Stadt Bielefeld anbietet. Diese bringen an ehrenamtlicher Arbeit interessierte Menschen mit Projekten zusammen, die Unterstützung suchen. Es zeigt sich: Wenn solche Angebote angenommen werden, dann werden sie mancherorts zu kleinen sozialen Netzwerken, die in Richtung größerer sozialer Netzwerke gehen. Einige solcher Tools um Online-Foren oder Tauschbörsen sind bereits, wie etwa in Bretten, dahingehend erweitert worden.

Andernorts gibt es Mitmach-Karten, auf denen Bürgerinnen und Bürger konkrete Aufgaben für die Gemeinschaft übernehmen können, etwa das Gießen von Stadtbäumen. Das Modellprojekt Smart Cities Köln bietet seinen Einwohnerinnern und Einwohnern die Möglichkeit, zukünftig Tischtennisplatten in ihrer Umgebung zu reservieren und Mitspielerinnen und Mitspieler zu finden.

Kommunale Karten sind hilfreich, werden aber kaum genutzt

Stadtplan einer Stadt
Die Mitmachkarte VoluMap in Bielefeld Stadt Bielefeld und topocare GmbH, © OpenStreetMap Mitwirkende (CC-BY SA 2.0)

All dies zeigt: In der Landschaft kommunaler Karten finden sich viele sehr nützliche Tools – gleichzeitig wird jedoch schnell klar, warum viele dieser Angebote kaum genutzt werden. Denn viele kommunale Karten sind schwer auffindbar und wenig intuitiv zu bedienen. Sie sind oft aus Verwaltungsperspektive designt. Das führt dazu, dass Menschen für jedes Anliegen eine separate Karte aufrufen müssen: Obwohl ich an einer Stelle Probleme melden kann, darf ich dort keine eigenen Ideen einbringen und umgekehrt. Dort, wo ich mich informieren kann, kann ich mich nicht beteiligen. Und an digitalen Orten, die mir den Austausch mit anderen Menschen ermöglichen, fehlt mir der Kontakt zur Verwaltung. So sprechen diese vielen sinnvollen Nischenangebote sehr enge Zielgruppen an – eine kritische Masse kann so allerdings nicht entstehen.

Und nun?

Doch die Grundlagen sind da. Was also tun? Interaktive Stadtpläne müssten zugänglicher designt werden – und Interaktionsmöglichkeiten mit der Stadt sollten gleich dort angezeigt werden. Eine fehlende Grillstelle in Wohnortnähe ließe sich so direkt melden, ein Stand am Wochenmarkt umgehend beantragen, ein Arbeitsplatz im Dorfgemeinschaftshaus unkompliziert buchen. Und die Verwaltung könnte direkt auf dem Stadtplan auf einen laufenden Ideenwettbewerb zur Neugestaltung des Schwimmbades hinweisen. Auf diese Weise würde Beteiligung an einen digitalen Ort kommen, der Bürgerinnen und Bürgern einen Mehrwert bringt.

Dafür müsste keine Software neu entwickelt werden, es braucht vielmehr einheitliche Datenformate und Schnittstellen zwischen den verschiedenen Kartentools. Auch hier gibt es Bewegung. Die Modellprojekte Smart Cities BambergHildesheimKiel und Lübeck arbeiten gemeinsam darauf hin, digitale Beteiligungsplattformen – ob kartenbasiert oder nicht – miteinander interoperabel zu machen. Und auch der Erfolg des gemeinsamen Beteiligungsportals der Länder Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen-Anhalt zeigt, dass länderübergreifende Vereinheitlichung möglich ist. Was noch fehlt, ist ein Akteur, der diese Bestrebungen koordiniert und aus einer Designperspektive vorantreibt. 

Als Agora Digitale Transformation wollen wir dazu unseren Beitrag leisten. Der Stadtplan der Zukunft ist für uns keine einmalige Studie, sondern Teil einer langfristigen Vision. Wir wollen weiterdenken, weiterentwickeln und weiter diskutieren – gern auch mit Ihnen. Wir freuen uns deswegen immer über Feedback, Ideen oder Anregungen!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin oder des Autors wieder. 

Leselinks und Literaturverzeichnis

Abt, J. (2024): Digitale Beteiligung einfacher machen. Smart City Blog. Smart City Dialog. Zugriff: https://www.smart-city-dialog.de/blogs/digitale-beteiligung-einfacher-machen [zuletzt abgerufen am 25.03.2025].

Casper, E. A. (2019): Die Karten auf den Tisch legen: Einflüsse des digitalen Partizipationssystems (DIPAS) auf das Planungsverständnis von Bürgerinnen und Bürgern – ein Praxistest in Hamburg. Universität Stuttgart. Zugriff: https://www.hamburg.de/contentblob/12577244/a089c97063601b5bf62a23ba077d263c/data/d-masterarbeit.pdf [zuletzt abgerufen am 25.03.2025].

Laarz, D. (2024): „Karten können ein Begegnungsraum zwischen dem Staat und den Menschen sein“. AufRuhr - Das Magazin der Stiftung Mercator. Zugriff: https://www.aufruhr-magazin.de/digitalisierte-gesellschaft/countermapping-agora-digitale-transformation [zuletzt abgerufen am 25.03.2025].

Hauptmann, N. (2024): „Eine Länderkooperation zum Beteiligungsportal“. eGovernment.  Zugriff: https://www.egovernment.de/eine-laenderkooperation-zum-beteiligungsportal-a-be54cc94d360c7723872255b1498c09f/ [zuletzt abgerufen am 25.03.2025].

Heyder, M. (2024): Unterschätzte Helden: Normen und Standards für smarte Kommunen. Smart City Blog. Smart City Dialog. Zugriff: https://www.smart-city-dialog.de/wissen/blog/unterschaetzte-helden-normen-und-standards-fuer-smarte-kommunen [zuletzt abgerufen am 25.03.2025].

Kahila-Tani, M., Kytta, M., Geertman, S. (2019): Does Mapping Improve Public Participation? Exploring the Pros and Cons of Using Public Participation GIS in Urban Planning Practices. Landscape and Urban Planning 186: 45–55. Zugriff:  doi:10.1016/​j.landurbplan.2019.02.019 [zuletzt abgerufen am 25.03.2025].

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